„Viele wollen sich engagieren, aber nicht in einer Partei“: Berliner FDP-Politiker Harald Christ gründet liberalen Verein
© picture alliance/dpa/Michael Kappeler „Viele wollen sich engagieren, aber nicht in einer Partei“: Berliner FDP-Politiker Harald Christ gründet liberalen Verein
Mit einem neuen Verein will Unternehmer Harald Christ der bürgerlich-liberalen Politik in Berlin wieder eine Stimme geben und die FDP unterstützen. Ein Interview.
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Herr Christ, Sie wollen den Verein „Liberale Zukunft für Berlin“ gründen. Wofür braucht es so eine Organisation neben der FDP?
Wir stehen der FDP nahe und teilen viele Werte, aber wir wollen ein Engagement für Berlin nicht an einer Parteimitgliedschaft festmachen – ich spüre in meinem Umfeld ein enormes Interesse, daran mitzuwirken. Ganz viele Menschen wollen sich inhaltlich für Berlin engagieren, aber eben nicht direkt in einer Partei. Viele suchen eine Andockstation, wo sie sich einbringen können. Wir wollen eine Plattform für „Unser Berlin“ sein: Meckern ist eine Sache, aber Mitgestaltung wird unsere Stärke sein. Unsere Bewegung ist deshalb offen für alle demokratischen Bürgerinnen und Bürger, die sich zu den Werten der sozialen Marktwirtschaft bekennen und keinem der extremen Ränder angehören.
Sie waren lange in der SPD auf Bundesebene aktiv, bis vergangenes Jahr FDP-Bundesschatzmeister. Warum engagieren Sie sich jetzt auf der Berliner Landesebene?
Ich lebe seit 2001 in Berlin und die Stadt hat sich insbesondere in den letzten Jahren nicht mehr weiterentwickelt – im Gegenteil, vieles wird ständig schlechter. Regelmäßig wird von der Stadtregierung viel versprochen. Die Probleme zum Beispiel, in den Bereichen Sicherheit, Schule und Bildung, bezahlbare Mieten, mehr Wohnraum, Verkehr, funktionierende Verwaltung, sind seit Jahren bekannt. Ich kenne viele, die deshalb überlegen wegzuziehen oder schon weggezogen sind. Bürgerinnen und Bürger, die resignieren und die an der miserablen Berliner Stadtpolitik verzweifeln. Es fehlt komplett das Vertrauen, dass der Senat die Probleme noch in den Griff bekommt. Daran ändert auch die neue schwarz-rote Koalition nichts. Der Start, den Regierenden Bürgermeister im dritten Wahlgang erst zu wählen, ist schon ein Vorbote für das, was wir bis 2026 zu erwarten haben.
Wir werden klare inhaltliche Positionen beziehen und wir werden Gesprächsformate, Bürgerdialoge bis hin zu Volksentscheiden anstrengen.
Harald Christ, Unternehmer und FDP-Politiker
Was haben Sie mit Ihrem Verein in den kommenden Jahren vor?
Der Senat wird uns ernst nehmen: Wir werden klare inhaltliche Positionen beziehen und wir werden Gesprächsformate, Bürgerdialoge bis hin zu Volksentscheiden anstrengen. Wir stehen für eine pragmatische, machbare Politik für „unser Berlin“. Berlin soll sich positiv entwickeln – Politik muss den Menschen dienen. Der Verein wird keine Pappkarton-Veranstaltung, sondern wir wollen substanzielle Initiativen starten – ausgestattet mit einem breiten Netzwerk und finanziellen Ressourcen.
Sie sprechen in Ihrem Gründungsaufruf von „maximaler Diversität“ und möglichst konstruktiven Debatten. Ist das auch eine Kritik an der bisherigen Aufstellung der FDP?
Unser Verein ist keine Kritik an der FDP – im Gegenteil. Es geht vielmehr darum, dass wir in dieser Stadt aufhören mit der Dagegenpolitik, der Politik für die eigene Klientel. Wir wollen keine ideologischen und dogmatischen Debatten mehr. Die Politik lässt diese Stadt doch seit Jahren weitgehend im Stich. Wir wollen uns deshalb für eine pragmatische Politik für die Stadt engagieren.
Klimaneutralität so schnell wie möglich – das ist ein weiteres Leitmotiv ihres Vereins. Zuletzt standen Liberale oft eher als Bremser beim Klimaschutz da. Sie wollen das ändern?
Ja! Berlin muss so schnell wie es geht und mit maximaler Kraftanstrengung klimaneutral werden. Aber immer mit Blick auf das Machbare. Wir wollen keine utopischen Zielsetzungen, die sich nur gut anhören. Berlin wird 2030 nicht klimaneutral sein können, das ist einfach nicht möglich und das wissen auch alle. Wir dürfen die Menschen und Unternehmen nicht überfordern auf dem Weg, vor allem nicht finanziell, das wäre hochgradig unsozial – das zeigt sich gerade bei der Heizdebatte auf Bundesebene fatal.
Warum ist der Wiedereinzug der FDP ins Abgeordnetenhaus aus Ihrer Sicht gescheitert?
Sebastian Czaja und die Berliner FDP haben einen sehr engagierten Wahlkampf gemacht. Am Ende ist man aus meiner Sicht durch die relative Stärke der CDU und an den fehlenden Regierungsoptionen gescheitert. Das war ein sehr taktisches Wahlverhalten zulasten der FDP. Dabei trägt sie als einzige Partei keine Schuld am Versagen der Landesregierungen in den letzten Jahrzehnten, sie war schließlich nicht daran beteiligt. Schauen Sie sich doch den aktuellen Koalitionsvertrag von CDU und SPD an: Einen echten Politikwechsel in Berlin wird es ohne eine liberale, bürgerliche Partei nicht geben. Ich erinnere Sie in drei Jahren an meine Worte!
Welche Rolle soll der Verein mit Blick auf die Wahl 2026 spielen?
Die Nähe zur FDP werden wir nicht abstreiten und es ist für Berlin wichtig, dass die Partei wieder im Abgeordnetenhaus vertreten ist, am besten in der Stadtregierung. Welche Rolle der Verein konkret übernehmen kann und will, werden wir in den nächsten Wochen gemeinsam erarbeiten. Ich bin dankbar, dass Generalsekretär Lars Lindemann mich als Co-Vorsitzender unterstützt.
Und Sie selbst?
Ich selbst plane nicht mich nochmals direkt parteipolitisch zu engagieren und strebe auch kein Mandat an. Ich mache seit mehr als 35 Jahren Politik, auch bin ich ein sehr politischer Mensch und bin der Meinung, es ist in einer Demokratie wichtig, seinen eigenen Beitrag zu leisten – ich kann mich aber auch ohne ein Amt im Blick zu haben engagieren. Es geht mir um die Sache! Vielleicht ist das am Ende sogar glaubwürdiger.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de