Urteil im Fall von Brandstiftung in Berlin-Lichtenberg: Hitlergruß und Drohschreiben – aber Leon S. war nur Trittbrettfahrer?

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Urteil im Fall von Brandstiftung in Berlin-Lichtenberg: Hitlergruß und Drohschreiben – aber Leon S. war nur Trittbrettfahrer?

© imago/STPP Urteil im Fall von Brandstiftung in Berlin-Lichtenberg: Hitlergruß und Drohschreiben – aber Leon S. war nur Trittbrettfahrer?

Im Fall um Brandstiftung in Neu-Hohenschönhausen wurde der Angeklagte freigesprochen – obwohl er einen Hitlergruß gestand und die Drohschreiben zu dem Brand verfasst und verteilt hat.

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Dem rechten 20-jährigen Leon S. wurde vorgeworfen, im August 2022 ein Feuer im Keller eines Hochhauses gelegt zu haben. Obwohl er einräumte, zwei Drohschreiben verfasst und platziert zu haben, die nach dem Brand in der Nachbarschaft gefunden wurden, sprach ihn das Amtsgericht Berlin am Donnerstag von dem Vorwurf der Brandstiftung frei. Die Beweise reichten dafür nicht aus.

Leon S. gibt an, die Drohschreiben mit rechten Inhalten verfasst du haben, „um sich damit größer zu machen als er ist“, wie seine Strafverteidiger sagten. Die rechtsradikale Gesinnung des Angeklagten konnte eindeutig belegt werden, er selbst gestand, den Hitlergruß gezeigt zu haben.

Jugendrecht obwohl volljährig

Gegen den Angeklagten wurden Mittel wegen Störung des öffentlichen Friedens und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verhängt. Obwohl er zum Tatzeitpunkt volljährig war, wurde Jugendstrafrecht angewandt, da er in seiner Entwicklung beeinträchtigt ist.

„Schädliche Neigungen“ konnte das Gericht nicht feststellen. Er verfüge zwar über eindeutig rechtes Gedankengut, aber man wisse bisher nichts von zum Beispiel scharfen Waffen in seinen Händen, so der Richter. Für den Hitlergruß und die Drohschreiben müsse er sich jedoch verantworten.

Leon S. muss ein Jahr lang Betreuungshilfe in Anspruch nehmen, ein sozial-kognitives Einzeltraining absolvieren und 100 Stunden soziale Arbeit leisten. Für die fünf Monate in Haft wird er auf Staatskosten entschädigt. Weil er mittellos ist, muss er auch keine Kosten des Verfahrens tragen.

Beweislage reichte für eine Verurteilung nicht aus

Die Staatsanwältin sagte im Plädoyer, die Beweislage reiche für eine Verurteilung wegen Brandstiftung nicht aus. Er werde zwar von anderen Beteiligten belastet, aber das alleine sei nicht genug. Da er die Drohschreiben zu dem Brand verfasst habe, sei er selbstverständlich der erste Verdächtige gewesen.

Es handele sich bei ihm um einen Trittbrettfahrer, teilten seine Strafverteidiger mit. Es müsse ihm geholfen werden, er habe sich zu Unrecht fünf Monate in Haft befunden. Da er keine Wohnung habe, solle ihm ein Hotel bezahlt werden und zudem eine hohe Entschädigung.

Drohschreiben an CDU-Abgeordneten und Jugendclub

In den vorherigen Verhandlungen hatte Leon S. gestanden, die zwei Drohschreiben verfasst zu haben, die nach dem Brand in seinem Wohnhaus an seinem ehemaligen Jugendclub und am Bürgerbüro des CDU-Abgeordneten Danny Freymark gefunden worden waren.

Nachdem er zunächst geleugnet hatte, die Drohschreiben platziert zu haben, räumte er dies später ein. Sein Mandant habe während der Untersuchungshaft festgestellt, dass dies ein Fehler gewesen ein, er habe sich durch das Verbreiten der Drohschreiben wichtig gefühlt. Leon S. selbst sagte während der Verhandlungen kein Wort.

In den handschriftlich verfassten Zetteln heißt es unter anderem: „Viel Spaß beim Löschen“ und „Dies ist eine Kriegserklärung an den Staat“. Die Forderungen in dem Schreiben: „Islamisierung und Inflation stoppen“. Sollte den Forderungen nicht nachgekommen werden, „wird Berlin weiter brennen. Wir sind im Besitz von Kriegswaffen.“

Hoher Sachschaden nach Brandstiftung

Am 3. August hatte es im Keller eines Mehrfamilienhauses in Hohenschönhausen gebrannt, Polizei und Feuerwehr gehen von Brandstiftung aus, die einen Schaden von mehr als 300.000 Euro verursacht hat. Mehrere Familien mussten wochenlang ohne Strom und Wasser leben. Leon S. hatte mehrfach bestritten, das Feuer gelegt zu haben.

Der Brand wird als Teil einer rechten Brandanschlagsserie betrachtet. Von Anfang 2021 bis zum Urteil am Donnerstag werden insgesamt 20 Brände in Neu-Hohenschönhausen gezählt, die in Verbindung mit einer Gruppe rechter Personen stehen könnten. Davon rund 17 Kellerbrände und Brandstiftungen an Jugendeinrichtungen. Während Leon S. in Haft saß, gab es neun Feuer in dem Ortsteil.

Drei weitere Tatverdächtige sind auf freiem Fuß, auch sie müssen bald vor Gericht aussagen. In einem Verfahren gegen alle Beschuldigten wurde noch keine Anklage erhoben, die Ermittlungen dauern an. Zunächst ging es vor dem Amtsgericht um den Angeklagten Leon S. und die Brandstiftung im August.

Razzia mit 150 Polizist:innen

Am 31. Dezember 2022 hatte die Polizei eine Razzia mit 150 Einsatzkräften durchgeführt, wobei die vier mutmaßlichen Täter festgenommen worden waren. Nur Leon S. wurde aufgrund von Fluchtgefahr in Untersuchungshaft gebracht, die vier anderen wurden wieder freigelassen.

Bei den Hausdurchsuchungen waren auffällige Waffenteile entdeckt worden. Ohne scharfe Munition, alles legal, aber es sei daran herumgebastelt worden, unter anderem mit Gummigeschossen, sagten Polizisten. Die Beschuldigten sollen einen Angriff auf ein Heim für Geflüchtete geplant haben.

Während der Durchsuchungen wurde Leon S. von den anderen Angeklagten belastet, das Feuer gelegt zu haben. Er habe dies aus Hass gegen die Ausländer in seinem Haus gemacht, soll laut eines Polizeibeamten ein anderer Beschuldigter gesagt haben, bei dem die auffälligen Waffen gefunden worden waren. Dieser machte später von seinem Recht auf Verweigerung der Zeugenaussage Gebrauch.

Leon S. gesteht Hitlergruß

Am vierten Prozesstag stellte der Sachverständige, ein Arzt für Neuropsychologie, sein Gutachten vor. Leon S. hat häusliche Gewalt erfahren. Er kam auf eine Förderschule, bei ihm wurde Autismus und ADHS diagnostiziert. Er selbst bestreitet eine Erkrankung.

Der Arzt attestiert „ausländerfeindliche Ansichten“. Er hatte auch Einsicht in Nachrichten und aufgezeichnete Gespräche des Angeklagten. Dort habe er „Hasstiraden gegen Ausländer“ festgestellt, Leon S. äußerte, Ausländer würden ihnen die deutschen Frauen wegnehmen. Die Gruppe habe sich Waffen besorgen wollen, sich gewünscht, sie gegen Ausländer einsetzen zu können. Ein Polizist berichtet von einem Video, darauf soll Leon S. zu sehen sein, wie er mit einer Schreckschusswaffe auf Personen schießt.

Man muss das ernst nehmen, auch wenn der Angeklagte vielleicht kein organisierter Rechtsextremer ist

Ein Neuropsychologe in seinem Gerichtsgutachten

„Man muss das ernst nehmen“, so der Arzt. „Auch wenn Leon S. vielleicht kein organisierter Rechtsextremer ist.“ Er kritisierte die Sozialarbeiter: Diese hätten früher intervenieren können. Die Gesinnung, der Hass und die Affinität zu Feuer seien eindeutig erkennbar gewesen.

Angeklagte lebte im betreuten Einzelwohnen

Leon S. lebte seit zwei Jahren im betreuten Einzelwohnen. Sozialarbeiterinnen besuchten ihn mehrmals in der Woche und kümmerten sich um seine Belange. Vor Gericht berichteten sie, er sei immer „freundlich und hilfsbereit“ gewesen. Er habe oft davon gesprochen, „Kameradschaft“ finden zu wollen, hatte ehrenamtlich beim THW gearbeitet und eine Ausbildung als Verkäufer abgebrochen. Seine Einstellungen sei klar rechtsextrem gewesen. Er habe auch mal davon erzählt, zu „Schießübungen“ in Polen gewesen zu sein und sei von Waffen sowie der Zeit des Nationalsozialismus fasziniert gewesen.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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