Tour de France: Vingegaard vs. Pogacar – das Duell an der Spitze
© Imago/Belga/Jasper Jacobs Tour de France: Vingegaard vs. Pogacar – das Duell an der Spitze
Die Plätze eins und zwei bei der Tour de France scheinen vergeben an Vingegaard und Pogacar. Was ihren Zweikampf so faszinierend macht, ist, dass beide noch so jung sind.
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Mit Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard erlebt diese Tour de France endlich einen Zweikampf auf Augenhöhe. Die Toursieger der vergangenen drei Jahre schenken sich nichts. Das Schöne für den Sport ist, dass sie auch Schwächen zeigen, die der Rivale gekonnt auszunutzen versteht. Es ist das spannendste Duell seit dem legendären Kampf zwischen Bernard Hinault und Greg Lemond 1986.
Kaum Barthaar sprießt auf den Gesichtern von Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard, aber sie sind schon große Sieger.
Bei dieser Tour de France übertreffen sich die beiden noch. War Pogacar in den baskischen Bergen eindeutig der Bessere und stürmte mit ungeheurer Entschlossenheit die kurzen steilen Rampen hoch, so dominierte Vingegaard die erste Pyrenäenetappe. Und als der Däne sich den Slowenen am zweiten Tag schon perfekt zurechtgestellt hatte für den K.o-Schlag, rappelte sich Pogacar plötzlich auf und fuhr einem grandiosen Etappensieg in Cauterets entgegen.
„Wir hatten gehofft, dass Pogacar noch einmal einen nicht so guten Tag hat. Denn dann können wir viel Zeit auf ihn nehmen“, blickte Grischa Niermann, sportlicher Leiter von Jumbo Visma auf die beiden Pyrenäentage zurück. „Wir wollten es also probieren“, ergänzte er.
Wenn Vingegaard noch einmal davon gezogen wäre, hätten wir wirklich unsere Koffer packen können.
Tadej Pogacar
Und Jumbo legte mächtig vor. „Am Tourmalet dachte ich: Puh, die sind so stark, da wiederholt sich glatt die Geschichte vom Vortag“, gab Pogacar beeindruckt zu. Jumbos Helfer sprengten regelrecht das Feld. Einen Kahlschlag musste auch Bora hansgrohe erleiden. Die Teamkollegen von Jai Hindley, der an diesem Tag noch Gelb trug, fielen schnell zurück. Nur Emanuel Buchmann blieb noch bis ins Finale bei seinem Kapitän.
Gegen die Übermacht der gelbschwarzen Armada konnte aber auch er nur wenig ausrichten. Und als Vingegaard dann die Vorarbeit seiner Männer mit einem eigenen Angriff krönte, konnte ihm nur Pogacar noch folgen. Hindley gab es schnell auf und trollte sich ins Feld der Männer, die unter sich den Kampf um Platz 3 ausmachen.
Die Plätze 1 und 2 hingegen scheinen vergeben, an Vingegaard und Pogacar. Der Däne hat wieder das Gelbe Trikot übergestreift, das er zuletzt bei der großen Siegerehrung auf den Champs Elysees im Juli 2022 trug. Pogacar hat Weiß an, ebenfalls wie 2022. Im Unterschied zu damals, als er einen Schwächetag am Col du Granon hatte und danach auf Vingegaard keine entscheidende Zeit mehr gut machen konnte, hat er jetzt den Comeback-Knopf gefunden.
Denn wie er in Cauterets den Dänen förmlich stehen ließ, war sensationell. Erleichtert und wohl auch von sich selbst überwältigt breitete der Slowene bei der Zieldurchfahrt die Arme aus. Es war sein erster, unter hartem gegnerischen Druck erzwungener Sieg bei einer Bergetappe der Tour de France.
„Ich will nicht sagen, dass es sich um eine Rache handelt. Aber ich bin ziemlich erleichtert, dass ich wieder Zeit gut machen konnte. Denn wenn er noch einmal davon gezogen wäre, hätten wir wirklich unsere Koffer packen können“, schilderte er seine Gemütslage.
Pogacar muss sich auf eine neue Situation einstellen. Früher schien er auf einer Wolke weit über der Konkurrenz zu schweben. Er siegte in fast unverschämter Leichtigkeit. Jetzt aber hat er in Vingegaard einen ebenbürtigen Gegner.
Pogacar und Vingegaard wollen in ihrer Karriere noch viel erreichen
Was ihr Duell so faszinierend macht, ist, dass beide noch so jung sind. Pogacar ist erst 24, trotz seiner zwei Toursiege und zahlreichen Erfolge bei Klassikermonumenten. Vingegaard ist 26 und hat neben der Tour schon wichtige einwöchige Rundfahrten wie Dauphiné und Baskenlandrundfahrt gewonnen. In diesem Alter träumten Chris Froome, Bradley Wiggins oder Lance Armstrong noch nicht einmal von Tour-Siegen. Nur die ganz Großen waren in jungen Jahren schon ähnlich erfolgreich.
Eddy Merckx holte mit 24 Jahren seinen ersten Gesamtsieg in Frankreich, Bernard Hinault und Jacques Anquetil gar mit 23. Ihre jeweils härtesten Gegner waren aber oft entweder wesentlich jünger oder wesentlich älter. So war es auch 1986, bei einer der passendsten Frankreich-Rundfahrten überhaupt. Hinault, mit 31 am Ende seiner Karriere, und Aufsteiger Greg Lemond (25) schenkten sich da nicht. Legendär war ihre Etappe nach l’Alpe d’Huez, als sie Arm in Arm den Zielstrich überquerten und so ihre Ebenbürtigkeit unterstrichen.
Bei Pogacar und Vingegaard ist das (noch) nicht zu erwarten. Sie wollen beide viel erreichen und gehören, anders als damals Lemond und Hinault, auch anderen Rennställen an. 1986 ging es übrigens auch hoch zur Vulkanlandschaft des Puy de Dome. Lemond nahm damals Hinault 52 Sekunden ab. Der Franzose hatte auf diesem Tagesabschnitt zum Ende der Tour allerdings wieder brav für seinen jungen Kapitön gearbeitet. Zwischen Vingegaard und Poogacar darf man indes Kampf bis zum letzten Meter erwarten.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de