Streit um den Berliner Haushalt: Schwarz-roter Senat will bei Sozialprojekten kürzen

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Streit um den Berliner Haushalt: Schwarz-roter Senat will bei Sozialprojekten kürzen

© IMAGO/Jürgen Held Streit um den Berliner Haushalt: Schwarz-roter Senat will bei Sozialprojekten kürzen

Derzeit verhandelt das Abgeordnetenhaus über den Landeshaushalt. Der Senat hat selbst die Rücklagen eingeplant, trotzdem werden Kürzungen berfürchtet. Ein Überblick.

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Wo kann noch umgeschichtet, wo aufgestockt werden? Aktuell laufen die Haushaltsberatungen im Abgeordnetenhaus. Nach den Plänen des Senats sollen in den kommenden Jahren jeweils 40 Milliarden Euro ausgegeben werden. Eingeplant sind dafür auch die Rücklagen des Landes Berlin. Final werden die Abgeordneten Ende des Jahres über die Ausgaben des Landes Berlins streiten. Welche Punkte sind strittig? Ein Überblick.

Bezirke

Erstmals hatten die Bezirke im Juni Alarm geschlagen. In einem gemeinsamen Schreiben an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) warnten sie vor Einsparungen, insbesondere bei „freiwilligen sozialen Leistungen und dem Personal“. Drei Monate später ist die Lage zwar eine andere. Ausreichend finanziert sehen sich die Bezirke aber mit dem nachgebesserten Senatsentwurf nicht. Von „struktureller Unterfinanzierung“ ist die Rede und davon, dass bei Stadtteilzentren, Beratungsangeboten, der Grünflächenpflege oder bei der Schulreinigung Kürzungen drohen.

Ein Inflationsausgleich fehle. Zu den fälligen pauschalen Minderausgaben kommen rückläufige Bezirkseinnahmen und eine absehbar schwache Steuerschätzung im November. Die Rücklagen, von denen einzelne der finanziell sehr unterschiedlich aufgestellten Bezirke noch zehren, dürften dann aufgebraucht sein.

Demokratieförderung an Schulen

Im Volumen wird der Bildungshaushalt größer; auch der Anteil des Ressorts am Gesamthaushalt steigt. Wegen Mittelverschiebungen innerhalb des Ressorts, etwa zugunsten von neuen Schulplätzen im Rahmen der Schulbauoffensive, bleibt dennoch an einigen Stellen weniger. Es trifft Demokratieförderung-Projekte für Schüler:innen, etwa zu Gewaltprävention, Antidiskriminierung und LGBTQ-Rechten.

Da krass zu kürzen, wo Kids schon Opfer geworden sind oder sich besser schützen lernen sollen, etwa bei Projekten gegen sexuellen Missbrauch: Das ist schon ziemlich daneben.

Marianne Burkert-Eulitz, Bildungsexpertin der Grünen-Fraktion

Während der ersten Lesung des Haushaltsgesetzes im Bildungsausschuss warfen Grüne und Linke der CDU-Senatorin Katharina Günther-Wünsch vor, hinter der Auswahl der betroffenen Projekte stecke eine konservative Agenda. Günther-Wünsch verneinte das mehrfach strikt und benannte haushalterische Einschränkungen als einzigen Grund für die Kürzungen.

Die Senatorin verwies zudem auf die etwas mehr als eine Million Euro, die im Rahmen des Jugendgewaltgipfels für Gewaltpräventionsprojekte zur Verfügung stehen. Diese werden allerdings über die Bezirke verteilt – von den Senatskürzungen betroffene Projekte müssen sich dort also neu um Förderung bewerben. Die Opposition überzeugt das nicht: „Auf der einen Seite Geld gegen Jugendgewalt ausgeben, aber da krass zu kürzen, wo Kids schon Opfer geworden sind oder sich besser schützen lernen sollen, etwa bei Projekten gegen sexuellen Missbrauch: Das ist schon ziemlich daneben“, kritisiert die Bildungsexpertin der Grünen-Fraktion Marianne Burkert-Eulitz.

Soziale Gesundheitsprojekte

Für die geplante Kürzung bei der Schwangerschaftsberatung hat sich Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) mittlerweile entschuldigt. Da sei etwas „schiefgegangen“, sagte sie im Gesundheitsschuss. Es ist nicht die einzige Kürzung, die sich im Titel „Zuschüsse an soziale oder ähnliche Einrichtungen“ im Gesundheitsetat versteckt. Zwar wachsen die Zuschüsse in den kommenden Jahren insgesamt leicht an. Das aber liegt vor allem daran, dass neue Projekte wie der Aufbau von Anlaufstellen für Betroffene von Long Covid hinzukommen.

Für andere Projekte bedeutet das: Es gibt weniger Geld, sollten CDU und SPD nicht noch nachverhandeln. Das betrifft unter anderem die Caritas-Ambulanz Bahnhof Zoo, die Suchtprävention, das Drugchecking, Maßnahmen gegen Glücksspielsucht oder die medizinische Versorgung Obdachloser. Die Schwulenberatung Berlin, der Checkpoint BLN und der Verein Fixpunkt fürchten zudem bis zu zehn Prozent Kürzungen bei den Gesundheitsprojekten im „Integrierten Gesundheits- und Pflegeprogramm“ (IGPP). Damit riskiere der Senat fahrlässig Neuinfektionen im Bereich HIV und Tuberkulose, virale Hepatitis und sexuell übertragbare Infektionen, heißt es in einer Erklärung.

Drogenprävention

Dass Berlin mehr Drogenkonsumräume und Suchtberatung benötigt, hat der Senat im Ergebnis des sogenannten Sicherheitsgipfels von Anfang September herausgestellt. Ein Maßnahmenbündel aus mobilen Drogenkonsum-Angeboten, verlängerten Öffnungszeiten bestehender Einrichtungen sowie aufsuchender Sozialarbeit soll nicht nur im Görlitzer Park und am Leopoldplatz die Lage verbessern.

Der Haken: Zusätzliches Geld steht dafür im Entwurf für den Doppelhaushalt 2024/25 nicht zur Verfügung. Der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin schlägt angesichts geplanter Kürzungen bei Suchtprävention und Drugchecking Alarm. Freie Träger wie Vista oder Fixpunkt bräuchten eine sichere finanzielle Grundlage, heißt es vom Verband. Diese ist bislang nicht in Sicht.

Verkehrssicherheit

Kritik an die Adresse der Verkehrsverwaltung von Senatorin Manja Schreiner (CDU) gab es vom Verein Changing Cities und den Grünen: Die Summe für den Radverkehrsbau sei zu gering veranschlagt, hieß es. Auch weitere Posten sollen nach dem vorliegenden Entwurf nicht auskömmlich finanziert sein. Etwa bei der Verkehrserziehung: Im Einzelplan der Verkehrsverwaltung steigen die Ausgaben dafür zwar um 30.000 Euro, doch im Plan für die Innenverwaltung sind für die beiden kommenden Jahre 100.000 beziehunsgweise 200.000 Euro weniger vorgesehen.

Bei den Titeln zur Verkehrssicherheit, so ein weiterer Vorwurf, fehlten insgesamt 4,5 Millionen pro Jahr, ein Fünftel des Gesamtbudgets. Tatsächlich sind auch in den Bezirken für die Entwicklung von Verkehrskonzepten etwa zum Thema „Autoarme/Autofreie Kieze“ und „Verkehrsberuhigung“ nur noch jährlich 300.000 Euro vorgesehen anstatt wie bisher 700.000 Euro.

„Auf der einen Seite sollen die Verkehrssicherheit erhöht und die Bedürfnisse aller berücksichtigt werden, unterm Strich werden aber alle Mittel für mehr Sicherheit zusammengestrichen“, kritisiert die Verkehrsexpertin der Grünen-Fraktion, Antje Kapek. Das gehe zulasten von Kindern und älteren Menschen und gefährde alle, die auch mal ohne Auto unterwegs seien.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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