Sparen in der Krise?: „Joe Biden macht es vor“
© IMAGO/LINDENTHALER Sparen in der Krise?: „Joe Biden macht es vor“
Deutschland schlittert in eine Rezession – und will ausgerechnet jetzt mit dem Sparen beginnen. Dagegen regt sich Widerstand, etwa in der SPD.
Von
- Daniel Friedrich Sturm
Versteht man Florian von Brunn, den SPD-Spitzenkandidaten in Bayern, richtig, dann sollte sich Deutschland in der Rezession nicht am Bundesfinanzminister orientieren, sondern an einem älteren Mann jenseits des Atlantiks: nämlich dem US-Präsidenten, der sein Land gerade aus einer Wirtschaftskrise in eine stabile Wachstumsphase führt.
Finanz- und Corona-Krise haben gezeigt, wie sehr es hilft, wenn der Staat finanziell klotzt.
Florian von Brunn, SPD-Spitzenkandidat in Bayern
„Joe Biden macht in den USA vor, wie der Staat massiv investiert und die Wirtschaft ankurbelt“, sagt Sozialdemokrat Brunn dem Tagesspiegel: „Es ist ja nicht so, als hätten wir kein Geld. Dieses Geld müssen wir jetzt einsetzen. Finanz- und Corona-Krise haben gezeigt, wie sehr es hilft, wenn der Staat finanziell klotzt.“
„Wir dürfen uns nicht noch stärker in die Krise sparen.“
Doch die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP hat sich für einen anderen Weg entschieden, pocht auf die Einhaltung der Schuldenbremse, auf das Sparen. „Deutschland driftet in eine Rezession“, sagt Brunn, „und Finanzminister Christian Lindner will einen Sparkurs exekutieren.“ Das sei der falsche Weg zur falschen Zeit. „Wir dürfen uns nicht noch stärker in die Krise sparen.“ Man befinde sich „jetzt in einer klassischen Situation für den Keynesianismus“. In Bayern und darüber hinaus bedürfe es „massive Investitionen des Staates, etwa in der Wohnungswirtschaft und der Autobranche“.
In Berlin sieht man das anders, noch, bisher jedenfalls. Da mag der Internationale Währungsfonds (IWF) wie jüngst für Deutschland als einziges Industrieland eine schrumpfende Wirtschaft voraussagen. Zwar plädiert die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang für eine „neue Investitions-Agenda“, nennt da Krankenhäuser und die Bahn. Sonst aber orientiert sich die Ampel-Koalition an der berühmten schwäbischen Hausfrau, will das Geld zusammenhalten, setzt auf einen strikten Sparkurs. Entsprechend laut jammern all jene, die von den Kürzungen betroffen sind.
Grüne beklagen „Stagflation“
Die Rufe nach mehr Investitionen werden lauter. Nach einer goldenen Dekade in den 2010er Jahren, in der die Modernisierung des Standorts sträflich vernachlässigt worden sei „befinden wir uns aktuell in einer Phase der Stagflation“, sagt Grünen-Haushaltspolitiker Sebastian Schäfer. Da seien politische Reaktionen nicht einfach. „Es gilt, die Infrastruktur- und Investitionsschwäche des Standorts gezielt zu beheben“, sagt Schäfer. So könne durch öffentliche Ausgaben „privates Kapital für Investitionen mobilisiert werden“.
Ernst (Linke) sieht in Bundesregierung ein „Standortrisiko“
Die Linke zögert nicht lange, wenn es darum geht, nach dem Staat zu rufen. Das Land stecke in einer Krise, sagt ihr Wirtschaftspolitiker Klaus Ernst, verweist auf die IWF-Prognose, wonach Deutschlands Wirtschaftskraft in diesem Jahr um 0,3 Prozent schrumpfen wird. „BASF hat erst kürzlich angekündigt, am Standort Ludwigshafen 200 Millionen Euro zu sparen, Anlagen stillzulegen und sich weiter auf China zu konzentrieren“, sagt Ernst.
Wenn die chemische Industrie abwandere, brächen geschlossene Wertschöpfungsketten auf. „Das wird den Standort Deutschland nachhaltig schwerwiegend treffen“, sagt Ernst: „Eine Bundesregierung, die in so einer Situation, statt sich um billige Energie zu kümmern, Ausgaben kürzt und Subventionen für die Industrie verhindert, wird zum Standortrisiko für Deutschland.“
„Es ist immer einfach zu sagen, wo nicht gespart werden soll“
In der SPD ist nicht jeder von neuen Milliarden-Programmen überzeugt. Längst nicht jeder Wahlkämpfer ruft nach neuen Investitions-Programmen. „Es ist immer einfach zu sagen, wo nicht gespart werden soll“, sagt Christoph Degen, Generalsekretär der SPD in Hessen, wo – wie in Bayern – am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt wird.
„Jeder Kommunalpolitiker weiß aber, dass man nur das Geld für Projekte ausgeben kann, das man hat“, sagt Degen. Solange sich die Einnahmesituation aber nicht verbessere, müssten Prioritäten gesetzt werden. „Politik in wirtschaftlich guten Zeiten zu machen, ist leicht. Eine gute Regierung weiß aber auch in schwierigen Zeit verantwortungsvoll mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln umzugehen.“
FDP attackiert Lang und Habeck
Während Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dafür wirbt, energieintensiven Unternehmen mit einem staatlich gedeckelten „Industriestrompreis“ zu helfen, hält die FDP dagegen. „Dass das Abschalten sicherer deutscher Kernkraftwerke den Strom in unserem Land nicht günstiger werden lässt, haben Ricarda Lang und Robert Habeck bewusst ignoriert, um ihre ideologischen Überzeugungen fernab jeder marktwirtschaftlichen Vernunft durchzubringen“, sagte Markus Herbrand, finanzpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.
„Damit sind die Grünen Mitverursacher für gestiegene Energiekosten“, sagte Herbrand dem Tagesspiegel. Sie sollten „Fehler der Vergangenheit schleunigst korrigieren, anstatt nach neuen Subventionen mit kaum kalkulierbaren Erfolgsaussichten zu rufen“. Für die „grünen Fehler und die damit verbundenen Kostensteigerungen für Unternehmen und Privatpersonen dürfen nicht die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden“. Gefragt seien eine Unternehmenssteuerreform und ein Bürokratieabbau. Das sind rein zufällig die Projekte, über die Christian Lindner gern redet.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de