Sollstärke der Bundeswehr: Wehrbeauftragte Högl hält Ziel für unrealistisch
© picture alliance/dpa/ Sina Schuldt Sollstärke der Bundeswehr: Wehrbeauftragte Högl hält Ziel für unrealistisch
Die Truppe soll bis 2031 von 183.000 auf 203.000 Kräfte wachsen. Högl sieht dafür eine „erhebliche Kraftanstrengung“ nötig. Soldatenvertreter fordern noch mehr.
Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist der Zustand der Bundeswehr verstärkt in den Fokus gerückt. Es geht um die Ausstattung der Truppe – aber auch ums Personal. Vor dem traditionellen Gelöbnis von Bundeswehr-Rekruten am Donnerstag in Berlin hat nun die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), mehr Anstrengungen bei der Nachwuchsgewinnung gefordert.
„Es ist sehr fraglich, ob mit den bisherigen Maßnahmen und Ansätzen das ausgegebene Ziel, die Bundeswehr bis 2031 auf 203.000 Soldatinnen und Soldaten zu vergrößern, erreicht werden kann“, sagte Högl den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Es sei eine „erhebliche Kraftanstrengung“ nötig, um die Bundeswehr für junge Leute attraktiver zu machen und mehr Nachwuchs zu gewinnen, sagte sie.
Ein entscheidender Faktor sei, die Rahmenbedingungen für den Dienst in der Bundeswehr zu verbessern. „Das bedeutet in erster Linie schlanke Prozesse und Strukturen, ausreichend Material – von der persönlichen Ausrüstung bis zum großen Gerät – sowie eine moderne Infrastruktur“, sagte Högl. Zudem sei es wichtig, bei der Nachwuchsgewinnung ein realistisches Bild vom Dienst in der Bundeswehr zu zeichnen.
Ob da die 203.000 reichen, darf bezweifelt werden. Wir gehen von deutlich mehr aus.
Patrick Sensburg, Präsident des Reservistenverbands
Der Reservistenverband hält das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel zur Vergrößerung der Bundeswehr auf 203.000 Soldaten bis 2031 sogar für nicht ausreichend. Man müsse schauen, welche Personalstärke die Bundeswehr brauche, um Deutschland im Bündnis verteidigen zu können, sagte Verbandspräsident Patrick Sensburg im ARD-„Morgenmagazin“ am Donnerstag
„Ob da die 203.000 reichen, darf bezweifelt werden. Wir gehen von deutlich mehr aus.“ Die Bundeswehr sei in den vergangenen 30 Jahren „verkleinert worden, sie ist geschrumpft worden, Einheiten sind abgebaut worden“, sagte Sensburg. Das jetzt wieder rückgängig zu machen, dauere.
Auch der SPD-Verteidigungspolitiker Johannes Arlt zweifelt an dem Ziel zur Sollstärke und sprach sich in den RND-Zeitungen für eine allgemeine Dienstpflicht aus. „Bei Beibehaltung der Freiwilligenarmee wäre es schon eine riesige Leistung, wenn wir die Truppenstärke von 183.000 Soldaten halten könnten“, sagte Arlt.
„Ehrlicher wäre bei diesem Modell eine Reduktion der Stärke und auch ein Verzicht auf Fähigkeiten.“ Daher sei das Modell einer allgemeinen Dienstpflicht „mit Blick auf eine robuste Landes- und Bündnisverteidigung mittelfristig die bessere Wahl“. Dadurch könne auch die Zahl der Reservisten erhöht werden, die im Krisenfall aktiviert werden könnten.
Die Aussetzung der Wehrpflicht bezeichnete Sensburg als Fehler und plädierte für eine Wiedereinführung. Deutschland brauche eine entsprechende Personalstärke von Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr, um verteidigungsfähig zu sein. Durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gebe es wieder ein erhöhtes Interesse für die Bundeswehr. „Junge Menschen kommen und wollen dienen, weil Landesverteidigung eben eine nachvollziehbare Aufgabe ist“, sagte Sensburg.
Die Wehrpflicht war 2011 unter dem damaligen CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ausgesetzt worden, was in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleichkam. Der russische Angriff auf die Ukraine hat wiederholt Debatten über eine Wiedereinführung ausgelöst.
Der Verbandspräsident begrüßte das öffentliche Gelöbnis von 400 neuen Soldaten an diesem Donnerstag in Berlin im Rahmen des Gedenkens an den Widerstand gegen das NS-Regime 79 Jahre nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944.
„Es ist sehr wichtig, glaube ich, für unser Land, dass wir Soldaten in der Mitte der Gesellschaft haben, den Staatsbürger in Uniform, es ist aber auch sehr wichtig für die Rekrutinnen und Rekruten, dass sie spüren, sie leisten einen wertvollen Dienst für die Bevölkerung, für die Menschen unseres Landes“, sagte Sensburg. (lem)
Zur Startseite
- Bundeswehr
- Krieg in der Ukraine
- Russland
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de