Reaktion auf Wahlschlappe: Bremens grüne Spitzenkandidatin kündigt Rückzug an
© dpa/Sina Schuldt Reaktion auf Wahlschlappe: Bremens grüne Spitzenkandidatin kündigt Rückzug an
Bei der Wahl in Bremen haben die Grünen deutlich an Stimmen eingebüßt. Umweltsenatorin Maike Schaefer zieht daraus nun Konsequenzen.
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Nach den Stimmverlusten ihrer Partei bei der Wahl in Bremen hat Grünen-Spitzenkandidatin Maike Schaefer ihren Rückzug aus dem Senat angekündigt.
„Ich ziehe als Spitzenkandidatin die Konsequenz aus diesem Ergebnis gestern und stehe für die kommende Legislaturperiode nicht mehr als Senatorin zur Verfügung“, sagte die bisherige Umwelt- und Mobilitätssenatorin am Montag in Bremen.
Die Grünen hatten bei der Bürgerschaftswahl am Sonntag in Bremen deutliche Verluste erlitten. Der Hochrechnung des Landeswahlleiters aus der Nacht nach liegen die Grünen bei 11,7 Prozent der Stimmen. Bei der Bürgerschaftswahl 2019 erreichten sie noch 17,4 Prozent.
Die 51-jährige Schaefer war bis 2019 Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Bürgerschaft, danach wurde die promovierte Biologin Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau. Zugleich wurde sie Stellvertreterin von Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD).
Esken: Abschneiden der „Bürger in Wut“ als Warnsignal
Nach der Wahl im Land Bremen sieht die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken das starke Abschneiden der rechtspopulistischen Wählervereinigung „Bürger in Wut (BiW)“ als Warnsignal. „Das schon alleine mit so einer Überschrift, mit so einem Begriff eine Wählervereinigung solche Ergebnisse erzielen kann, muss uns natürlich beunruhigen“, sagte die Co-Vorsitzende am Montag im Deutschlandfunk.
Die rechtspopulistischen BiW profitierten davon, dass die AfD nicht zugelassen war, weil sie zwei konkurrierende Wahllisten eingereicht hatte. Trotz ihres Wahlsiegs fuhr die SPD das bisher zweitschlechteste Ergebnis in Bremen ein, ihr Berliner Koalitionspartner Grüne stürzte ab.
Nun sei besonders eines wichtig: „Wir müssen mit den Menschen im Gespräch bleiben“, sagte Esken. „Tatsächlich müssen wir in unserer Politik sehr drauf achten, dass ebendas, was wir zu tun haben, die Veränderungen, die wir zu gestalten haben, auch sowohl praktisch als auch finanziell leistbar sind für die Menschen. Sonst gehen sie uns auf die Barrikaden.“
Der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sieht die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts als politische Aufgabe nach dem Wahlerfolg der Bürger in Wut. Das Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit müsse noch stärker berücksichtigt werden, sagte er am Montag nach der Bürgerschaftswahl in Bremen der Deutschen Presse-Agentur.
„Damit meine ich nicht nur innere Sicherheit und Ordnung, sondern vor allem auch die Frage der sozialen Sicherheit, dass man sich aufgehoben fühlt in der Gesellschaft.“ Die SPD wolle diese Ziele künftig noch mehr in den Mittelpunkt stellen: eine gute wirtschaftliche Entwicklung, die Schaffung gut bezahlter Jobs und eine Verringerung der Arbeitslosigkeit.
Andreas Bovenschulte (l.) neben SPD-Chef Lars Klingbeil © AFP/Lisi Niesner
Auf dieser Grundlage ließen sich soziale Sicherheit, eine bessere Bildung und bessere Integration schaffen. Bovenschulte sagte, dies sei allerdings keine Reaktion auf die Bürger in Wut, „sondern das ist unser ureigenes sozialdemokratisches Programm“.
Bovenschulte kündigte an, er werde mit allen demokratischen Parteien wegen einer Regierungsbildung sondieren. Die BiW schloss er davon aus: „Das ist eine rechtspopulistische Partei. Mit der gibt es keine Gemeinsamkeiten in der Politik.“ Bremen wird bislang von einer in Westdeutschland einmaligen Koalition aus SPD, Grünen und Linkspartei regiert. Diese ist rechnerisch weiterhin möglich und gilt als wahrscheinlichste Variante.
Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Klara Geywitz wertet den Erfolg ihrer Partei als Verdienst von Spitzenkandidat Andreas Bovenschulte. „Die Beliebtheit von Andreas Bovenschulte war ganz ursächlich dafür, dass er so ein gutes Ergebnis für die SPD eingefahren hat“, sagte Geywitz am Montag dem MDR. Es sei immer wichtig, einen bekannten und beliebten Spitzenkandidaten zu haben.
Am Ende liegt diese Entscheidung bei Herrn Bovenschulte und nicht bei uns.
Mario Czaja, CDU-Generalsekretär
CDU-Generalsekretär Mario Czaja wirbt nach der Bremen-Wahl für eine rot-schwarze Koalition. SPD-Spitzenkandidat Bovenschulte habe selbst darauf verwiesen, dass klare Verabredungen für eine bessere innere Sicherheit „sehr viel stärker mit der CDU zu erreichen wären“, sagte Czaja dem Sender Welt am Montag. „Man muss schauen, ob er die Kraft hat, über seine Partei sich da hinwegzubewegen.“
„Es wäre gut, für eine stabile Regierung für Bremen zu sorgen“, sagte Czaja. Der CDU-Generalsekretär erinnerte daran, dass auch nach der Wahl in Berlin „viele nicht geglaubt haben, dass es zu einer schwarz-roten Koalition kommt“. Am Ende hätten aber die Mitglieder und die Parteiführungen sich dafür entschieden. Dies wäre auch für Bremen ein guter Weg: „Aber am Ende liegt diese Entscheidung bei Herrn Bovenschulte und nicht bei uns.“
CDU-Spitzenkandidat sieht Bovenschulte als Problem
Der unterlegene CDU-Spitzenkandidat Frank Imhoff sieht eine bessere Bildung im Land Bremen als Projekt für eine mögliche große Koalition mit dem Wahlsieger SPD. „Es kann nicht sein, dass immer noch zehn Prozent unserer Kinder ohne Abschluss von der Schule gehen“, sagte Imhoff am Montag der Deutschen Presse-Agentur.
Im Bereich Innere Sicherheit seien CDU und SPD gar nicht so weit auseinander. „Da waren die Bremsklötze in der rot-rot-grünen Koalition ja eher die Linken und die Grünen.“ Eine große Koalition könne auch eine Verkehrspolitik mit Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer umsetzen, sagte Imhoff.
„Wenn man ehrlich ist, war natürlich unser Bürgermeister mit seinen Beliebtheitswerten das größte Problem, warum wir nicht stärker werden konnten“, sagte Imhoff.
Wenn wir jetzt nichts verändern, gefährden wir auf der Strecke alles.
Ricarda Lang, Grünen-Vorsitzende
Die Grünen müssen nach den Worten ihrer Vorsitzenden Ricarda Lang stärker den Klimaschutz mit dem Thema soziale Sicherheit verbinden. Nach dem Absturz ihrer Partei bei der Wahl in Bremen sagte sie am Montag, an Kernprojekten wie der Klimaneutralität wolle man festhalten. „Denn wenn wir jetzt nichts verändern, gefährden wir auf der Strecke alles.“
Die Partei müsse aber besser darin werden, diese Themen mit dem „materiellen Kern der sozialen Sicherheit zu verbinden“, so Lang in der RTL/ntv-Sendung „Frühstart“. „Das heißt, dass Leute sich von Anfang an darauf verlassen können: Wie kann ich das bezahlen? Wo betrifft es mich selbst und wie werde ich dabei unterstützt?“
Beim Thema Heizen wollen die Grünen Förderungen von bis zu 80 Prozent für Menschen mit geringem Einkommen.
In der Affäre um Personalverflechtungen im Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck will Lang aber bei der bisherigen Linie bleiben. „Wenn zum Beispiel von einem Paten gesprochen wird bei der Union, dann sieht man, dass es doch weniger um Aufklärung geht und mehr darum, jetzt Stimmung zu machen. Davon werden wir uns nicht treiben lassen.“
Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang © Imago/Metodi Popow
Unter anderem hatte Staatssekretär Patrick Graichen an einer Personalauswahl teilgenommen, bei der zunächst ein enger Freund von ihm einen hoch dotierten Posten erhalten sollte, bevor die Verbindung bekannt und das Besetzungsverfahren gestoppt wurde.
Der Co-Vorsitzende der Bremer Grünen, Florian Pfeffer, kündigte eine Reaktion der Partei an. „Da wird es Konsequenzen geben, da bin ich mir ganz sicher“, sagte Pfeffer am Montagmorgen der Deutschen Presse-Agentur. Es wäre schlimm, wenn die Partei nach den Stimmverlusten einfach weitermache wie bisher. Das Wahlergebnis nannte er „dramatisch“.
Angesprochen auf die Debatte um die sogenannte Brötchentaste sagte Pfeffer: „Ich glaube, die Brötchentaste ist eines von den kleinsten Problemen, die Bremen hat.“ Die Debatte zeige allerdings, dass man gute Gründe haben müsse, wenn man in den Alltag der Menschen eingreife. „Und die hatten wir an der Stelle nicht.“ Kandidatin Schaefer, die Verkehrssenatorin ist, hatte vor der Wahl die Brötchentaste gestrichen, die ermöglichte, Autos an Parkautomaten für 20 Minuten kostenlos abzustellen.
Grünen hadern mit Kopf-an-Kop-Rennen in Bremen
Für das schwache Abschneiden der Grünen bei der Bürgerschaftswahl gab es Pfeffer zufolge mehrere Gründe. Das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und CDU sei nicht gut für die Grünen gewesen. Von der Bundespolitik habe es keinen Rückenwind gegeben. Zudem seien Fehler gemacht worden. Ähnlich hatte sich Schaefer in ihrer Analyse geäußert.
Grünen-Politiker Anton Hofreiter sieht es ähnlich. „Das Ergebnis ist enttäuschend. Es ist uns nicht gelungen, über die Kernwählerschaft hinaus groß zu mobilisieren“, sagte der Bundestagsabgeordnete der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Die Debatte über die „Brötchentaste“ nannte Hofreiter einen „Fehler“. „Veränderungen in der Verkehrspolitik sind immer heikel. Solche verhetzbaren Entscheidungen im Wahlkampf zu treffen, ist ungeschickt“, kritisierte Hofreiter.
„Aber ich muss zugeben, dass es auch keinen optimalen Rückenwind aus Berlin gab. Die Debatten der letzten Zeit um den Heizungstausch und Patrick Graichen waren nicht hilfreich“, sagte Hofreiter.
Grünen-Politiker Anton Hofreiter © dpa/Harald Tittel
Mit Blick auf die Zusammenarbeit in der Ampel-Koalition mit SPD und FDP erklärte Hofreiter: „Man muss sich darüber im Klaren sein, dass das Kanzleramt den Grünen ungern Erfolge gönnt, und deshalb braucht es eine noch klarere und härtere Verhandlungsstrategie. Wir müssen uns stärker absichern, dass gefundene Kompromisse auch von allen Seiten getragen werden. Man kann das Gebäudeenergiegesetz nicht vier Mal neu verhandeln.“
Kanzler Olaf Scholz (SPD) lasse es zu, dass die Teile der Koalition sich nicht an Absprachen hielten. „Ich hoffe, dass am Ende allen klar ist, dass die Ampel – bei allem harten Ringen um den richtigen Kurs – am Ende nur erfolgreich ist, wenn alle Beteiligten gefundene Kompromisse verteidigen und dazu stehen“, sagte Hofreiter. Er hoffe nach dem Wiedereinzug der FDP in die Bremer Bürgerschaft nun auf eine bessere Zusammenarbeit mit den Freidemokraten.
Streit innerhalb einer Koalition ist für mich nichts Außergewöhnliches.
Bijan Djir-Sarai, FDP-Generalsekretär
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai spricht sich nach der Bremen-Wahl für ein schärferes Profil seiner Partei in der Ampel-Koalition aus – ohne aber zum Quertreiber zu werden. Die FDP müsse ihre Haltung bei bestimmten Positionen deutlich machen. „Streit innerhalb einer Koalition ist für mich nichts Außergewöhnliches“, sagte Djir-Sarai am Montag im Deutschlandfunk.
Es gehe aber nicht ums Verhindern von Vorhaben der Koalition. „Keine Partei wird erfolgreich sein, wenn sie sagt, wir spielen jetzt Opposition in der Regierung.“ Mit dem Abschneiden seiner Partei bei der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft zeigte sich der FDP-Generalsekretär zufrieden. „Da ist aus meiner Sicht nichts schiefgelaufen“, sagte Djir-Sarai. Das Ziel sei von Anfang an gewesen, wieder in die Bürgerschaft einzuziehen. „Das Hauptziel haben wir erreicht.“
Zuletzt hat die Partei im Februar bei der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus nur 4,6 Prozent erreicht. Auch in Niedersachsen war die FDP im Herbst 2022 mit 4,7 Prozent aus dem Landtag geflogen.
„Das gehört dazu, wenn man in Berlin im Bund mitregiert, dann kann es durchaus passieren, dass man auf Landesebene dann schlechtere Ergebnisse holt“, erklärte er. Landeswahlen hätten aber sehr viel mit landespolitischen Themen und Personen zu tun. „Die Signalwirkung für Berlin ist an der Stelle überschaubar.“ (dpa, AFP)
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de