Lockerung im Heizungsgesetz: Was ist Fernwärme und wie will die Bundesregierung damit die Energiewende schaffen?
© imago/Metodi Popow/IMAGO/M. Popow Lockerung im Heizungsgesetz: Was ist Fernwärme und wie will die Bundesregierung damit die Energiewende schaffen?
Habeck und Geywitz wollen das lange umstrittene Heizungsgesetz zugunsten des Fernwärme-Ausbaus lockern. Was steckt dahinter?
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) wollen die geplanten Vorschriften für den Einbau neuer Heizungen zugunsten des Ausbaus der Fernwärmenetze lockern.
Wenn der Anschluss an ein Fernwärmenetz absehbar ist, soll die Pflicht zum Einbau einer umweltschonenden Heizung entfallen, wie Geywitz am Montag dem Sender RTL/ntv sagte. Zuvor hatte die „Augsburger Allgemeine“ auch über eine entsprechende Beschlussvorlage berichtet.
„Wenn ein Wärmenetzbetreiber einen solchen Ausbau verbindlich verfolgt, sollten daran interessierte Gebäudeeigentümer:innen (…) von der Pflicht zum Einbau einer die 65-Prozent-Vorgabe für erneuerbare Energien erfüllenden Heizung befreit werden“, zitierte die Zeitung aus dem Papier.
Die Vorgabe im umstrittenen Gebäudeenergiegesetz (GEG) besagt, dass neue Heizungen künftig zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Klassische Öl- und Gasheizungen können dies nur in Verbindung etwa mit einer Wärmepumpe oder einer Pelletheizung leisten.
Stadtwerke in Mecklenburg-Vorpommern. © dpa/Jens Büttner
Die neue Vorgabe soll für Neubauten gelten und wenn Heizungen im Bestand getauscht werden müssen. Geht eine alte Heizung unreparierbar kaputt, sind für Hausbesitzer Fristen von mindestens drei Jahren vorgesehen, um eine Heizungsanlage nach den neuen Vorgaben einzubauen. Ist ein Fernwärmeanschluss absehbar, will die Bundesregierung nun die Fristen weiter verlängern. Hausbesitzer könnten dann ihre alten Öl- und Gaskessel auch längerfristig durch neue ersetzen.
Die Idee der Fernwärme ist mindestens mehrere Jahrhunderte alt und die Technologie kommt in Deutschland seit Jahrzehnten großflächig zum Einsatz. Mit der Wärmewende soll die Bedeutung von Fernwärmenetzen noch deutlich steigen. Vom Ausbau der Netze bis zur Dekarbonisierung der Wärmeproduktion gibt es aber eine Reihe von Baustellen.
Wie funktioniert Fernwärme?
Fernwärmesysteme gibt es in teils sehr verschiedenen Ausführungen. In Deutschland bestehen sie in der Regel aus einer Wärmeerzeugungsanlage in Form eines sogenannten KWK-Kraftwerks und einem unterirdisch verlegten Rohrnetz mit Hausanschlüssen. KWK steht für Kraft-Wärme-Kopplung: Die Kraftwerke produzieren etwa durch die Verbrennung von Gas oder Kohle mechanische Energie in Form von Strom und thermische Energie in Form von Warmwasser.
Das Wasser wird durch das Rohrnetz zu den Haushalten transportiert, wo es für Raumwärme und die Warmwasserversorgung verwendet werden kann. Auch Industrieanlagen können an Fernwärmenetze angeschlossen werden und die thermische Energie als Prozesswärme nutzen. In Deutschland gibt es bislang 31.300 Kilometer Fernwärmeleitungen, die rund 14 Prozent der Haushalte mit Wärme versorgen, vor allem in Ballungsgebieten. Gut 40 Prozent der erzeugten Fernwärme wird in der Industrie verbraucht.
Was sind die Vorteile der Fernwärme?
Die gleichzeitige Erzeugung von elektrischer und thermischer Energie ist sehr effizient. Alleine dies bringt finanzielle und CO2-Einsparungen. Außerdem entfallen die Investitions- und Wartungskosten für individuelle Heizungsanlagen. Weitere Effizienzgewinne sind dadurch möglich, dass über Fernwärmenetze überschüssige Energie aus Industrieanlagen und andere Abwärme genutzt werden kann.
Allerdings geht beim Transport des Warmwassers stetig Energie verloren. Fernwärmenetze eignen sich daher vor allem für dicht besiedelte Regionen. Verbraucherschützer bemängeln außerdem, dass der Markt intransparent und monopolistisch gestaltet ist: In den meisten Fällen gibt es jeweils nur einen einzigen Fernwärmeversorger, von dem die angeschlossenen Verbraucher abhängig sind.
Problem Netzausbau
Der Aufbau eines Fernwärmenetzes ist teuer und aufwendig, die Startinvestitionen sind bedeutend höher als beim Einbau klassischer Heizanlagen für einzelne Gebäude. Außerdem gilt: Je höher die Anschlussdichte, desto effizienter ist das Netz. Die Planung muss also sehr langfristig angelegt und gut koordiniert sein, damit genügend Endverbraucher an das Netz angeschlossen werden.
Verbraucher müssen entsprechend frühzeitig informiert werden, damit sie sich nicht wenige Jahre vor einem möglichen Anschluss ans Fernwärmenetz noch eine neue Heizanlage zulegen. Ob sie dann tatsächlich auf Fernwärme umstellen wollen, bleibt ihnen außerdem überlassen. Die Stadtwerke, die in der Regel die Fernwärmenetze betreiben, sprechen sich deshalb für eine Pflicht für Haushalte aus, Fernwärme zu nutzen, wenn dies möglich ist.
Problem Netzausbau
Bislang stammt der überwiegende Teil der Fernwärme in Deutschland aus fossilen Energiequellen wie Gas (44 Prozent) und Kohle (21 Prozent). Erneuerbare Energien, vor allem Biomasse oder der biogene Anteil der Müllverbrennung, machen bislang lediglich 22 Prozent aus. Mit Strom betriebene Großwärmepumpen spielen noch keine Rolle.
Die Pläne der Bundesregierung sehen neben einer Verdopplung des Anteils von Fernwärme am Wärmeenergiemix bis 2045 aber vor, dass neue Fernwärmenetze ab dem kommenden Jahr zu mindestens 65 Prozent klimaneutral, also mit erneuerbaren Energien oder Abwärme, betrieben werden. Ab 2030 soll diese Vorgabe auch für bestehende Netze gelten. Unter anderem die Stadtwerke werben für einen raschen Ausbau der Fernwärmenetze, halten die Dekarbonisierungsvorgaben aber für höchst ambitioniert.
Für grüne Fernwärme soll eine Reihe von Technologien genutzt werden, die teils noch als experimentell gelten, etwa Großwärmepumpen, Geothermie (Erdwärme), Solarthermie und neue Biomasseanlagen. Auch mit Wasserstoff betriebene KWK-Kraftwerke sind denkbar, jedoch erst deutlich später und in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit des Rohstoffs. Klima-Experten warnen zudem, dass die vermehrte Nutzung von fossiler Abwärme aus der Industrie die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zementieren könnte.
Wärmepumpen machen Umweltwärme unter Einsatz von Strom nutzbar. Besonders große Anlagen dieser Art können ganze Fernwärmenetze betreiben, und wenn der verwendete Strom aus erneuerbaren Energien stammt, wäre diese Lösung klimaneutral.
Experten räumen der Technologie großes Potenzial in Deutschland ein. Die Organisation Agora Energiewende geht davon aus, dass Großwärmepumpen bis 2045 über 70 Prozent der Fernwärme bereitstellen und Erdgas weitgehend ersetzen könnten. In der Praxis ist Deutschland davon aber noch weit entfernt. (AFP)
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de