Leibniz-Preisträgerin aus Potsdam: Sie untersucht Pollen, die von längst vergangenen Zeiten zeugen
© Evgenii Zakharov
Leibniz-Preisträgerin aus Potsdam: Sie untersucht Pollen, die von längst vergangenen Zeiten zeugen
Ulrike Herzschuh wurde mit dem wichtigsten Forschungsförderpreis Deutschlands ausgezeichnet. Nun möchte sie noch tiefer in die Vegetation vergangener Zeiten vordringen.
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Ihr Mandarin sei leider nicht mehr so gut wie am Ende ihrer Doktorarbeit im Jahr 2004. Damals hatte sie auf dem Tibetischen Hochplateau geforscht. Aber ihre chinesischen Gastgeber schätzten die verbliebenen Sprachkenntnisse durchaus. So kann Ulrike Herzschuh, gerade auf Dienstreise in China, seit Jahren über die Sprachbarriere hinweg mit ihren dort forschenden Fachkollegen zusammenarbeiten. Einer von ihnen war früher ihr Doktorand und sei „über die Zeit zu einem engen Freund geworden“, sagt Herzschuh.
Die Geoökologin vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) geht in China, aber auch an anderen und oft entlegenen Orten auf der Welt, der großen Frage nach, was Spuren aus der Vergangenheit über die Zukunft verraten können. Oder, konkreter: wie sich der Klimawandel am Ende der letzten Eiszeit auf die Verbreitung von Pflanzen und Tieren auswirkte. Und auch, wie sich heute die Lebensgemeinschaften auf noch verbliebenen Dauerfrostböden in der derzeitigen globalen Erwärmung weiterentwickeln könnten.
„Seit vielen Jahren macht ihre interdisziplinäre Forschung zur Vegetation in Polar- und Bergregionen von sich reden“, wird Direktorin Antje Boetius in einer Mitteilung des AWI zitiert. Ihre Rekonstruktionen von Ökosystemen anhand von alter DNA und Pollen aus Seesedimenten könnten das Vergangene zum Leben erwecken und aufzeigen, welche Landschaftsveränderungen wir zu erwarten haben, so Boetius. Herzschuh ist eine der weltweit führenden Forscherinnen an der Schnittstelle von Erdsystemwissenschaften und Biodiversitätsforschung.
Sie sei aber nicht alleine dort hingekommen: „Mittlerweile ist wirklich alle Forschung komplette Teamarbeit“, sagte sie dem Tagesspiegel. Ohne Mitstreiterinnen, die sich genauso für das Thema begeisterten, sei der Weg zu neuen Erkenntnissen nicht zu bewältigen. So nahm Herzschuh auch im Kreis ihres Teams den Hörer ab, als die Deutsche Forschungsgemeinschaft anrief, um sie über ihren Preis zu informieren. „Es war schön, das gleich mit Menschen zu teilen, die so viel dazu beigetragen haben“, sagt Herzschuh.
Vom Grund der Seen
Ihre Arbeitsgruppe habe innovative Forschungsmethoden entwickelt und angewendet, heißt es in der Begründung für die Preisverleihung. Sie habe etwa Methoden zur Analyse von DNA in See- und Meeressedimenten als Gradmesser für Biodiversitätsveränderungen federführend etabliert.
In Tibet holten Herzschuh und Team zuletzt mit einem Bohrer Sedimente vom Grund von Seen. Dort haben sich neben Pflanzenteilen einschließlich ihres Erbguts auch Pollen abgelagert, die die Jahrtausende seit dem Ende der letzten Eiszeit auch bei vier Grad Wassertemperatur am Seegrund gut überstanden hätten. Herzschuhs Team bestimmt anhand der geschichteten Sedimente, welche Pflanzen über die vergangenen rund 18.000 Jahre vorherrschten und wie groß die Vielfalt war.
Die Biodiversität habe in den von Gletschern freigegebenen Gebieten zunächst zugenommen, sei aber wieder etwas zurückgegangen, als sich in der wärmeren Phase dort Wald etablierte, berichteten Herzschuh und Team im Fachmagazin „Nature Communications“. Dass die Pflanzenvielfalt in einer wärmeren Welt abnehme, sollte auch beim Naturschutz in der Region berücksichtigt werden, schlossen die Forschenden.
Weniger Meereis, mehr Hering
Mit ähnlichen Untersuchungen von Sedimenten, aber in einem ganz anderen Gebiet, der Beringsee, wandte sich Herzschuh Lebensgemeinschaften im Nordpolarmeer zu. „Weniger Meereis, mehr Hering“ ist eine Pressemitteilung überschrieben, die das AWI zur Veröffentlichung eines Fachartikels in „Nature Communications“ verschickte.
Die Geoökologin Ulrike Herzschuh lehrt an der Universität Potsdam und wurde für ihre Forschung nun mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet.
© Alfred-Wegener-Institut/Jan Pauls
In kälteren Phasen der letzten Eiszeit lebten Algen unter dem Meereis, die als Nahrung für Ruderfußkrebse dienten, die ihrerseits von Fischen wie dem Polardorsch gefressen wurden. In wärmeren Epochen ohne Eis gab es dagegen deutlich weniger Algen und Ruderfußkrebse und mehr Cyanobakterien. Am Meeresgrund breiteten sich in geschützten Buchten Seegraswiesen aus und statt der Dorsche schwammen in der Beringsee mehr Lachse und Pazifische Heringe.
Das Preisgeld, 2,5 Millionen Euro, möchte Herzschuh jetzt nutzen, um ihr Labor auszubauen. Denn aus den Sedimenten ließe sich noch mehr Information über die vergangenen Ökosysteme herauslesen, sagt die Forscherin. Von der darin gefundenen DNA wurde wie im lebenden Organismus nur ein kleiner Teil abgelesen und in Proteine übersetzt. Diesen Proteinen ist die Paläoproteomik auf der Spur.
Die größte Schwierigkeit ist, dass die Proteine in den Sedimenten wie das Erbgut in kleine Bruchstücke zerfallen ist, die sich mit modernsten Methoden aber wieder zusammenfügen lassen. „Daran kann man zum Beispiel gut erkennen , wie sich die Organismen an Kälte angepasst haben“, sagt Herzschuh. Um Kapazitäten aufzubauen, diese anspruchsvollen Untersuchungen durchzuführen „brauche es ein bisschen Geld“, sagt Herzschuh, und da wäre das Preisgeld gut angelegt.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de