Kann Merz Kanzler?: Die Kandidaten-Frage ist auch eine Frage des Charakters

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Kann Merz Kanzler?: Die Kandidaten-Frage ist auch eine Frage des Charakters

© picture alliance/dpa / Revierfoto Kann Merz Kanzler?: Die Kandidaten-Frage ist auch eine Frage des Charakters

Wer wird Herausforderer von Olaf Scholz? Die CDU hat ein echtes Führungsproblem. Aus ihrer Funktionslogik heraus können weder Merz noch Wüst eine Kandidatur ausschließen.

Von Daniel Friedrich Sturm

Die CDU ist inzwischen dort angekommen, wo die SPD einst viele, viele Jahre vegetierte: jenseits des Kanzleramtes, programmatisch orientierungslos und mit einem veritablen Führungsproblem.

Vielleicht zeigt sich ihr erst jetzt, fast zwei Jahre nach der letzten Wahl, was es bedeutet, nicht den Bundeskanzler zu stellen. Die CDU, die ja eine Art Erbpacht auf das Kanzleramt beansprucht, leidet in der ihr wesensfremden Opposition.

Manches dabei erinnert an die Leidensjahre der SPD. Wer als ernst zu nehmende Partei den Kanzler nicht stellt, muss sich die Frage gefallen lassen, welche Person für das mächtigste Amt im Staate bereitsteht, es im Zweifel morgen ausfüllen könnte.

Da Friedrich Merz gleich drei Funktionen – Parteivorsitzender, Fraktionschef und Oppositionsführer – innehat, muss er diesen Machtanspruch erheben. Und sich die Frage gefallen lassen, ob er ihn ausfüllen kann. Es liegt nahe, dass jede Schwäche, die Merz in diesen Tagen zeigt, Zweifel an seiner Eignung weckt.

Auf den Spuren von Adenauer und Merkel

Schon jetzt ist die CDU nervös. Merz hat sich zwar noch nicht dazu geäußert, ob er bei der Bundestagswahl 2025 antreten will. Aber wenn der Vorsitzende der CDU Deutschland nicht führen, nicht in die Fußstapfen von Konrad Adenauer, Willy Brandt, und, jawohl, Angela Merkel treten will, kann er Partei- und Fraktionsführung sogleich an den Nagel hängen.

Doch ist Merz der richtige Mann, um Kanzler Olaf Scholz herauszufordern? „Wenn Friedrich will, wird er Kanzlerkandidat“ – so ist in der CDU zu hören. Das aber ist kein überzeugendes Argument, schon gar keines, das auf Kraft, Charakterstärke, Persönlichkeit des möglichen Kandidaten gründet. Es entspringt allein einer Funktionslogik, nämlich: Merz’ Ämtern.

Bei den Sozialdemokraten klang das während Merkels Kanzlerschaft verblüffend ähnlich: „Wenn Sigmar (Gabriel) will, wird er Kanzlerkandidat.“ Parteichef Gabriel war eher unbeliebt, am Ende überließ er gleich zweimal die Kanzlerkandidatur anderen, Peer Steinbrück und Martin Schulz.

Merz tritt oft auf wie ein beleidigter Besserwisser

Merz ist ebenfalls kein Publikumsliebling. Während die Ampel und der Kanzler nur noch wenig Rückhalt im Lande besitzen, genießt Merz noch weniger Vertrauen als Olaf Scholz. Wie bloß erst stünde die Bundesregierung mit einer überzeugenden Oppositionsführung da! Und wie war das noch mit Merz’ Versprechen, die AfD zu „halbieren“?

Ohnehin erweist sich Merz als relativ fehleranfällig, man denke nur an seine Äußerungen über „Paschas“ und einen angeblichen „Sozialtourismus“ geflüchteter Ukrainer. Merz tritt oft auf wie ein beleidigter Besserwisser. Mehr bockig als souverän wirkt es, wenn Merz einen offenkundigen Fehler – den verunglückten Auftritt Claudia Pechsteins in Bundespolizei-Uniform vor der CDU – als „brillant“ benotet.

Und wie konnte er nur auf die Idee kommen, ausgerechnet den wichtigsten Ministerpräsidenten und Parteifreund Hendrik Wüst öffentlich anzuzählen? Da liegen offenbar ein paar Nerven blank.

Nun jammert man in der CDU, für eine Kanzlerkandidaten-Debatte sei es „zu früh“; auch die Klage erinnert an die Vor-Scholz-SPD. Dabei sind es die eigenen Leute, die derlei Diskussionen nähren, zuletzt niemand stärker als Merz.

Beleidigt reagierte Merz auf den Gastbeitrag Wüsts („Das Herz schlägt in der Mitte“), der Merkel gepriesen und Merz verschwiegen hatte. Das wirft eine ganz grundsätzliche Frage auf, die nach dem Charakter: Ist Merz geeignet, Deutschland zu führen? Kann Merz Kanzler?

Die K-Debatte wird wohl noch ein Jahr dauern

Man kann Olaf Scholz Schwächen vorwerfen, ein Mangel an Nervenstärke gehört nicht dazu. Niemand weiß, wie die Wahl 2025 ausgehen wird. Noch wohl rund ein Jahr lang werden CDU und CSU die K-Debatte führen.

Mit einem bei der Bayern-Wahl im Oktober gestärkten Markus Söder könnte sie an Fahrt aufnehmen. Aus eigener Funktionslogik heraus kann es auch Wüst nicht „ausschließen“, Kanzlerkandidat zu werden: Wer NRW regiert, muss sich zutrauen, Deutschland zu regieren.

Jenseits aller Funktionslogiken muss die Union am Ende eine Person nominieren, die kompetent und strategiefähig ist, aber vor allem das wichtigste Kapital eines Politikers besitzt: nämlich Vertrauen. Der sehr wandlungsfähige Herr Wüst hat in dieser Hinsicht ziemlich an sich gearbeitet.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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