Kämpfer für Kinder und hartnäckiger Politiker: Ex-Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner an Krebs gestorben
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Kämpfer für Kinder und hartnäckiger Politiker: Ex-Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner an Krebs gestorben
Jens-Holger Kirchner war ein besonderer Politiker. Er litt schon lange an einer Krebserkrankung, blieb aber bis zuletzt aktiv. Nicht nur in Prenzlauer Berg hinterlässt er viel Bleibendes. Ein Nachruf.
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Er berlinerte rustikal. Er war hartnäckig als Politiker. Er hat in seinem Leben viele Brüche erlebt. Als Mensch ließ er sich aber nie abschleifen, sondern blieb zugewandt, fleißig und freundlich. Am Wochenende ist der frühere Berliner Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner im Alter von 64 Jahren an einer langwierigen Krebserkrankung gestorben. Das bestätigten Freunde und Familie dem Tagesspiegel am Montagmorgen.
Der Berliner Politikbetrieb zeigte sich betroffen. „Nilson Kirchner war ein ganz, ganz besonderer Mensch und ein großer Politiker“, teilte die verkehrspolitische Sprecherin der Berliner Grünen-Fraktion, Antje Kapek, mit. „Durch seine Beharrlichkeit hat Jens-Holger den Prenzlauer Berg und ganz Berlin nachhaltig verändert“, erzählt Juliane Witt, Sozialstadträtin von Marzahn-Hellersdorf, am Telefon. Sie war in den Neunziger Jahren zusammen mit Kirchner in der Pankower Lokalpolitik aktiv und blieb darüber hinaus eine Wegbegleiterin.
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Seine Freundinnen und Freunde nannten ihn Nilson. Denn die Abenteuerreisen von Nils Holgersson mit den Wildgänsen hatten es Kirchner schon als Kind angetan. Schon in der DDR engagierte sich der gelernte Tischler (seine Ausbildung absolvierte er an der Komischen Oper, nachdem ihm der Zugang zum Abitur verweigert worden war) und studierte Erzieher für Kinder. Zwischen den kahlen Plattenbauten in Marzahn und Hellersdorf baute er mit ihnen aus Brettern Spielgeräte.
Nach dem Umbruch kämpfte er als Politiker des „Bündnis Prenzlauer Berg“ für den Aufbau und den dauerhaften Erhalt von Spielplätzen in Baulücken. Der Abenteuerspielplatz in der Kollwitzstraße, der Spielplatz Marie in der Marienburger Straße, auch den Kinderbauernhof Moritzhof am Mauerpark – ohne seinen jahrelangen, hartnäckigen Kampf um Fördermittel in Bezirk und Stadt gäbe es all diese Orte wohl heute nicht.
Bunte Klamotten, lange Haare er fiel auf
Politisch geprägt wurde Kirchner, der 1959 in Brandenburg an der Havel geboren wurde, durch die friedliche Revolution, die er als Bürgerrechtler selbst mit vorantrieb. Auf den Hinterhöfen von Prenzlauer Berg wurde er schnell heimisch, besetzte eine Wohnung und bekam hier in jungen Jahren zwei Kinder, stürzte sich dann voller Energie in die Lokalpolitik. Er fiel auf mit seinen langen Haaren und bunten Klamotten, aber auch durch eine gute Vorbereitung und stringente Einarbeitung in lokale Themen. Gerade für die Umwelt engagierte sich Kirchner von seinem Büro am Kollwitzplatz aus, wo er immer eine Thermoskanne Tee, ein paar lockere Sprüche und in seiner Weste ein paar Stifte für alle Fälle bereithielt. Auch als Politiker blieb er ein Berliner Original.
Für Bündnis 90/Die Grünen war Kirchner zunächst von 2006 bis 2016 Stadtrat in Pankow. Hier setzte er die Parkraumbewirtschaftung durch, schuf Milieuschutzgebiete und ging gegen die illegale Vermietung von Wohnraum für Ferienwohnungen vor. Den rasanten Wandel des Viertels begleitete er mit akribischer Arbeit, bemüht um die Sicherung von Grün-, Spiel- und Sozialflächen, um bessere Schul- und Radwege, um bezahlbare Mieten.
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Von 2016 bis 2018 arbeitete Kirchner unter Senatorin Regine Günther (Grüne) als Staatssekretär in der Verkehrsverwaltung. Schnell war er in der Stadt anerkannt als der eigentliche Verkehrsexperte des Senats. Nach seiner Darmkrebsdiagnose im Jahr 2018 versetzte Günther dann Kirchner gegen seinen ausdrücklichen Willen in den einstweiligen Ruhestand – sie wurde für dieses Vorgehen scharf kritisiert. Der damalige Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) holte Kirchner dann in die Senatskanzlei. Hier tüftelte er immer, wenn es die Gesundheit zuließ – bis zuletzt an der Neuplanung des ehemaligen Flughafengeländes in Tegel und an der Wiederbelebung der Siemensbahn.
Schicksalsschläge begleiteten das Leben von Jens-Holger Kirchner, selten sprach er darüber. Seine Mutter hatte sich das Leben genommen, als er noch jung war. Für seine eigenen Kinder räumte er mitten im politischen Umbruch zu wenig Zeit ein, seine junge Familie zerbrach. Er wirkte manchmal wie ein Einzelkämpfer, aber eben auch immer wie ein Tapferer für viele gute Sachen. In den letzten Jahren lebte er mit seiner Frau im brandenburgischen Altlandsberg. Abseits vom Trubel des Prenzlauer Berg, den er geliebt und geprägt hat. Und dem er, wie der Stadt Berlin, einige bleibende Orte und politische Ideen hinterlassen hat.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de