Islamisten, Jugendliche, Bürger: Die „Mischszene“ macht der Berliner Polizei Probleme

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Islamisten, Jugendliche, Bürger: Die „Mischszene“ macht der Berliner Polizei Probleme

© dpa/TNN/Uncredited Islamisten, Jugendliche, Bürger: Die „Mischszene“ macht der Berliner Polizei Probleme

Unangemeldete Proteste, Randale in der Sonnenallee: Die verschärfte Gefahrenlage wegen des Nahostkonflikts bringt die Sicherheitskräfte an ihre Grenzen. Braucht Berlin Hilfe?

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In den Sicherheitsbehörden wächst die Angst vor einer auf Dauer nur schwer zu bewältigenden Lage in Hauptstadt. Für die kommenden Nächte wird erneut mit Ausschreitungen in Berlin, besonders in Neukölln, gerechnet. In Chatgruppen riefen vornehmlich arabische Accounts zu Autokorsos auf, um das schnelle Einschreiten der Polizei zu umgehen.

Die Berliner Polizei hat wegen des Dauereinsatzes und der verschärften Lage seit dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel nun auch eine Hundertschaft der Bundespolizei angefordert. Ob auch Einheiten aus anderen Bundesländern angefordert werden müssen, werde geprüft, hieß es.

Die Polizei stößt zunehmend an ihre Grenzen

Die Sicherheitslage – also eine erhöhte abstrakte Gefährdung für jüdische und israelische Einrichtungen – sei unverändert, hieß es von der Senatsinnenverwaltung. Der Angriff auf die Synagoge am Mittwochmorgen in der Brunnenstraße in Mitte werde aber in die Bewertung eventueller neuer Sicherheitsvorkehrungen einfließen.

Diese Szene ist räumlich und methodisch flexibel.

Beamter einer großen Sicherheitsbehörde über die Protestierer

Die Polizei gerate angesichts der Lage zunehmend an Grenzen, sagte ein ranghoher Beamter dem Tagesspiegel. Damit sei die ungewöhnlich hohe Aggressivität der Männer und Frauen auf den „Gaza-Versammlungen“ gemeint, als auch die schiere Masse der potenziellen Unterstützer: Neben aktenkundigen Islamisten mischten Heranwachsende mit, die bislang kaum oder gar nicht aufgefallen waren.

Da – nach vorläufigen Erkenntnissen – viele der gewaltaffinen Verdächtigen keinen regulären Jobs nachgingen, also über viel Freizeit verfügten, könnte die Lage noch Wochen so bleiben. „Ein Mix aus justizerfahrenen Islamisten, gewaltgeneigten Jugendlichen und immer noch zahlreichen, zumeist verständnisvollen Vertretern aus der Zivilgesellschaft macht es uns so schwer“, sagte der Beamte aus einer großen Sicherheitsbehörde. „Diese Mischszene ist zudem räumlich und methodisch flexibel.“

Auch sei es schwer, den Überblick über die Szene in Neukölln zu behalten. Eine typische Beobachtung machten Beamte am Wochenende, als sie verhinderten, dass 70 Männer und Jugendliche mit Palästina-Fahnen zu einer verbotenen Anti-Israel-Versammlung auf dem Hermannplatz gehen wollten. Als die Polizisten eingriffen, gingen die Männer in die Sonnenallee und verteilten sich in den dortigen Cafés. Ein mit der Lage befasster Beamter sagt nun, es gebe zu viele Lokale, wo die arabische Jugend abhänge und gewissermaßen auf einen Einsatzbefehl warte.

Auch Clan-Boss Abou-Chaker mischte sich ein

Clan-Boss Arafat Abou-Chaker postete am Mittwoch bei Instagram die Daten einer von der Polizei verbotenen Demonstration, die für den Nachmittag angemeldet war und von Neukölln zum Kottbusser Tor führen sollte. Unter Objektschützern der Polizei wurde am Mittwoch eine „dringende Warnung“ verbreitet: „In Neukölln besteht ab 22 Uhr das Risiko von Randalen. Informiert die örtlichen Behörden über verdächtige Aktivitäten.“

In der Nacht zu Mittwoch hatten sich nach einer mutmaßlich fehlgeleiteten Rakete von palästinensischen Terroristen, die am Dienstagabend in Gaza neben einem Krankenhaus landete, rund 700 Menschen am Brandenburger Tor versammelt und antiisraelische Parolen skandiert. Polizisten wurden mit Flaschen beworfen. Auch Clan-Boss Abou-Chaker hatte via Instagram mehrfach dazu aufgerufen, zum Brandenburger Tor zu kommen, darunter mit dem Spruch: „Lasst die Erde beben.“

Das Holocaust-Mahnmal musste bewacht werden

Behelmte Polizisten einer Hundertschaft, manche mit Hund, bewachten das Holocaust-Mahnmal auf der gesamten westlichen Seite in unmittelbarer Nähe zum Brandenburger Tor, als 300 Personen vom dort zum Potsdamer Platz zogen. Auf der Straße des 17. Juni unterband die Polizei dann den Versuch Dutzender, eine Sitzblockade abzuhalten.

Die Bilanz der Polizei: 39 Festnahmen, 65 Strafverfahren, 20 verletzte Polizisten, zwei von ihnen mussten den Dienst beenden. Vor den Ausschreitungen in Mitte war eine angemeldete pro-palästinensische Mahnwache mit 350 Menschen am Pariser Platz friedlich verlaufen.

Zudem gab es in Neukölln Aktionen, vom frühen Abend bis 22 Uhr hatten sich im Reuterkiez immer wieder große Gruppe von bis zu 100 Personen gesammelt. Einige waren vermummt, immer wieder gab es Böller, Barrikaden, Steinwürfe und laut Polizei „volksverhetzende und israelfeindliche Parolen“. Die Polizei brauchte Stunden, um die Lage unter Kontrolle zu bringen.

An der High-Deck-Siedlung brannte ein Müllcontainer

Gegen 23 Uhr errichtete in Gruppe von 60 Personen mit mehreren Müllcontainern an der Sonnenallee/Ecke Reuterstraße Barrikaden und setzte diese in Brand, Polizisten und Einsatzwagen, selbst Feuerwehrleute, die die Brände löschen wollten, wurden mit Steinen und Böllern beworfen. Ein Wasserwerfer der Polizei musste anrücken, um die Brände zu löschen. Bis kurz nach Mitternacht zogen sich die Auseinandersetzungen, auch in Nebenstraßen, hin. In der Neuköllnischen Allee brannte dann gegen 1 Uhr auf einem Sportplatz eine Mülltonne, eine halbe Stunde später in der Treptower Straße an der High-Deck-Siedlung ein Müllcontainer.

Am Mittwochmorgen gegen 3.45 Uhr dann konnten Objektschützer der Polizei nach Darstellung der Behörde verhindern, dass zwei Männer mit ihren Molotowcocktails eine Synagoge in der Brunnenstraße treffen. Die Brandsätze landeten auf dem Gehweg davor. Laut Innensenatorin Iris Spranger (SPD) haben die Angreifer die Molotowcocktails von der gegenüberliegenden Straßenseite geworfen. Die Aufnahmen einer Überwachungskamera seien aber kaum brauchbar, die Täter seien nur schlecht zu erkennen, hieß es aus der Gemeinde.

Eine interne Gefahrenprognose der Polizei nennt als Ziele für Attacken jüdische und israelische Einrichtungen, aber auch US-Liegenschaften. Zudem warnt die Polizei vor Angriffen „auf erkennbar israelische und jüdische Personen im Stadtgebiet (…) durch pro-palästinensisch gesinnte Personen“.

Sachbeschädigungen an jüdischen und israelischen Einrichtungen werden als „wahrscheinlich“ eingestuft. Bei einer Verschärfung des Nahostkonflikts seien Attacken auf israelische Einrichtungen mit Molotow-Cocktails, Schüssen und Erstürmungsversuchen „in Betracht zu ziehen“. Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass diese Gefährdungslage noch lange bleiben wird.

Vor allem in Nord-Neukölln rund um den Hermannplatz, in der südlichen Sonnenallee und rund um die High-Deck-Siedlung bestünden bei der arabischstämmigen und muslimischen Bevölkerung „starke Sympathien für das pro-palästinensische Lager“. Dort sei bei Polizeieinsätzen mit Gegenreaktionen bis hin zu Straftaten und Angriffen auf Beamte zu rechnen.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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