In der multiplen Krise: Auch die Länder sind vom Karlsruher Urteil betroffen

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In der multiplen Krise: Auch die Länder sind vom Karlsruher Urteil betroffen

© dpa/Uli Deck

In der multiplen Krise: Auch die Länder sind vom Karlsruher Urteil betroffen

Berlin, Bremen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, das Saarland – einige Regierungen müssen ihre Etatpolitik neu justieren. Andere erkannten die Verfassungsproblematik früh.

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Der Karlsruher Paukenschlag dröhnt nicht nur den Politikern der Ampelkoalition im Bund in den Ohren. Das Urteil zur Anwendung der Schuldenbremse hat auch Folgen für die Länder. Auch für sie gilt das Grundgesetz, und damit auch der Artikel 115, in dem die Schuldenbeschränkung samt Ausnahmeregelung verankert ist. Derzeit prüfen alle Landesregierungen, ob und wie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Finanzierung von Sondervermögen auf ihre Etats zutrifft.

Doch gibt es noch eine zweite Schiene der Betroffenheit: Was kommt durch Kürzungen und Umschichtungen im Bundeshaushalt auf die Länder und ihre regionale Wirtschaft zu. Hier geht es vor allem um Förderprogramme im Klima- und Transformationsfonds (KTF). Sachsen-Anhalt und Sachsen sorgen sich um die Subventionen der Ansiedlung von Halbleiterwerken des US-Konzerns Intel und von Taiwan Semiconductor Manufacturing Corporation (TSMC).

In mehreren Ländern stehen Förderungen zur Dekarbonisierung vor allem von Stahlwerken und deren Umrüstung auf Wasserstoff infrage. Wie weit die Ampelkoalition den KTF zusammenstreichen wird, ist allerdings noch unklar.

Verstoß gegen Etatgrundsätze

Ähnliche Manöver wie die Ampel bei der Finanzierung des KTF und des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) haben einige Länder unternommen. Der Verfassungsverstoß liegt darin, dass für Notlagen deklarierte Kreditaufnahmen in solche Sondertöpfe umgebucht wurde, quasi als Rücklage oder Verschuldung auf Vorrat.

Das aber widerspricht den Haushaltsgrundsätzen der Jährlichkeit und Jährigkeit – vereinfacht gesagt müssen Notlagen, Kredite zu deren Bewältigung und die Begründungen dafür jedes Jahr neu beschlossen und auch inhaltlich permanent neu gerechtfertigt werden.

Das gilt auch für die Finanzierung von Sondervermögen (auch Nebenhaushalte genannt), die zur Bewältigung von Notlagen eingerichtet worden sind. Das Karlsruher Urteil macht es schwierig, Notlagen für einen langen Zeitraum zu erklären, und verhindert die Buchungspraxis, Sondervermögen auf einen Schlag zu befüllen.

In Schwerin war man vorsichtig

Die Mehrzahl der Länder hat keine Probleme damit. In Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel vertrat das Finanzministerium schon früh die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, das wiederum die recht einheitliche Position der Rechnungshöfe in Bund und Ländern bestätigt hat. In Schwerin entschied die rot-rote Regierung, auf ein mit Notlagenkrediten gefülltes Sondervermögen zu verzichten.

Dagegen müssen sich vor allem die Regierungen in Berlin, Bremen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und im Saarland mit dem Spruch aus Karlsruhe auseinandersetzen. Die Regierung in Düsseldorf immerhin konnte Ende 2022 vom Landesrechnungshof dazu gebracht werden, das verfassungswidrige Modell des Bundes nachzuahmen.

5Milliarden Euro beträgt der Umfang eines schuldenfinanzierten Fonds in Nordrhein-Westfalen

Statt Milliarden-Ausgaben wegen der Energiekrise durch Umwidmung von Corona-Kreditermächtigungen zu bezahlen, brachte die schwarz-grüne Regierung von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) einen neuen schuldenfinanzierten Fonds im Umfang von fünf Milliarden Euro und mit Geltung bis Ende 2023 auf den Weg und erklärten eine dazu passende Notlage.

Notlagen im Norden

SPD und FDP im Landtag haben dennoch geklagt, das Verfassungsgericht des Landes hat die Karlsruher Entscheidung abgewartet und dürfte demnächst ein Urteil fällen. Wüst nimmt für seine Regierung in Anspruch, verfassungskonform gehandelt zu haben.

In Schleswig-Holstein hat der Landtag gerade erst eine neue Notlage für 2023 und 2024 erklärt, um nach dem Karlsruher Urteil die Verfassungsmäßigkeit der Etats wiederherzustellen. Dort spricht Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) schon von den „multiplen Krisen“, welche die Landesregierung mit schuldenfinanzierten Sondervermögen bekämpfen müsse. Es gibt im Norden Notkredite wegen Corona, des Ukraine-Kriegs und der Sturmflut in diesem Jahr.

Neue Floskel „Polykrise“

Finanziert werden sollen damit vielfältige Ausgaben, bis hin zu einer Subvention für eine Batteriefabrik des schwedischen Unternehmens Northvolt. Der FDP-Fraktionschef im Landtag, Christopher Vogel, wirft der schwarz-grünen Koalition vor, eine Dauerkrise zu suggerieren, um die Schuldenbremse umgehen zu können.

Neuerdings spricht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ebenfalls von einer „Polykrise“ als Herausforderung für die Politik. Das Vorgehen der rot-grünen Koalition in Bremen nutzt diese Floskel zur Begründung ihres auf Jahre hinaus angelegten kreditfinanzierten Sondervermögens mit einem Volumen von drei Milliarden Euro ebenfalls. Corona-Mittel sind darin enthalten, aber umgewidmet.

Die außergewöhnliche Notlage wird nicht zuletzt mit der Klimakrise begründet, ergänzt um die Energiekrise als Folge des Ukraine-Kriegs. Außerdem geht es dem Bremer Senat um die Zukunftsfähigkeit der Landeswirtschaft, also um Fördermaßnahmen. Die CDU-Opposition hat im August Klage dagegen eingereicht.

Kleines Saarland, großer Fonds

Auch im Saarland hat die SPD-Alleinregierung einen Riesenfonds (gemessen an der Größe des Landes) in Höhe von drei Milliarden Euro eingerichtet, ausdrücklich als Transformationsfonds bezeichnet. Nun müssen Ministerpräsidenten Anke Rehlinger und ihr Finanzminister Jakob von Weizsäcker prüfen, ob sie damit nicht mit dem Urteil aus Karlsruhe kollidieren.

Die erste Erkenntnis war, dass der Landtag nun jährlich neu eine Notlage erklären und auch begründen müsse, um den Fonds weiterbetreiben zu können. Den recht breiten Zweck des auf zehn Jahre angelegten Transformationsfonds hat die Regierung mit der Bewältigung eines Strukturwandels gerechtfertigt, bei dem es um die „drei I“ gehe – Industriepolitik, Infrastruktur, Innovation.

Vor allem klimapolitisch ist auch das Sondervermögen begründet, das der schwarz-rote Senat in Berlin auf den Weg gebracht hat. Nach dem Karlsruher Urteil ließ Finanzsenator Stefan Evers durchblicken, dass es nicht auf die Hauptstadt übertragen werden könne. Klimapolitik allein ist nach dem Urteil kein ausreichender Notlagengrund – weshalb Evers auf den Schock des Ukraine-Kriegs und die Finanzschwäche Berlins verwies.

Die Chefin des Landesrechnungshofs, Karin Klingen, ist jedoch der Ansicht, dass das Berliner Sondervermögen nicht in Einklang sei mit den Vorgaben aus Karlsruhe. Es sei nicht klar, welche Kredite zu welchem Zweck und zu welchem Zeitpunkt eingesetzt werden sollten.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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