Hürden der Bürokratie : Warum der Umzug des Berliner Alliiertenmuseums seit 25 Jahren stockt

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Hürden der Bürokratie : Warum der Umzug des Berliner Alliiertenmuseums seit 25 Jahren stockt

© Imago/Jürgen Ritter

Statt 70.000 Besucher jährlich in Zehlendorf könnte das Alliiertenmuseum am Flughafen Tempelhof ganze 350.000 empfangen. „Aber es tut sich nichts“, sagt der Museumdirektor.

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Die Erinnerung an den Beginn des Kalten Krieges ist aktueller denn je. Nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine stellt sich auch die Frage, welche Lehren aus den Anfängen des Kalten Krieges zu ziehen sind. Damals hatten die westlichen Alliierten im Westen des Landes und in West-Berlin konsequent Freiheit und Demokratie etabliert und verteidigt.

Eine wichtige Rolle im Zuge der Erinnerungskultur spielt das Alliiertenmuseum. Dieses aber versteckt sich seit nunmehr 25 Jahren in der Clayallee in Zehlendorf. Dabei war schon bei der Gründung klar, dass es wegen besserer Sichtbarkeit seinen endgültigen Standort im Flughafen Tempelhof finden soll.

Nach dem Zweiten Weltkrieg teilten die USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion Deutschland in vier Zonen und Berlin in vier Sektoren auf. Als Antwort auf die Währungsreform, die auch auf West-Berlin ausgedehnt werden sollte, sperrte die Sowjetunion am 24. Juni 1948 alle Zufahrtswege in die geteilte Hauptstadt.

Innerhalb weniger Tage organisierte Clay die Versorgung aus der Luft

Der US-Militärgouverneur Lucius D. Clay organisierte daraufhin eine Luftbrücke, um rund 2,5 Millionen Menschen mit dem Notwendigsten zu versorgen und einen kriegerischen Konflikt zu verhindern. Mit der Blockade wollten die Sowjets die Westmächte zwingen, ihnen ganz Berlin zu überlassen und auf die Errichtung eines demokratischen Landes in den westlichen Zonen zu verzichten.

Hürden der Bürokratie : Warum der Umzug des Berliner Alliiertenmuseums seit 25 Jahren stockt

© picture alliance/dpa

Ohne die Luftbrücke, die am 24. Juni 1948 begann, wäre die Demokratie in Deutschland wohl nie so stark geworden. Man sollte denken, dass aus Dankbarkeit eine aktive Erinnerungskultur betrieben wird. Leider scheitert das bislang an der üblichen Verschieberitis.

Neue Pläne liege seit zwei Jahren vor

Dass das Alliiertenmuseum von der Clayallee zum Flughafen Tempelhof ziehen soll, dem großen Symbol des Kampfes um die Freiheit der Stadt, war bereits bei der Eröffnung 1998 klar. Statt der 70.000 Besucher wie in der Zehlendorfer Clayallee könnte es dort rund 350.000 Besucher jährlich empfangen.

Aber es tut sich nichts.

Jürgen Lillteicher, Museumsdirektor

Allerdings jagte eine bürokratische Hürde die nächste. 2015 hatte der Haushaltsausschuss des Bundes endlich den für den Umzug veranschlagten 27 Millionen Euro zugestimmt. Dann kam es zu Verzögerungen, neue Pläne mussten erstellt werden. Die liegen seit zwei Jahren vor.

„Aber es tut sich nichts“, sagt der Direktor des Alliiertenmuseums, Jürgen Lillteicher. Er schätzt, dass sich in der Zwischenzeit die Kosten verdoppelt haben dürften. Wenig hilfreich soll zudem die Diskussion um den Sanierungsbedarf des Flughafens Tempelhof gewesen sein, der heute dem Land Berlin gehört.

Erheblicher Sanierungsbedarf in der Clayallee

Als die US Air Force den Flughafen 1993 übergab, sprach der damalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) den Amerikanern den „tiefempfundenen Dank der Berliner“ aus. Von diesem Gefühl scheint nicht mehr viel übrig zu sein.

Wenn erst einmal der Startschuss gegeben wird, dauere es schätzungsweise noch zehn Jahre bis zur Eröffnung, sagt Lillteicher. Aber dieses Signal scheint in weiter Ferne zu sein. Und das bereitet ihm große Sorgen. Nach 25 Jahren besteht erheblicher Sanierungsbedarf in der Clayallee.

350 000Besucher könnte das Alliiertenmuseum in Tempelhof jährlich empfangen.

Immer wenn er das zur Sprache bringe, laute die Antwort: „Aber ihr zieht doch eh nach Tempelhof“, berichtet Lillteicher. Der historische Checkpoint Charlie und andere Objekte rosten derweil draußen vor sich hin, während sie in dem seit Jahren für das Museum reservierten Hangar 7 vor der Witterung geschützt stehen würden.

Am Standort in der Clayallee war einst das Outpost-Kino der amerikanischen Soldaten untergebracht, heute gehört die Liegenschaft dem Bund, der auch das Museum zu 100 Prozent finanziert.

Bei Bundesbauprojekten gelten zeitraubende Bestimmungen. Um die Dinge in Gang zu bringen, müsste sich Kulturstaatsministerin Claudia Roth mit den Berliner Senatoren für Kultur, Joe Chiallo (CDU), sowie für Bauen, Christian Gaebler (SPD), zusammensetzen.

Blockierte Politiker

Zum Jubiläum soll jetzt immerhin am Flughafen Tempelhof eine Freiluft-Ausstellung eröffnet werden. Die Schau mit dem Titel „Blockierte Sieger“ befasst sich damit, wie es zur Blockade überhaupt kam.

Genau hier in Berlin hat sich die Demokratie erfolgreich gewehrt.

Helmut Trotnow, Gründungsdirektor des Alliiertenmuseums

Museumsdirektor Jürgen Lillteicher ist immer fassungslos, wenn Kulturpolitiker ihn fragen, was denn die Amerikaner an Mitteln zum Alliiertenmuseum dazu gäben. Denen ist schließlich so viel zu verdanken, die Demokratie, die Freiheit, der Weg zur Wiedervereinigung. Aber das begreifen die blockierten Politiker offensichtlich nicht.

Hürden der Bürokratie : Warum der Umzug des Berliner Alliiertenmuseums seit 25 Jahren stockt

© imago/Jürgen Ritter

Der Gründungsdirektor des Alliiertenmuseums, Helmut Trotnow, erinnert sich hingegen noch gut an die Ausgangslage. Nach dem Wunsch des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU) sollten nicht nur Bund und Land als Träger des Museums beteiligt sein, sondern auch die drei Westmächte.

Die Expertenkommission sei sich schon damals einig gewesen, dass der Flughafen Tempelhof der richtige Standort sei. Und die Franzosen hätten sogar darauf bestanden, dass das Gebäude in der Clayallee nur eine vorübergehende Lösung sein könne und das Museum schon deshalb zum Flughafen Tempelhof ziehen müsse, weil sich französische Besucher nicht mit dem ehemaligen amerikanischen Outpost-Kino identifizierten.

Magnet für Touristen

Als historischer Ort wäre der Flughafen Tempelhof gerade jetzt ein guter Magnet für Touristen und Berliner. Der Beginn der Luftbrücke als Versuch, eine drohende militärische Konfrontation mit friedlichen Mitteln zu lösen, war der 24. Juni 1948. 50 Jahre später wurde das Alliiertenmuseum eröffnet als Erinnerung an die unglaubliche Leistung der Franzosen, Briten und Amerikaner.

„Ohne ihr entschiedenes Einschreiten für Freiheit und Demokratie in Deutschland, ohne ihre Präsenz wäre es wohl nie zur Wiedervereinigung gekommen“, ist Helmut Trotnow überzeugt. Gerade in einer Zeit, in der immer wieder darauf hingewiesen werde, wie wichtig die Werte Freiheit und Demokratie seien, sei es wichtig, einen zentralen Ort zu haben, an dem man sehe, was die Verteidigung dieser Werte bedeuten und bewirken könne.

„Genau hier in Berlin hat sich die Demokratie erfolgreich gewehrt gegen die Übergriffe der Sowjetunion in einer Situation, die nahezu ausweglos aussah“, sagt Helmut Trotnow.

Die Idee, das Alliiertenmuseum zum Anker für die kulturellen Einrichtungen am alten Flughafen Tempelhof zu machen, scheiterte zunächst „an vielen unsäglichen Streitereien“. So hat es Helmut Trotnow es in Erinnerung, der sich 2009 bei seinem Eintritt in den Ruhestand noch einmal dezidiert für den Umzug aussprach.

Guter Wille, aber noch keine Termine

Guter Wille scheint offiziell immerhin vorhanden zu sein. Eine entsprechende Anfrage des Tagesspiegel beantwortete eine Sprecherin der Beauftragten des Bundes für Kultur und Medien wie folgt: „Seit seiner Gründung würdigt das Alliiertenmuseum die große erinnerungspolitische Bedeutung, die dem Engagement der Westmächte für Demokratie und Freiheit seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zukommt.“

Die Ansiedlung des Museums in Tempelhof sei nicht zu trennen von dem seitens Berlin entwickelten Gesamtkonzept zur Herrichtung und Nutzung des Flughafengebäudes für kulturelle, kreativ-wirtschaftliche und öffentliche Zwecke, erklärt die Sprecherin weiter. „Vor diesem Hintergrund können jetzt nach der Konstituierung der neuen Landesregierung die Gespräche mit dem Land Berlin fortgesetzt werden.“ Fast gleichlautend äußert sich der Sprecher der Berliner Kulturverwaltung.

Auch die Senatsbauverwaltung ist frohen Mutes, wie eine Sprecherin meldet: „Mit der Neuunterbringung des derzeit noch an der Clayallee in Zehlendorf befindlichen Alliiertenmuseums wird im Hangar 7 ein weiterer Besuchermagnet in direkter Nachbarschaft zum Kopfbau West entstehen.“ Dies habe die Bundesregierung schon vor einiger Zeit beschlossen, heißt es aus der Bauverwaltung. Und: „Der Senat von Berlin steht zu den hierzu getroffenen Vereinbarungen und Verpflichtungen.“

Wann jedoch mit einem Umzug des Alliiertenmuseums in den Flughafen Tempelhof zu rechnen ist, bleibt auch am 75. Jahrestag der Luftbrücke offen.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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