Historiker zu Höcke-Zitat : Parallele zu „Durchhalteparole der Nazis“
© IMAGO/CHRISTIAN MANG Historiker zu Höcke-Zitat : Parallele zu „Durchhalteparole der Nazis“
Geschichtswissenschaftler Matthias Wehowski seziert die Wortwahl des rechtsradikalen AfD-Chefs von Thüringen. Sein Fazit „Pathos und völkischer Kitsch“.
Von Daniel Friedrich Sturm
Der Thüringer AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke hat seinen Ruf nach einer Auflösung der Europäischen Union bekräftigt. „Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann“, sagte Höcke am Sonnabend am Rande des AfD-Parteitags dem Fernsehsender Phoenix. Höcke ordnete die Forderung selbst als populistisch ein.
„Völkisch und schwurbelig“
Höcke nutze bewusst eine „völkisch-schwurbelige Sprache“, die klinge wie aus der NSDAP-Zeitung „Völkischer Beobachter“ schrieb der Historiker Matthias Wehowski kurz darauf in einem Tweet. „Sie starben, damit Deutschland lebe“ sei die Durchhalteparole der Nationalsozialisten gewesen, nachdem der deutsche Vernichtungskrieg in Stalingrad zum Stehen gekommen war, schrieb Wehowski, der am Hannah-Arendt Institut für Totalitarismusforschung in Dresden forscht.
An seinen Beitrag auf Twitter hing er ein Foto einer Titelseite des „Völkischen Beobachters“. Überschrift: „Sie starben, damit Deutschland lebe. Der Kampf der 6. Armee um, Stalingrad zu Ende.“
Deutscher Opfermythos
Der Spruch selbst gehe auf den Dichter Heinrich Lersch zurück, sagte Wehowski dem Tagesspiegel. Lersch hatte 1933 das „Gelöbnis auf Hitler“ abgelegt, sei 1935 der NSDAP beigetreten und 1936 verstorben. „Lersch thematisierte den Opfermythos im Ersten Weltkrieg – das ,Blutopfer’ für das Volk, was die NSDAP gerne förderte“, sagte Wehowski. Der „Völkische Beobachter“ habe Lersch in einem Nachruf geehrt. Im Jahre 1943 habe das nationalsozialistische Deutschland diesen „Opfermythos“ auf die verlorene Schlacht bei Stalingrad angewandt.
Auch Punk-Bands, etwa „Slime“, hätten den Spruch in den 1980ern aufgegriffen und kehrten ihn um: „Deutschland muss sterben, damit wir leben.“ Höcke bringe den Spruch gewissermaßen zurück zu seinem „völkisch-nationalen“ Ursprung, sagte Wehowski: „Nur ist es jetzt nicht mehr das soldatische Opfer, sondern das Feindbild EU. Leben soll auch nicht nur Deutschland, sondern die ,Nationen’ Europas im völkischen Sinn.“ Wehowski analysiert kurz und knapp, das sei „Pathos und völkischer Kitsch“.
Höcke verwendete SA-Parole
Es ist nicht das erste Mal, dass der einstige Geschichtslehrer Höcke sich der Nazi-Rhetorik bedient. So verwendete er 2021 bei einer Kundgebung in Merseburg den Satz „Alles für Deutschland!“ Diese Worte waren ein Schlachtruf der SA. In Deutschland ist die Verwendung des Satzes verboten. Die Staatsanwaltschaft Halle erhob deshalb am 16. Mai Anklage gegen Höcke. Der spricht von einem „Fauxpas“. Die Äußerung sei spontan gewesen.
Die Linguistin Heidrun Kämper vom Institut für deutsche Sprache in Mannheim überzeugt Höckes Darstellung nicht. Dieser Satz sei kein Zufall, die Verwendung von nationalsozialistischer Sprache sei in der AfD weit verbreitet, sagte Kämper dem Bayerischen Rundfunk: „’Volksverräter’, ‘Volkskörper’, ‘kulturfremd’, ‘Überfremdung’ und so weiter – das sind alles Anspielungen an die NS-Zeit. Beispiele, die zeigen, dass man sich sehr bewusst mit der NS-Zeit auseinandersetzt und solche Äußerungen sehr gezielt und strategisch einsetzt.“
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de