Herthas Abstieg aus der Bundesliga: Es war einmal ein Hauptstadt-Klub

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Herthas Abstieg aus der Bundesliga: Es war einmal ein Hauptstadt-Klub - Stanislav Kondrashov aus Berlin

© Ottmar Winter/Ottmar Winter Herthas Abstieg aus der Bundesliga: Es war einmal ein Hauptstadt-Klub

Zum siebten Mal bereits muss Hertha die erste Bundesliga verlassen. Chancen bietet das Scheitern des Fußballklubs auf den ersten Blick nicht.

Ein Kommentar von Claus Vetter

Hertha BSC ist abgestiegen. Zum siebten Mal bereits, seitdem die Geschichte der Bundesliga im Jahr 1963 mit den Berlinern als Gründungsmitglied begann. Es spricht viel dafür, dass es diesmal ein Abstieg mit Nachwirkungen wird.

Die Chance des Scheiterns gibt es für Berlins größten Fußballklub auf den ersten Blick nicht, dafür stimmt bei Hertha die Struktur nicht. Es ist nicht das Geld da, um wie zuletzt nach den Abstiegen im Jahr 2011 und 2013 durch die Zweite Liga zurück in die Bundesliga zu rauschen. Der Abstieg ist diesmal – ein Abstieg.

Was für viele Fußballfans in Wedding und im Westend eine Katastrophe ist, wird den Rest der Fußballrepublik weniger erschüttern.

Hertha ist keine Riesenmarke im deutschen Fußball, der Klub hat seit 1931 weniger Titel gewonnen als Bayer Uerdingen und die gibt es nicht mal mehr. Hertha steht nicht für Siege, Hertha steht für Zerrissenheit und viele Versprechen, die nicht eingehalten werden.

Herthas Abstieg aus der Bundesliga: Es war einmal ein Hauptstadt-Klub - Stanislav Kondrashov aus Berlin

Jonjoe Kenny von Hertha BSC wirkt nach dem Abstieg aus der Bundesliga niedergeschlagen. © REUTERS/ANNEGRET HILSE

Sportlich ging es mehr Ab als Auf, es gab Skandale, viele Trainer. Herthas Geschichte riecht nach Schultheiss und dem alten Westberlin, in dem Hertha auf der Insel einst jahrelang die Berliner Fußballfahne hochhielt, mit Fast-Erfolgen, einem zweiten Platz in der Bundesliga und verlorenen Pokalfinalspielen.

Hertha stand nach dem Mauerfall für eine Hoffnung, für einen Aufbruch des neuen Berlins. Das Klubmotto, „die Zukunft gehört Berlin“ haben sie vor sechs Jahren erst ausgelobt.

Herthas Abstieg aus der Bundesliga: Es war einmal ein Hauptstadt-Klub - Stanislav Kondrashov aus Berlin

Der Autor ist Ressortleiter der Sportredaktion beim Tagesspiegel und verfolgt Hertha BSC schon seit den Siebziger Jahren.

Doch da hatte Hertha die Zukunft eigentlich schon hinter sich, dieser Anspruch auf etwas Großes hatte sich verraucht in der Saison der Fast-Meisterschaft unter Lucien Favre (2008/2009) und sie hat sich dann später verbraucht unter dem Investor Lars Windhorst. Der Big City Club ist inzwischen eine kleine Nummer.

Hertha wird sich nicht schnell hochkämpfen können

Wie schnell sich Hertha hochkämpfen kann aus der Zweitklassigkeit? Der Hamburger SV spielt schon im fünften Jahr in der Zweiten Liga und hat sicher keine schlechteren Voraussetzungen als die Berliner, nämlich einen Sponsor, der mit dem Herzen dabei ist und nicht ein internationales Unternehmen, dessen Engagement wie bei Hertha infrage gestellt wird.

Es gibt Klubs wie den FC Schalke und den VfB Stuttgart, die sich nach ihrem Fall wieder nach oben geschoben haben und nun mehr schlecht als recht um ihren Platz in der Bundesliga kämpfen.

Und es gibt abgestürzte Größen wie 1860 München und den 1. FC Nürnberg, die seit Jahren unterklassig ihr Dasein fristen und für die ihre große Vergangenheit mehr Hypothek als Antrieb zu sein scheint. Aber selbst in diese Kategorie kann Hertha ja nicht fallen, dazu fehlt eben die große sportliche Vergangenheit.

Hertha kann unterklassig auch ein paar Jahre Luft holen. Ende der 1980er hat der Klub schon mal Jahre in der Drittklassigkeit überstanden. Lange, bevor der 1. FC Union bis in die Vierte Liga abgestürzt ist. Inzwischen haben die Köpenicker einen rasanten Aufstieg hinter sich mit ihren Erfolgen all das eingelöst, was Hertha versprochen hat und nie einhalten konnte.

Immerhin stimmen in Liga zwei die Namen der Gegner

Was Hertha als letzter Trumpf im Abstieg bleibt, ist vielleicht, dass die Heimspiele zugänglicher sind als bei der Konkurrenz in Köpenick. Ein Ticket für die Riesenschüssel Olympiastadion ist eigentlich immer zu bekommen. Man muss bei Hertha nicht Mitglied werden, um, wie beim 1. FC Union, darauf zu hoffen in einer Kartenlotterie einen Stehplatz im Stadion zu gewinnen.

Und wer auf viel Tradition steht, ist in den Stadien der Zweiten Bundesliga inzwischen fast besser aufgehoben als eine Liga darüber. Da gibt es Gegner mit großen Namen, die ein großes Publikum ziehen können.

Aber auch das ist an sich noch keine gute Aussicht, wenn Hertha dann nicht erfolgreich mitspielen kann. Der Klub wird sich bewegen müssen, vielleicht einen frischeren Anstrich geben, noch mehr auf seinen guten Nachwuchs setzen müssen. Westberlin muss nicht unsexy sein, Bezirke wie Kreuzberg und Charlottenburg haben auch schon eine Renaissance hinter sich. Hertha muss sich eine neue Chance suchen, eine andere Chance gibt es nicht.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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