Herausforderung Wärmewende : Woher die Energie nehmen?
© dpa/Christophe Gateau Herausforderung Wärmewende : Woher die Energie nehmen?
Nachhaltigkeitsforschung setzen in der Erdgas- und Klimakrise auf eine Doppelstrategie. Energie-Importe sollten auf mehrere Länder verteilt werden.
Von Jan Kixmüller
Die Herausforderungen, die auf den Energiesektor zukommen, sind groß – entsprechend groß ist auch die Sorge vor dem kalten Winter. Etwa die Hälfte des deutschen Energiebedarfs geht auf den Wärmebedarf von Industrie und Haushalten zurück. Gespeist wird der heute noch weitgehend durch fossile Energieträger (über 75 Prozent), der Anteil der erneuerbaren Energien liegt nur bei rund 16 Prozent.
„Die große Herausforderung ist nun, in einer relativ kurzen Zeit von 16 auf 100 Prozent zu kommen“, sagte Ortwin Renn, wissenschaftlicher Direktor Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS), am Donnerstag auf der Tagung „Klimaschutz und Gebäude – Wärmewende jetzt“ am IASS in Potsdam.
Ein hoher Anteil der Energie in Deutschland komme weiterhin aus Importen – rund 70 Prozent. Dieser Bedarf könne nicht alleine aus deutschen Quellen gespeist werden. „Auch nicht aus regenerativen, das würde zu einer Überlastung führen.
Stromleitungsnetze in Europa ausbauen
Daher müsste im Gebäudesektor nun in erster Linie auf Wärmepumpen gesetzt werden. „Das in der gebotenen Geschwindigkeit umzusetzen, bereitet entsprechende Probleme.“ Solarthermie auf Gebäuden spiele eine geringere Rolle. Hinzu kommen bei der Fernwärme mit Wasserstoff betriebene Gaspumpen.
Der hohe Anteil von Energieimporten, auf die Deutschland angewiesen ist, lasse sich nicht auf null reduzieren, betonte Renn. Daher sei eine Mehrfachstrategie nötig. Einerseits eine Europäisierung: Ein besserer Ausbau der Stromleitungsnetze könnte einen stärkerer Ausgleich innerhalb Europas ermöglichen. Bereits heute sei es in einem recht hohen Umfang möglich, Stromkapazitäten innerhalb der Länder bei Bedarf auszutauschen.
Die Bereitschaft in der Bevölkerung für größere Veränderungen im Energiesektor ist durch die Krise gewachsen.
Ortwin Renn, wissenschaftlicher Direktor Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS)
Der zweite Teil der Strategie sei Wasserstoff: Der größte Teil der importieren fossilen Energien wird laut dem Nachhaltigkeitsforscher voraussichtlich auf Wasserstoff übergehen. Wobei hier neue Exportländer ins Spiel kommen, etwa in Südamerika. Auch die Idee, Solarenergie im Norden Afrikas zu nutzen, erlebe wieder eine Renaissance – wenn die Energie als Wasserstoff per Schiff transportiert werden kann, statt verlustreich per Kabel.
Beim Aufbau der Wasserstoffnetze könne auch stark auf Diversität geachtet werden, damit keine zu großen Abhängigkeiten zu einzelnen Ländern entstehen. Wichtig sei, dass einzelne Länder bei Bedarf kurzfristig aus der Versorgung ausgeschlossen werden können, ohne dass unsere Energieversorgung zusammenbricht. Daher sollte kein Exportland mit mehr als zehn Prozent vertreten sein. „Wir sollten nicht in die gleichen Abhängigkeiten geraten wie zuvor.“
Positiv an der gegenwärtigen Energiekrise sei, dass durch sie die Zustimmung der Bevölkerung für die Energiewende angestiegen ist, so Renn mit Blick auf Befragungen des IASS. „Die Erkenntnis, dass wir nicht auf einer Insel der Glückseligen leben und der Klimawandel weiter voranschreitet, hat die Bereitschaft wachsen lassen, auch größere Veränderungen im Energiesektor zu akzeptieren“, sagte Renn.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de