„Hätte sie mich nicht so provoziert“: Ehemann bestreitet absichtliche Tötung von Zohra G. in Berlin-Pankow
© ullstein bild / snapshot-photography „Hätte sie mich nicht so provoziert“: Ehemann bestreitet absichtliche Tötung von Zohra G. in Berlin-Pankow
Gul A. soll seine Ehefrau ermordet haben, weil er sich in seiner „Ehre“ gekränkt fühlte. Nach fast sechsmonatiger Verhandlung bestritt der Afghane eine Absicht – und äußerte Bedauern.
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Gul A. redete bereits stundenlang in dem Prozess wegen Mordes. Über seine Flucht mit seiner Frau Zohra G. und den Kindern aus Afghanistan, über Stationen im Iran, in der Türkei, in Griechenland. Wenn es aber um den Kern – den Tod seiner Frau an einer Straßenkreuzung in Pankow – ging, brach er ab, griff sich an den Kopf, klagte über Schmerzen – es wirkte theatralisch. So ging es fast sechs Monate lang vor dem Landgericht. Bis Montag, dem 25. Tag.
„Ich habe etwas Dummes gemacht, es war keine Absicht“, erklärte der 43-Jährige. „Ich habe die Kontrolle verloren, ich bin auch nicht stolz darauf, ich schäme mich.“ Allerdings war seine Aussage nicht ohne Schuldzuweisungen. „Hätte sie mich nicht so provoziert, mich beleidigt, mir die Kinder vorenthalten“, sagte Gul A. und wirkte wieder einmal gequält. „Ich bin ein Versager“, jammerte er. „Ich wollte nur Kontakt wegen der Kinder.“ Er habe seine Frau nicht töten wollen und habe nicht mitbekommen, was genau geschah.
Er habe seine Frau „bestrafen“ wollen
Gul A. soll Zohra G., Mutter von sechs Kindern, umgebracht haben, weil er sich durch die von ihr erklärte Trennung und ihre eigenständige Lebensführung in seiner „Ehre“ gekränkt sah. Er habe seine Frau auch „bestrafen“ wollen, weil sie aus seiner Sicht mit anderen Männern Kontakte unterhielt und sie sich „seinen Vorgaben zur Lebensführung widersetzte“, heißt es weiter in der Anklage. Von einem Mord aus niedrigen Beweggründen geht die Staatsanwaltschaft aus.
Ein mutmaßlicher Femizid. Gul A., der nach Gewalt aus der gemeinsamen Unterkunft geflogen war, soll seiner getrennt von ihm lebenden Ehefrau aufgelauert haben. Am Vormittag des 29. April vorigen Jahres sei es zum Angriff gekommen. An der Mühlen- Ecke Maximilianstraße in Pankow soll Gul A. die 31-Jährige vor den Augen zahlreicher Passanten mit einem Messer attackiert, ihr mindestens 13 Stiche und Schnitte zugefügt, ihr dann die Kehle durchtrennt haben.
Er hatte Zohra G. 2008 in Afghanistan nach islamischem Recht geheiratet. Da war sie 17 Jahre. Es soll eine arrangierte Ehe gewesen sein, in der die Frau immer wieder Gewalt erfahren und ertragen habe. 2016 habe die Flucht aus Afghanistan begonnen. In Berlin bekam die Familie Unterkunft in einem Flüchtlingsheim in Pankow.
Seit sie in Deutschland lebte, soll sich Zohra G. zunehmend emanzipiert haben. Zweimal hatte sie in Berlin Strafanzeige gegen ihren Ehemann erstattet, weil er sie geschlagen und bedroht haben soll. Bei der Polizei soll sie erklärt haben, dass ihr erst im Deutschkurs bewusst geworden sei, dass sie sich nicht alles von ihrem Ehemann gefallen lassen müsse. Ihre Schwester soll ihr zur Trennung geraten haben – die Gewalttaten würden nicht aufhören.
Im Prozess werden auch zwei Fälle von Körperverletzung verhandelt – im Februar und März 2022 soll A. seine Frau geschlagen haben. Das Heim durfte er zuletzt nicht mehr betreten. Er soll seiner Frau nachgestellt haben. Zweieinhalb Wochen vor ihrem Tod stellte sie einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz. Eine Entscheidung war noch nicht ergangen. Der Tod von Zohra G. löste Kritik an Polizei und Behörden aus. Es sei bekannt gewesen, dass sie sich in Gefahr befunden habe.
Der Angeklagte sagte nun, er habe erst in die Scheidung einwilligen wollen, „wenn alles mit den Kindern geklärt ist“. Er halte sich an deutsches Recht. Dem Mann, den er für ihren Freund hielt, habe er erklärt: „Das sind meine Kinder.“ Gul A. behauptete weiter, er sei kurz danach von zwei Männern angegriffen worden. „Ich habe Angst bekommen, besorgte mir deshalb ein Messer zu meiner Verteidigung.“ Einige Tage später starb Zohra G. Der Prozess wird am 25. Mai fortgesetzt. Im Juli könnte es zum Urteil kommen.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de