Habecks Staatssekretär in der Kritik: Hat Graichen bei der Personalsuche getäuscht?
© REUTERS/MICHELE TANTUSSI Exklusiv Habecks Staatssekretär in der Kritik: Hat Graichen bei der Personalsuche getäuscht?
Der Energie-Experte wollte seinen Trauzeugen auf einen Chefposten hieven. Noch schweigt das Wirtschaftsministerium über wichtige Details.
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Trotz Vorwurfs der Vetternwirtschaft steht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu seinem Staatssekretär Patrick Graichen. „Ich habe Staatssekretäre, die etwas bewegen wollen. Und da bin ich stolz drauf“, sagte er jetzt der „Welt am Sonntag“.
Wie genau Graichen da etwas bewegte und welcher Mittel er sich bediente – dazu bleibt Habecks Ministerium bisher Antworten schuldig. Der Spitzenbeamte hatte sich als Mitglied einer dreiköpfigen „Findungskommission“ für einen Kandidaten als neuen Geschäftsführer der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (Dena) ausgesprochen, der zugleich sein privater Freund und Trauzeuge ist: Michael Schäfer, vormals beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Der Dena-Job ist mit einem sechsstelligen Gehalt dotiert.
Die Rede ist von „Fehlern“, die „geheilt“ werden müssen
Nachdem Graichen die private Verbindung am 24. April gegenüber Habeck gestanden hatte und sie ein paar Tage später amtlich bekannt gemacht wurde, ist von einem „Fehler“ die Rede, der „geheilt“ werde. Die Dena beginnt derzeit neu mit der Personalfindung. Schäfer wird dabei voraussichtlich wenig Chancen haben.
Minister Habeck war bis zum 24. April 2023 nicht bekannt, dass Michael Schäfer und Patrick Graichen eng befreundet sind und Michael Schäfer der Trauzeuge war.
Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums
Wie verhielt sich Graichen bei der Diskussion um die Personalie? Klar ist bisher nur, dass Schäfer einer von 18 Bewerbern war, die sich auf die Ausschreibung der Stelle gemeldet hatten. Ein beauftragter Personaldienstleister sortierte sieben davon aus und legte die übrigen Vorschläge der „Findungskommission“ vor.
Die bestand neben Patrick Graichen aus dem Parlamentarischen Staatssekretär Stefan Wenzel, zugleich Dena-Aufsichtsratschef, sowie einem Referatsleiter aus dem Ministerium. Als Gast wurde die zweite Dena-Geschäftsführerin Kristina Haverkamp dazu gebeten.
Wie brachte er seinen – mutmaßlichen – Favoriten durch?
Personaldienstleister und die Kommission haben dann sechs Bewerber ausgewählt, so teilt es Habecks Ministerium mit. Die „Findungskommission“ lud sie alle am 10. März zum Gespräch, darunter war auch Michael Schäfer. Dieser sei danach zum „Kandidaten mit der besten Qualifikation“ erklärt worden. Einstimmig, hieß es. Zwei Tage später habe die Kommission ihr Votum dann ausdrücklich bestätigt.
Wie brachte Graichen seinen – mutmaßlichen – Favoriten durch? Es fällt auf, dass aus dem Ministerium viel von Fehlern, Bedauern und Neuanfängen verlautet wird, jedoch wenig über die Gespräche in der Kommission. Konnten die Beteiligten ahnen, dass mit Graichen und Schäfer ziemlich gute Freunde aufeinandertrafen?
Das Geständnis gegenüber Habeck kommt erst Ende April
Staatssekretär Wenzel, so das Ministerium, habe erst am 27. April erfahren, dass Schäfer Graichens Trauzeuge war. Also drei Tage nach dem Geständnis des Staatssekretärs bei Habeck.
Hat Graichen seinen Freund bei dem Bewerbungsgespräch mit dem vertrauten „Du“ angeredet? Wurde die enge Beziehung zwischen den beiden im Gremium thematisiert? Zur „Form der Ansprache“ lägen keine Informationen vor, sagt eine Sprecherin. Es sei, mit Ausnahme Graichens, in der Kommission „nicht bekannt gewesen, dass Herr Schäfer Trauzeuge von Patrick Graichen war“.
Das mag zwar so gewesen sein. Es schließt aber nicht aus, dass den Beteiligten schon anhand des Gesprächsverlaufs klar wurde, dass sich hier mindestens gute Freunde begegneten – ein Umstand, der die Neutralität der Personalwahl eingetrübt hätte.
Oder hat Graichen gar getrickst und Schäfer mit „Sie“ angesprochen? Oder die direkte Anrede bewusst vermieden, um die persönliche Nähe zu verschleiern? Das Ministerium lässt diese Fragen unbeantwortet. Es sei kein Wortlautprotokoll gefertigt worden, wird mitgeteilt.
Auch Staatssekretär Wenzel kannte den Bewerber bereits
Hinweise auf so ein Verhalten gibt jedoch ein aktueller Bericht des „Spiegel“, in dem es heißt: „Dem Vernehmen nach hielt sich Graichen in dem Interview mit Schäfer eher zurück und ging förmlich mit ihm um“. Dann wird Graichen damit zitiert, es sei ihm darum gegangen, dass sich die Mitglieder der Findungskommission „ihr eigenes Bild von Schäfer machten“.
6Bewerber hat die „Findungskommission“ für den Dena-Job zum Gespräch gebeten.
Die angebliche Förmlichkeit im Bewerbergespräch könnte im Rückblick wie eine Täuschung wirken – wenn wirklich sonst niemand in der Kommission wusste, dass Graichen und Schäfer Freunde sind. Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass Staatssekretär Wenzel, der Schäfer vor der Bewerbungsrunde am 10. März laut Ministerium ebenfalls schon einmal persönlich begegnet war, Vorkenntnisse mitbrachte. Das Ministerium stellt nur auf das Wissen um die Trauzeugenschaft und die „darin begründete besonders enge Freundschaft“ ab. Ob Wenzel überhaupt um eine Freundschaft der beiden wusste, ist bisher offen.
Wortlautprotokolle bedürfte es keiner, um Auskünfte zu erteilen. Wie es aussieht, kann Graichen sein Vorgehen, wie gegenüber dem „Spiegel“, sogar erklären – aber wohl nur, wenn er die Kontrolle behält. So heißt es auch in einem Artikel der „Zeit“: „Pressekonferenz oder Interviews will er nicht geben, aber er nimmt sich Zeit für ein Hintergrundgespräch“. Das sei „die Art von Unterhaltung, bei der kein Aufnahmegerät mitläuft und aus der nur mit Erlaubnis zitiert werden darf.“
Jedoch steht die Transparenz über sein Vorgehen nicht zur Disposition des Staatssekretärs. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind alle drei Kommissionsmitglieder als Beschäftigte des Bundesministeriums verpflichtet, ihr „präsentes dienstliches Wissen“ über die Vorgänge zu offenbaren. Eine Abfrage hält man dennoch für unnötig. Welche Anredeform verwendet wurde, könne „dahinstehen“, so das Ministerium; der „Fehler“ – Graichens unterbliebener Rückzug aus der Kommission – sei da ja schon passiert.
Tatsächlich würde aber erst bei einer Auskunft klarer, zu welchen Mitteln und Methoden der nach Ansicht seines Ministers unentbehrliche Staatssekretär greift, um seine Ziele durchzusetzen. Auch solche der Täuschung? Habeck beschreibt Graichen als „robusten Politiker“. Zumindest daran besteht kein Zweifel.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de