Gibt es einen spezifisch deutschen Antisemitismus?: „Eine kollektive Krankheit, die in Wellen kommt und geht“

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Gibt es einen spezifisch deutschen Antisemitismus?: „Eine kollektive Krankheit, die in Wellen kommt und geht“

© picture alliance/dpa/Carsten Koall

Der Nachfahre der Familie Mendelssohn-Bartholdy, der Historiker Julius H. Schoeps, spricht im Interview über den Unterschied zwischen Israelkritik und Antisemitismus und seinen Weg als deutscher Jude.

Von Jan Kixmüller

Herr Schoeps, als Nachfahre einer deutsch-jüdischen Familie sagen Sie, die deutschen Juden hätten am Vorabend des Nationalsozialismus die heraufziehende Gefahr verkannt. Sind wir heute wieder an einem solchen Punkt?
Vieles, was sich heute anbahnt, hat Ähnlichkeiten mit den Geschehnissen vor und nach 1933. In meinem Buch „Düstere Vorahnungen“ aus dem Jahr 2021 habe ich mich bemüht, die damaligen Ereignisse zu beschreiben. Das antijüdische Klima heute weist Ähnlichkeiten mit der damaligen Situation auf. Unsere Gesellschaft hat keine wirklichen Antworten darauf, wie dem zu begegnen ist. Das ist das Problem. Man würde viel lernen, wenn man sich intensiver mit der Situation vor und nach 1933 beschäftigen würde.

Immerhin gab es in Deutschland nach dem Angriff der Hamas eine starke Solidarität mit Israel.
Das ist richtig. Anfangs gab es diese Solidarität. Es sind aber in diesem Zusammenhang noch einige andere Aspekte zu berücksichtigen, so etwa die begangenen Gräuel in der NS-Zeit und das damit verbundene schlechte Gewissen. Dessen ungeachtet müssen wir bei der Beurteilung der heutigen Geschehnisse zwischen dem erstarkenden Antisemitismus und der Kritik am Vorgehen des Staates Israel im Gazastreifen unterscheiden. Dies geschieht meistens nicht, gegenwärtig geht alles ineinander über. Man kritisiert das militärische Vorgehen Israels, attackiert aber gleichzeitig die Juden hier und andernorts.

Für die junge Generation ist der Holocaust Steinzeit.

Julius H. Schoeps, Historiker und Politikwissenschaftler.

Michel Friedman hat unlängst gesagt, Deutschland habe sein Versprechen „Nie wieder“ gebrochen. Hat er recht?
Na ja. Ich würde dem nur bedingt zustimmen. Man weiß um die Verbrechen der Vergangenheit. Aber für manche unserer Zeitgenossen ist es zugegebenermaßen schwierig, die Entwicklungen richtig zu bewerten. Deutschland hat für das, was sich heute im Nahen Osten ereignet, eine gewisse Mitverantwortung.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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