Erste Gerichtsverhandlung dieser Art: Beschleunigtes Verfahren gegen Klimaaktivisten in Berlin gescheitert

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Erste Gerichtsverhandlung dieser Art: Beschleunigtes Verfahren gegen Klimaaktivisten in Berlin gescheitert

© IMAGO/Daniel Kubirski Erste Gerichtsverhandlung dieser Art: Beschleunigtes Verfahren gegen Klimaaktivisten in Berlin gescheitert

Am Dienstag beschloss das Amtsgericht Tiergarten nach der Anhörung des ersten Zeugen, ein Normalverfahren zu führen. Es müssen weitere Zeugen befragt werden, so die Richterin.

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Erstmals verhandelte das Amtsgericht Tiergarten im Fall eines Klimaaktivisten in einem beschleunigten Verfahren. Die Richterin entschied: In dem Fall geht es nicht.

Auf Tempo wollte die Staatsanwaltschaft drücken angesichts der vielen Verfahren gegen Klimaaktivisten. Doch das erste beschleunigte Verfahren am Amtsgericht Tiergarten scheiterte am Dienstag nach knapp drei Stunden.

„Nicht geeignet für ein beschleunigtes Verfahren“, entschied die Vorsitzende Richterin. Ein Test sei es gewesen – „aber in dieser Sache geht es nicht“.

Es stockte von Anfang an in der Verhandlung gegen einen 35-Jährigen aus Regensburg. Der Student, der sich im November vorigen Jahres in Friedrichshain an einer Blockade-Aktion der Gruppe Letzte Generation beteiligt haben soll, hatte drei junge und sehr engagierte Verteidiger an seiner Seite. Die Personalien des Angeklagten waren noch nicht erörtert, da zog eine Anwältin den ersten Antrag aus der Tasche und rügte die Zuständigkeit des Gerichts.

Der Berliner Staatsanwalt liegen mehr als 2100 Verfahren gegen Klimaaktivsten vor

Beschleunigte Verfahren sind für einfache Fälle mit klarer Beweislage und einem Geständnis gedacht. Eine Strafe, die beispielsweise im Fall eines Ladendiebs „auf dem Fuße“ folgt. Die Berliner Staatsanwaltschaft, die inzwischen bereits mehr als 2100 Verfahren gegen Klimaaktivisten auf den Tisch bekommen hat, will vermehrt in beschleunigten Verfahren verhandeln. Dazu muss jeweils ein Antrag beim Amtsgericht Tiergarten gestellt werden – 25 sind es bislang.

Für die Verteidiger von Julian L., der nun schweigend auf der Anklagebank saß, steht fest: „Die Berliner Justiz beugt sich Wünschen der Politik, die eine Aburteilung von Klimaaktivisten wünscht.“ Fünf Mal beantragten die drei Anwälte die Aussetzung oder Einstellung des Verfahrens.

Amtsgericht Tiergarten schafft organisatorische Voraussetzungen

Es soll schneller gehen in Sachen Klimaaktivisten. Dafür hat das Amtsgericht Tiergarten die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen und seinen Geschäftsverteilungsplan angepasst. Bis zu fünf Richterinnen und Richter könnten sich künftig mit diesen Anträgen der Staatsanwaltschaft schwerpunktmäßig befassen. Bislang sind es zwei.

Eine von ihnen ist Richterin Lola Petersen, die nun im ersten Berliner beschleunigten Verfahren gegen einen Klimademonstranten entscheiden musste. Eine junge Richterin, die souverän die Flut der Anträge der Verteidiger entgegennahm.

Ihre Zuständigkeit wurde gerügt – „defacto wurde ein Ausnahmegericht geschaffen“, so der erste Vorwurf der Verteidigung, ein unzulässiges „Sondergericht“. Auch habe es keine rechtzeitige Akteneinsicht gegeben – „eine erhebliche Einschränkung der Rechte des Beschuldigten“. Der Sachverhalt sei weder einfach noch klar. Die Staatsanwältin sah es bis zum Schluss anders.

Generell gilt für beschleunigte Verfahren, in dem eine vereinfachte Beweisaufnahme erfolgt: Die Richter können in jedem Fall bis zum Ende entscheiden, ob sich der Fall überhaupt für einen Eil-Prozess eignet oder der Fall in einer normalen Verhandlung zu klären ist.

In der Berliner Justiz gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, ob Straßenblockaden von Klima-Demonstranten den Straftatbestand der Nötigung erfüllen. Das Landgericht machte kürzlich deutlich, dass es bei der Bewertung auf die konkreten Folgen und das Ausmaß der jeweiligen Blockade ankommt.

Im Fall des 35-Jährigen gibt es ein Video in der Akte. Einen Polizeibeamten befragte die Richterin als Zeugen. Doch wie lange alles dauerte, wer betroffen war, wie eine Umleitung erfolgte – das alles konnte er nicht beantworten. Weitere Zeugen müssten gehört werden, so die Richterin und setzte die Verhandlung aus. Als normales Verfahren wird der Fall nun zu einem späteren Zeitpunkt neu aufgerollt.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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