Ein Jahr lang 20 Prozent weniger: Berlin kürzt grünem Ex-Bürgermeister von Dassel Ruhegehalt – der klagt
© dpa / Jörg Carstensen Exklusiv Ein Jahr lang 20 Prozent weniger: Berlin kürzt grünem Ex-Bürgermeister von Dassel Ruhegehalt – der klagt
Stephan von Dassel wurde im September als Bezirksbürgermeister von Mitte abgewählt. Das Ergebnis des von ihm beantragten Disziplinarverfahrens will er nicht hinnehmen.
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Statt mehr als 7100 Euro im Monat sollen es ein Jahr lang rund 5800 Euro monatlich sein – mit diesem Ergebnis hat die Berliner Senatskanzlei das Disziplinarverfahren gegen den früheren Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel (Grüne) abgeschlossen.
Nach einer Postenaffäre für einen Parteivertrauten, wegen der von Dassel im September von der Bezirksverordnetenversammlung abgewählt worden war, und wegen eines Dienstvergehens soll sein Ruhegehalt für ein Jahr um 20 Prozent gekürzt werden. Diese Disziplinarmaßnahme hat die Senatskanzlei verhängt.
Von Dassel, seit März Bezirksverordneter in Mitte, will das nicht akzeptieren, er klagt. Das sowie die verhängte Disziplinarmaßnahme bestätigte ein Sprecher des Verwaltungsgerichts dem Tagesspiegel. Die Senatskanzlei wollte sich „aus Datenschutzgründen“ nicht äußern. Von Dassel ließ Anfragen unbeantwortet.
Ich bin davon überzeugt, dass ich von allen Vorwürfen reingewaschen werde.
Stephan von Dassel (Grüne) am Tag seiner Abwahl im September 2022
Noch am Tag seiner Abwahl am 8. September 2022 hatte von Dassel erklärt: „Mir ist es sehr wichtig, dass das Disziplinarverfahren zu einem Ergebnis kommt. Ich bin davon überzeugt, dass ich von allen Vorwürfen reingewaschen werde.“
Zudem hatte sich der Grünen-Politiker damals von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit den Worten zitieren lassen, dass er Ergebnis des von ihm bei der Senatskanzlei beantragten Disziplinarverfahrens in jedem Fall veröffentlichen werde, „egal, was drin steht“.
Statt das Ergebnis zu veröffentlichen, schaltete er einen Medienrechtsanwalt ein
Geschehen ist nichts. Stattdessen hatte er in diesem Frühjahr mithilfe eines prominenten Medienrechtsanwalts den Tagesspiegel zwei Mal aufgefordert, mehrere Berichte auf tagesspiegel.de zur Postenaffäre des Grünen-Politikers zu löschen.
Wäre von Dassel zurückgetreten, hätte er seine Ansprüche aus seiner Zeit im Bezirksamt verloren. Seit 2009 war er zunächst Stadtrat und seit 2016 Bezirksbürgermeister. Durch die Abwahl bleibt er üppig versorgt: Er bekommt bis zum Ende der regulären Wahlperiode und damit seiner ursprünglichen Amtszeit, für die von Dassel Ende 2021 ursprünglich bis Herbst 2026 gewählt wurde, weiter 71,75 Prozent seiner bisherigen Bezüge.
Da er als Bezirksbürgermeister nach Besoldungsstufe B6 mit damals 9994,91 Euro bezahlt wurde, bekäme er für vier Jahre 7171 Euro im Monat – insgesamt also rund 344.000 Euro. Sollten die Gerichte die Disziplinarmaßnahme bestätigen, wären es nach der alten Besoldung für ein Jahr 1434 Euro pro Monat und insgesamt rund 17.000 Euro weniger. In den vier Jahren käme er aber immer noch auf rund 327.000 Euro.
Hier ist aber noch nicht der weitere Anstieg der Besoldung berücksichtigt. Bei der Stufe B6 sind es nun 10.274,77 pro Monat, für von Dassel wären es 7372 Euro im Monat, mit der Kürzung ein Jahr lang 5898 Euro monatlich.
Nach 2026 steht von Dassel ein Ruhegehalt zu, er hat Anspruch auf fast 45 Prozent – knapp 4500 Euro im Monat. Allerdings steigt die Besoldung mit den Jahren, damit auch die aktuellen Bezüge und die Pension.
Von Dassel wollte einen Partei-Vertrauten auf Posten heben
Von Dassel wurde vorgeworfen, einem unterlegenen Bewerber für die zentrale Steuerungsstelle des Bezirksamtes privat Geld geboten haben, damit dieser seine Konkurrentenklage fallen lässt. Profitiert hätte der zuvor von einer Kommission ausgewählte Kandidat, der auch im Kreisvorstand der Grünen in Mitte saß und als politischer Vertrauter von Dassels galt.
Strittig ist die Interpretation eines SMS-Verlaufs mit dem unterlegenen Bewerber. Von Dassel sprach später von einer „unbedachten Formulierung“, von einer Dummheit. Allerdings bestritt er stets vehement, dem Bewerber privat eine „konkrete Geldzahlung“ angeboten zu haben. Er sei „zu keinem Zeitpunkt bereit“ gewesen, privat eine Summe zu zahlen. Er habe aber „nur das Beste für den Bezirk und das Land Berlin“ gewollt.
Es ging um drei Monatsgehälter
Der Bewerber, aber auch andere Bezirkspolitiker sahen das anders. Von Dassel hatte mit dem unterlegenden Bewerber über eine Vereinbarung verhandelt. Doch das Rechtsamt intervenierte und lehnte eine „außergerichtliche Einigung aus haushalterischen Gründen“ ab.
Das schrieb von Dassel dem Bewerber per SMS. Und er fragte: „Wären Sie auch zu einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen uns als Privatpersonen analog den skizzierten Rahmenbedingungen bereit?“
Diese Rahmenbedingungen hatten von Dassel und der Bewerber nach übereinstimmenden Angaben zuvor per Telefon für den später gescheiterten öffentlich-rechtlichen Vergleich besprochen.
Es ging um drei Monatsgehälter für eine Stelle der Besoldungsstufe A15 – also mindestens 16.000 Euro. Erst als der Kläger noch einmal nachfragte, ging von Dassel offenbar ein Licht auf. Er bemerkte den Fehler und brach den SMS-Verkehr ab.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de