Die Union wirbt für mehr Patriotismus: Kann das funktionieren?
© IMAGO/Rolf Poss/Rolf Poss via www.imago-images.de/Bearbeitung: TSP Die Union wirbt für mehr Patriotismus: Kann das funktionieren?
Laut CDU/CSU soll Patriotismus Verbundenheit zum eigenen Land und die Wertschätzung von Kultur, Geschichte und demokratischen Werten betonen. Drei Expert:innen diskutieren.
Die CDU/CSU-Fraktion will „Verfassung und Patriotismus als verbindendes Band stärken“ und den „Tag des Grundgesetzes am 23. Mai als Gedenktag aufwerten“. Doch wird es der Partei gelingen? Das erklären uns drei Expert:innen. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.
Die Union betreibt Symbolpolitik
Maria Fiedler ist stellvertretende Leiterin im Hauptstadtbüro des Tagesspiegels und beobachtet die Union. Sie sagt: Der Antrag von CDU und CSU springt zu kurz – und beinhaltet dennoch einen wichtigen Punkt.
Die Idee sorgte für Schlagzeilen: Ein „Bundesprogramm Patriotismus“ forderte die Unionsfraktion. Sie will die Sichtbarkeit der Flagge im öffentlichen Raum erhöhen und dafür sorgen, dass die Nationalhymne häufiger bei offiziellen Anlässen gesungen werden kann. Damit wollen CDU und CSU der Polarisierung im Land entgegenwirken und auch „hierzulande lebende Ausländer“ ansprechen. Man wolle das Thema nicht den „gesellschaftlichen Rändern“ überlassen, hieß es.
Bei dem Antrag geht es der Union offenbar um Symbolpolitik – darum, sich für konservative Wähler attraktiv zu halten. Der Antrag springt aber zu kurz. Es ist zweifelhaft, ob Fahne und Hymne allein bereits positive patriotische Gefühle fördern.
Trotzdem macht die Union einen Punkt: Ein positiver Bezug zum eigenen Land kann dazu beitragen, dass sich Menschen für das Gemeinwohl engagieren. Gemeinsame Werte und eine geteilte Erzählung können Deutschland helfen, neue Bürger zu integrieren. Es würde sich lohnen, darüber zu diskutieren, wie ein moderner Patriotismus für ein Einwanderungsland aussehen könnte.
Das Kikeriki der Deutschlandliebe
Andreas Püttmann ist ein konservativer Publizist und Politikwissenschaftler. Er sagt: Wenn eine C-Partei den Patriotismus als Kassenschlager entdeckt, kann das als Rohrkrepierer enden.
Der beste Patriotismus ist der, den man hat, ohne dauernd davon zu reden. Man lebt ihn praktisch: durch Bürgerloyalität, Rechtsgehorsam, Interesse am Gemeinwohl, Wahlbeteiligung, Steuerehrlichkeit, Opferbereitschaft, Solidarität mit Schwächeren, Nachsicht für fehlbare Politiker, Widerstand gegen extremistische Hetze und imperialistische Bedrohung von außen.
Die am lautesten nach mehr Patriotismus rufen, haben oft wenig von alldem. Am penetrantesten erklingt das Kikeriki der Deutschlandliebe ausgerechnet aus der „Partei Moskaus“. Ein Christ sollte wissen: Die Vaterlandsliebe ist zwar „Dankespflicht“ (Weltkatechismus), im Ranking der Tugenden aber bei Weitem nicht die höchste.
Zudem kann sie schrecklich entarten. Es befremdet, wenn die Werte-Rhetorik einer C-Partei statt christlicher Ideale den Patriotismus als Kassenschlager entdeckt – wie übrigens schon 2004 CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer. Damals ein Rohrkrepierer. Es stünde der Partei besser, in turbulenten Zeiten die „wehrhafte Demokratie“, sozialen Zusammenhalt und Anstand gegen die grassierende Verrohung zu propagieren.
Partei mit völkischen Ressentiments
Rebecca Pates ist Professorin an der Uni Leipzig. Sie forscht zum Zusammenhalt der Gesellschaft und Demokratie. Sie sagt: Nur durch Fahne-Schwenken holt man AfD-Wähler nicht zurück.
Konservative Parteien scheitern mit ihren Versuchen, durch Patriotismus fördernde Maßnahmen Wähler von rechtspopulistischen oder rechtsextremen Parteien abzuwerben. AfD und Co. stehen für einen ethnischen, abstammungsbasierten Nationalismus, der klar definiert, wer nicht dazugehört. Für die CDU wird es schwer, Patriotismus ohne diesen unschönen Nationalismus zu fördern.
Zudem verkennt diese Strategie die Gründe, warum Menschen AfD wählen: Die Partei verleiht völkischen Ressentiments Ausdruck. Viele ihrer Wähler fühlen sich durch Globalisierung und Modernisierung abgehängt und vom politischen System nicht repräsentiert. Nur durch Fahne-Schwenken holt man diese Menschen nicht zurück.
Nichtsdestotrotz sind bestimmte Formen des Nationalismus tatsächlich notwendig für einen funktionierenden Staat. Es gibt nämlich einen Zusammenhang zwischen dem Zugehörigkeitsgefühl zu einem größeren Ganzen und dem Willen, etwas zu dieser Allgemeinheit beizutragen – darunter fallen Steuern zahlen und sich an Gesetze halten.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de