„Der schlimmste Tag meines Lebens“: Die Gründe für das Scheitern des Oliver Kahn
© IMAGO/Lackovic „Der schlimmste Tag meines Lebens“: Die Gründe für das Scheitern des Oliver Kahn
Oliver Kahns Rauswurf war dilettantisch. Gleichsam machte er Sinn. Sein Einzelgängertum wurde ihm in dieser Position zum Verhängnis.
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Auf dem Platz konnte für den Ausnahmetorwart Oliver Kahn der Druck, auch wenn er das später ein bisschen revidierte, nicht groß genug sein. Kahn, der Titan, so sein Beiname. Er hatte definitiv etwas von einer Heldenfigur. Nahezu unbezwingbar war er in seinen großen Spielen, von denen es etliche gegeben hat. Doch auf dem Platz, das musste Kahn in diesen Monaten und Wochen erfahren, ist etwas ganz anderes als daneben. Dort nämlich ist Kahn furchtbar gescheitert.
Am Freitag war er vom Aufsichtsrat des FC Bayern darüber informiert worden, dass er nach zwei Jahren an oberster verantwortlicher Stelle abberufen wird. Beim letzten Saisonspiel in Köln, bei dem die Münchner den Titel holten, war Kahn nicht mehr dabei. Der FC Bayern vermeldete, dass Kahn grippekrank war.
Die späteren Aussagen von Kahn passten aber nicht dazu. „Ich würde gerne mit euch feiern, aber leider kann ich heute nicht bei euch sein, weil es mir vom Klub untersagt worden ist“, veröffentlichte er auf Twitter. Es war schon sehr dilettantisch, wie der Klub mit der Personalie umging. Dem Bezahlsender Sky sagte Kahn dann noch: „Das war der schlimmste Tag meines Lebens, es mir zu nehmen, mit den Jungs zu feiern.“
Das soll schon was heißen. Bisher galt verbrieft, dass der 30. Juni 2002 der dunkelste Tag im Leben des super-ehrgeizigen Oliver Kahn war und wohl für immer bleiben sollte. An jenem Nachmittag in Yokohama war er maßgeblich an der Niederlage der Deutschen im WM-Finale beteiligt, als er beim 0:1 schwer patzte. Das Bild, Kahn leidend ganz alleine am Torpfosten nach dem Abpfiff, hatte sich eingebrannt in die kollektive Gedächtnis der Fußballnation Deutschland.
Torhüter und Linksaußen seien besonders schwierige Charaktere, heißt es. Das mag Unsinn sein. Im Falle von Kahn steckt aber ein Funken Wahrheit darin. Schon als Spieler galt er als Einzelgänger, was auch die Position des Torwarts mit sich bringt. Besonders beliebt war Oliver Kahn in der Kabine aber vor allem deshalb nicht, weil sein Ehrgeiz die anderen nerven konnte. Auf der anderen Seite war Kahn mit seiner Einstellung prädestiniert für den schwer ambitionierten FC Bayern.
Aber während es für ihn als Spieler darum gegangen war, sein Tor sauber zu halten, sollte er in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender den Klub moderieren: Stimmungen wahrnehmen, deuten und die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Doch dafür war Kahn viel zu weit weg von der Mannschaft und auch von allen anderen im Klub.
Kahn war wohl, wie die „Süddeutsche Zeitung“ aus München schrieb, „zu kühl und unnahbar in der Führung, zu wenig greifbar für die Belegschaft; abgeschottet von Beratern und vernarrt in sein Business-Sprech“. Es war wie früher: Kahn, der Einzelgänger.
Wie zu hören ist, soll nun der frühere Chef Karl-Heinz Rummenigge helfen, die Lücke von Kahn und dem ebenfalls abberufenen Hasan Salihamidzic auszufüllen. Damit dürfte auch der Einfluss des Ehrenpräsidenten Uli Hoeneß wieder größer werden. Hoeneß verkörpert mehr als alle anderen die Mentalität des Klubs. Die besagt, dass der Erfolg an oberster Stelle steht, aber eben auch, dass es trotzdem menscheln muss. Ziemlich sicher scheiterte Oliver Kahn genau daran.
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de