Brandbrief an Berliner Senat : Überlastung und Gewaltvorfälle – Kindernotdienst warnt vor Zusammenbruch
© Kitty Kleist-Heinrich TSP Brandbrief an Berliner Senat : Überlastung und Gewaltvorfälle – Kindernotdienst warnt vor Zusammenbruch
In einem Brandbrief schildern Mitarbeitende des Kindernotdienstes Berlin alarmierende Zustände in der Einrichtung. Kinder seien dort monatelang, Gewalt sei an der Tagesordnung.
Von Amelie Sittenauer
In einem Brandbrief an Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner und Familiensenatorin Katharina Günther-Wünsch haben Mitarbeitende des Kindernotdienstes erneut alarmierende Zustände in der Einrichtung geschildert. „Unter unserem eigenen Dach kommt es regelmäßig zu Kindeswohlgefährdungen“, heißt es in dem vierseitigen Dokument, das am Mittwoch veröffentlicht wurde. Durch strukturelle Überlastungen stehe der Kindernotdienst vor dem Zusammenbruch, der Kinderschutz könne nicht mehr sichergestellt werden.
Die Rede ist von schwer traumatisierten Kindern, die wegen fehlender Angebote statt weniger Tage monatelang im Kindernotdienst Berlin verbringen müssen. Die Frustration und Verzweiflung führe zu Selbst- und Fremdverletzungen, zu körperlichen und sexualisierten Übergriffe. Darunter würden vor allem jüngere schutzbedürftige Kinder leiden. Teilweise würden sich diese bewaffnen. „Polizei und Rettungsdienste sind Dauergäste im Kindernotdienst“, heißt es in dem Brief.
Der Notdienst fordert nun umfassende Maßnahmen für eine bedarfsgerechte Versorgung: unter anderem eine sofortige zweite Gruppe in dem Kindernotdienst, mehr sowie adäquate Krisen- und Folgeangebote. Andernfalls sei ein Vorfall wie in Freudenberg nicht auszuschließen. Im März hatten dort ein 12- und 13-jähriges Kind ein die 12-jährige Luise getötet. So heißt es: „Wir sagen an dieser Stelle in aller Deutlichkeit, dass dazu nicht mehr viel fehlt. Sei es durch Fehleinschätzungen aufgrund unzureichenden Personals, sei es durch Selbstverletzung oder körperliche Übergriffe.“
Seit März 2022 habe man den Senat, die bezirklichen Jugendämter und Kooperationspartner über die Situation des Kindernotdienstes regelmäßig informiert. Doch trotz zahlreicher Versuche in Medien und Politik auf die Gefährdungen im Kindernotdienst aufmerksam zu machen, sei es nur zu einer weiteren Zuspitzung gekommen. „Ergriffene Maßnahmen zielen lediglich darauf ab, den Kindernotdienst an die vielen Eskalationen und die unverhältnismäßigen und rechtswidrig langen Aufenthalte anzupassen.“
Der Kindernotdienst ist die zentrale Kriseninterventionseinrichtung des Landes Berlin außerhalb der Öffnungszeiten der bezirklichen Jugendämter. Vorgesehen ist, dass Kinder hier wenige Tage verbringen, bis sie ein passendes Angebot der öffentlichen Jugendhilfe erhalten. Auch berät der Kindernotdienst Familien in Krisen.
- Kai Wegner
- Senat
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de