Betroffene fühlen sich überrumpelt: Berliner Obdachlosen-Treff „Warmer Otto“ soll geschlossen werden
© Sascha Steinach/dpa Betroffene fühlen sich überrumpelt: Berliner Obdachlosen-Treff „Warmer Otto“ soll geschlossen werden
Seit 38 Jahren gibt es in Berlin-Moabit eine Tagesstätte für Obdachlose. Bereits am Freitag soll sie schließen. Die Empörung ist groß.
Seit 38 Jahren ist der „Warme Otto“ täglich eine Anlaufstätte für Obdach- und Wohnungslose in Berlin. Die Tagesstätte in Moabit, die von der Stadtmission betrieben wird, hatte selbst zu Coronazeiten nicht geschlossen. Doch jetzt ist Schluss, die Einrichtung soll am Freitag geschlossen werden.
Die Stadtmission begründet die Entscheidung damit, dass die Räumlichkeiten „den gewachsenen fachlichen und rechtlichen Anforderungen nicht mehr gerecht werden“. Sie will mit dem Bezirk Mitte “nach einem neuen Standort und geeigneten Räumlichkeiten suchen, um einen möglichst zeitnahen Neustart des ,Warmen Otto’ an einem geeigneten Ort zu ermöglichen”.
Bei den Betroffenen ist die Empörung groß, weil sie nach eigenen Angaben von der Entscheidung völlig überrumpelt wurden und erst kurzfristig davon erfahren hatten. In einer Presseerklärung teilt die Arbeitsgemeinschaft Berliner Obdachlosen-Tagesstätten (AGBW) mit, „dass die kurzfristige Schließung für unzählige Stammgäste den Verlust eines Stücks Heimat bedeutet“.
Langjährige Beziehungen zu den Sozialarbeitern würden zerstört. Angefangene Beratungsprozesse könnten nicht mit angemessener Fachlichkeit beendet werden. „Hunderte von Betroffenen haben eine Postadresse im ,Warmen Otto’. Bei einer so kurzfristigen Schließung könnten Änderungen der Postadresse (zum Beispiel bei Jobcentern, Sozialämtern, Krankenkassen etc) nicht umgesetzt werden.“
Dies hätte zur Folge, dass gegebenenfalls Sanktionen erfolgen, weil Briefe den Leistungsempfängern nicht mehr zugestellt werden könnten. „Erschwerend kommt hinzu, dass es nur wenige Einrichtungen gibt, welche die Möglichkeit einer postalischen Erreichbarkeit anbieten.“ Andere Tagesstätten würde überlastet, wenn der „Warme Otto“ als Anlaufstelle wegfiele.
Die AGBW weist zwar darauf hin, dass die Stadtmission in alternative Einrichtungen vermittelt werden sollen und von einem zeitnahen Neustart an einem anderen Ort rede. Doch aus Sicht der AGBW „besteht für eine kurzfristige Schließung innerhalb von 14 Tagen keine Notwendigkeit.“
Räumlichkeiten sind "nicht super optimal"
Für Kay Oeynhausen, der im Namen zahlreicher Betroffenen Stellung nimmt, ist die Begründung der Stadtmission „an den Haaren herbei gezogen“. Er räumt zwar ein, „dass die Räumlichkeiten nicht super optimal“ seien. „Die Räume befinden sich aber seit vielen Jahren mehr oder weniger im gleichen Zustand und nicht erst seit Tagen oder Wochen.“
© Mike Wolff
Die Stadtmission habe mitgeteilt, dass der „Warme Otto“ bald an einem anderen Ort öffnen soll. „Als ein möglicher Standort wurde der Alexanderplatz genannt. Der neue Laden muss also erst gefunden und dann auch noch hergerichtet werden. Dies wird wenigstens Monate dauern. Auch wollen die meisten von uns nicht zum Alex umziehen. Dieser ist weit weg und ein aggressiver Brennpunkt.“
Die Betroffenen hätten nichts gegen einen neuen Standort und besseren Räumlichkeiten. „Eine Aufgabe des Standortes kann aber erst erfolgen wenn ein neuer Ort zur Verfügung steht. Für viele von uns ist der ,Warme Otto’ ein Zuhause. Hier ist unser Ort zum Ausruhen. Hier treffen wir Freunde. Hier schützen wir uns tagsüber vor der Kälte. Eine Schließung trifft uns hart.“ Deshalb hätten bereits einige Hundert Betroffene eine Protesterklärung unterschrieben.
Stadtmission hat Verständnis für den Frust der Betroffenen
Die Stadtmission hat Verständnis für den Frust der Betroffenen. In einer Pressemitteilung schreibt sie: “Die Schließung dieser etablierten Anlaufstelle für mittellose Menschen und Obdachlose hinterlässt eine Lücke in der Berliner Hilfelandschaft.” In den kommenden Wochen würden die Sozialarbeiter des „Warmen Otto“ die Klienten deshalb zu alternativen Hilfe-Einrichtungen der Berliner Stadtmission und anderer Träger weiter vermitteln. “So finden die Menschen mit ihren oft existenziellen Problemlagen trotzdem Unterstützung.”
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Mit dem Bezirk Mitte stehe die Stadtmission in intensivem Austausch. Die aktuellen Räumlichkeiten in Moabit sollen weiterhin für diakonische Arbeit erhalten bleiben.
Karen Holzinger, Fachbereichsleitung Wohnungslosenhilfe der Berliner Stadtmission, teilte mit: “Wir mussten leider feststellen, dass die räumlichen und inhaltlichen Rahmenbedingung der Einrichtung nicht mehr den Erwartungen möglicher Stelleninhaber und -inhaberinnen entsprechen.“
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de