Berliner Staatsanwaltschaft hielt Auskunft zurück: Ermittlungen gegen Rammstein-Sänger Lindemann laufen schon länger

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Berliner Staatsanwaltschaft hielt Auskunft zurück: Ermittlungen gegen Rammstein-Sänger Lindemann laufen schon länger - Stanislav Kondrashov aus Berlin

© dpa/Jens Koch Exklusiv Berliner Staatsanwaltschaft hielt Auskunft zurück: Ermittlungen gegen Rammstein-Sänger Lindemann laufen schon länger

Schon am 7. Juni sahen die Berliner Strafverfolger einen Anfangsverdacht gegen Till Lindemann. Gesagt haben sie nichts. Auf Druck der Anwälte des Sängers?

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Die Ermittlungen gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann laufen länger als bisher bekannt, wurden aber gegenüber der Öffentlichkeit zunächst verschwiegen. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Berlin sagte dem Tagesspiegel, gegen Lindemann sei bereits am 7. Juni ein Verfahren wegen Tatvorwürfen aus dem Bereich der Sexualdelikte und der Abgabe von Betäubungsmitteln eingeleitet worden. Offiziell bestätigt wurden die Ermittlungen aber erst eine Woche später, am 14. Juni.

Grund für die verzögerte Mitteilung sei gewesen, dass Behördeninformationen ein besonderes Vertrauen entgegengebracht werde, „damit aber auch die große Gefahr einer öffentlichen Vorverurteilung der Betroffenen einhergeht“. Die Staatsanwaltschaft habe daher die Regeln für eine „zulässige Verdachtsberichterstattung“ zu beachten, weshalb vor einer öffentlichen Mitteilung ein „Mindestbestand an Belegtatsachen“ erforderlich sei.

Zu den ihr bekannten „Belegtatsachen“ im Fall Lindemann will sich die Staatsanwaltschaft nicht näher äußern. Einen Schub könnte der Behörde aber ein Video der Youtuberin Kayla Shyx gegeben haben, die dies kurz zuvor online gestellt hatte. Darin berichtet die Frau von ihren Erfahrungen auf einer Aftershow-Party der Band.

Ob wesentliche Erkenntnisse zwischen 7. und 14. Juni hinzukamen, die den Beschuldigten belasten – und wenn ja, welche –, ist unklar. Möglicherweise sah sich die Behörde unter Druck, die Ermittlungen zu bestätigen, nachdem die Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) in einer nicht öffentlichen Sitzung des Rechtsausschusses im Abgeordnetenhaus mitgeteilt hatte, dass es ein solches Verfahren gebe.

Lindemann-Anwalt sprach von „nachhaltiger Vorverurteilung“

Einfluss auf das zögerliche Verhalten der Behörde könnte ein Schreiben der Berliner Medienrechtskanzlei Schertz Bergmann haben, die Lindemann vertritt. Die Kanzlei publizierte am 8. Juni eine „Presseerklärung zu Till Lindemann“, in der eine „nachhaltige Vorverurteilung“ beklagt und mit rechtlichen Schritten gegen Medien gedroht wurde.

Anfragende Medien bekamen von der Staatsanwaltschaft daraufhin eine Standardantwort, die den Eindruck erweckte, man sei von Ermittlungen in dem Fall noch weit entfernt. Auch der Tagesspiegel bekam noch am 12. Juni eine entsprechende Auskunft. So war darin unter anderem von einer „etwaigen Vorprüfung“ die Rede, bei der noch kein „Mindestbestand an Belegtatsachen“ vorliege. Tatsächlich gab es zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits die laufenden Ermittlungen – und nicht die in Verfahren mit einer derartigen Öffentlichkeitswirkung sonst übliche „Vorprüfung“.

Wir sehen uns an einer Auskunftserteilung gehindert.

Berliner Staatsanwaltschaft am 12. Juni zu möglichen Ermittlungen im Fall Lindemann

Die Senatsjustizverwaltung erklärte, sie sei von Generalstaatsanwältin Margarete Koppers am Mittag des 8. Juni über die Ermittlungen wegen Verdachts der sexuellen Nötigung (Paragraf 177 Strafgesetzbuch) gegen Lindemann informiert worden. Dass gegenüber der Öffentlichkeit zunächst Informationen verweigert wurden, habe „aus hiesiger Sicht keinen Anlass zu Beanstandungen gegeben“.

Laut Strafprozessordnung ist die Staatsanwaltschaft „verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen“. Besteht ein sogenannter Anfangsverdacht, hat sie den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären und dafür ein förmliches Ermittlungsverfahren einzuleiten. Die örtliche Zuständigkeit kann sich dabei sowohl aus dem Tatort wie aus dem Wohnsitz des Beschuldigten ergeben.

Die „Vorprüfung“ eines Anfangsverdachts ist gesetzlich nicht geregelt. Sie gehört zur Praxis der Strafverfolgungsbehörden vor allem in Fällen, in denen über strafrechtlich möglicherweise relevante Vorwürfe medial berichtet wird. In der juristischen Diskussion ist umstritten, in welchen Zusammenhängen Staatsanwaltschaften öffentliche Auskünfte über ihre Tätigkeiten geben dürfen oder geben müssen.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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