Berliner Eltern fühlen sich erpresst: Kitaplatz? Nur wenn der Arbeitgeber zahlt
© Friso Gentsch/dpa Berliner Eltern fühlen sich erpresst: Kitaplatz? Nur wenn der Arbeitgeber zahlt
Großer Garten, eigener Koch: Eltern waren höchst angetan von einer Kita in Zehlendorf – bis sie vergeblich auf die Zusage für das Geschwisterkind warten mussten.
Von Susanne Vieth-Entus
Berlin ist um eine neue Spielart der Kitafinanzierung reicher. Zehlendorfer Eltern berichten, dass die Platzvergabe an ihrer Kita von Zuzahlungen des Arbeitgebers abhängig gemacht werde. Die Kitaaufsicht ist alarmiert. Der Kita-Geschäftsführer streitet alles ab.
„Wir bekamen keinen Platz, obwohl es freie Plätze gab und obwohl die älteren Geschwisterkinder die gleiche Kita besuchten“, berichten betroffene Eltern. Unter vier Augen habe sie der Geschäftsführer aufgefordert, einen Kontakt zum Arbeitgeber herzustellen. Er werde mit ihm reden, um einen Zuschuss zu bekommen. Der Arbeitgeber lehnte ab. Danach blieb die Platzzusage aus.
Wir bekamen keinen Platz, obwohl es freie Plätze gab.
Eltern mit Geschwisterkindern einer Zehlendorfer Kita.
Nun haben die ersten Eltern ihre älteren Kinder, für die noch vor wenigen Jahren keine Zuschüsse verlangt worden waren, notgedrungen von der schönen Kita mit dem großen Garten, dem Koch und den vertrauten Erzieherinnen abgemeldet: Sie sehen sich außerstande, ihre Kinder in zwei verschiedenen Einrichtungen betreuen zu lassen – zu kompliziert ist die Logistik und das Umgehen mit unterschiedlichen Kita-Schließzeiten. Bis heute können sie nicht fassen, dass dieses Vorgehen von der Kitagesetzgebung gedeckt ist, und hadern damit, dass ihnen die Kitaaufsicht nicht half.
„Bei der Kitaaufsicht hieß es, sie bräuchten Beweise“, berichten die Eltern. Aber damit hätten sie eben nicht dienen können, weil alles nur mündlich und hinter verschlossenen Türen kommuniziert worden sei.
Die Kitaaufsicht meldete den Fall nicht weiter
Als die Eltern merkten, dass sie so nicht weiterkamen, schalteten sie die CDU-Abgeordnete Stefanie Bung ein, die eine Schriftliche Anfrage stellte. Das Ergebnis war enttäuschend. Obgleich sich nach Elternangaben mindestens sieben Familien bei der Kitaaufsicht beschwert hatten, teilte Jugendstaatssekretär Aziz Bozkurt (SPD) Bung mit, bisher seien „keine Hinweise oder Meldungen“ hinsichtlich einer „solchen Praxis“ eingegangen.
Die Sprecherin der Jugendverwaltung begründet diese Auskunft damit, dass der Vorgang nicht weitergemeldet worden sei, so dass der Staatssekretär keine Kenntnis erhalten habe. Das aber hänge damit zusammen, dass die Eltern keine Beweise beigebracht hätten.
Aufschlussreich ist Bozkurts Auskunft dennoch, denn er führt aus, dass der Kita-Zugang „nicht von einer zusätzlichen Zahlung des Arbeitgebers der Eltern abhängig gemacht werden“ dürfe. Es gebe aber „unterschiedliche zulässige und vom Gesetzgeber vorgesehene Modelle“, nach denen sich Unternehmen zugunsten ihrer Beschäftigten für die Kinderbetreuung engagieren könnten (siehe Infokasten).
Der Kita-Zugang darf nicht von einer zusätzlichen Zahlung des Arbeitgebers der Eltern abhängig gemacht werden.
Aziz Bozkurt (SPD), Jugendstaatssekretär
Was Bozkurt meint: Das Gesetz erlaubt, dass so genannte betriebsnahe Kitas „Belegplätze“ reservieren. Im Gegenzug erhalten sie vom Kooperationsbetrieb Geld oder eine anderweitige Förderung. Es wird daher im Vorfeld transparent und vertraglich geregelt, wer wie viele Plätze beanspruchen kann.
Das allerdings ist etwas Anderes als das, was die Zehlendorfer Eltern berichten: „Wir sollen sozusagen im Nachhinein eine Kooperation anbahnen. Das geht aber nicht, wenn der Betrieb nicht mitmacht“, schildert ein Elternteil seine Zwangslage. Auch wenn das Modell nicht gesetzwidrig sei, sei es doch „eine klare Diskriminierung der Eltern, die die Zahlungen durch den Arbeitgeber nicht ermöglichen können/wollen“.
„Es handelt sich um einen Graubereich“, heißt es aus der Jugendverwaltung. Die Kitaaufsicht werde aber mit dem Geschäftsführer sprechen. „Wir nehmen den Hinweis sehr ernst“, lautet die Botschaft.
Der Geschäftsführer bestreitet die Vorwürfe. Er sagte dem Tagesspiegel, nicht er entscheide über die Aufnahme von Kindern, sondern das Kita-Team. Der Arbeitgeberzuschuss spiele dabei keine Rolle.
Kitakinder sollen unabhängig vom Elterneinkommen jede Einrichtung nutzen können
Was sich in der Zehlendorfer Einrichtung abspielt, ist eine indirekte Folge der Berliner Kitakostenfreiheit: Das Land Berlin übernimmt komplett die Elterngebühren, verbietet es den Kitaträgern aber im Gegenzug, von den Familien zusätzliche Beiträge von mehr als 90 Euro zu erheben. Der Gedanke dahinter: Kitakinder sollen nicht nach dem Elterneinkommen aufgeteilt werden, sondern jede Kita nutzen können..
90 Euro dürfen Kitas an Zuzahlungen verlangen.
Zwar können Kitas für kostspielige Zusatzangebote wie Englisch, musikalische Früherziehung oder zusätzliches Personal Spenden für den Förderverein sammeln. Die Zahlung darf aber nur auf freiwilliger Basis erfolgen. Mit anderen Worten: Eltern haben das Recht, diese Zahlungen einzustellen, ohne in der Folge ihren Platz zu verlieren.
Eine mögliche Folge dieser Regelung wurde im September 2022 publik: „Nichtzahler-Kinder“ seien in der Lichterfelder Kita „Nanny’s Place“ abgesondert worden, bis die Eltern die Lage öffentlich gemacht hätten und die Kitaaufsicht den Missstand beendet habe.
Die Sprecherin der Jugendbehörde erläuterte dazu, dass die Kitaaufsicht die „Separierung von Kindern“ untersagt habe. Die Umsetzung sei dann auch noch bei einem unangemeldeten Besuch bei „Nanny’s Place“ überprüft worden.
Auf der Homepage der Einrichtung wird der Vorgang indirekt angesprochen: „Besondere Qualität hat ihren Preis. Mit den vom Senat erlaubten 90 Euro Zuzahlung im Monat könnte die Vorzeige-Kita ihr Angebot nicht finanzieren“, heißt es. Und weiter: „Deshalb schließen die Eltern mit dem Förderverein individuelle Verträge ab. Dafür kommen die Kinder in den Genuss einer konkurrenzlos guten Rundum-Betreuung.“
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de