Beim letzten Mal tat’s richtig weh: Hertha BSC trifft auf Schalke, und die Erinnerung spielt mit
© IMAGO/Werner Otto Beim letzten Mal tat’s richtig weh: Hertha BSC trifft auf Schalke, und die Erinnerung spielt mit
Vor einem halben Jahr versetzte Schalke Hertha den entscheidenden Stoß Richtung Abstieg. An diesem Sonntag hoffen die Berliner auf eine Wende zum Guten.
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Das anstehende Spiel von Hertha BSC beim FC Schalke 04 wird für Toni Leistner, den Kapitän der Berliner, in vielerlei Hinsicht ein besonderes sein. Die Partie findet nicht nur an seinem Hochzeitstag statt; Leistner trifft am Sonntag (13.30 Uhr, live bei Sky) auch noch auf seinen Freund und Trauzeugen Sebastian Polter, der bei den Schalkern unter Vertrag steht.
„Das wird natürlich eine ruppige Partie“, sagt Leistner. Diese Prognose stützt sich vor allem auf die gemeinsame Zeit mit Polter beim 1. FC Union Berlin. Im Training habe es da schon mal die eine oder andere blutige Nase gegeben, erinnert sich Herthas Innenverteidiger. „Freu mich. Wird ein schönes Spiel“, sagt er.
Spiele zwischen Hertha und Schalke sind ohnehin was Besonderes. Für die Berliner sowieso, da sie seit Jahrzehnten eine – wenn auch eher einseitige – Feindschaft zu den Gelsenkirchenern pflegen. Hinzu kommt an diesem Sonntag die missliche sportliche Situation beider Klubs, die im Frühjahr Seit‘ an Seit‘ aus der Bundesliga abgestiegen sind und auch jetzt wieder weit unten in der Tabelle zu finden sind. „Beide Mannschaften haben Druck“, sagt Herthas Trainer Pal Dardai.
Und dann wäre da noch die Erinnerung an das bisher letzte Aufeinandertreffen beider Teams. Auch das hat sich für Hertha als höchst ruppig erwiesen.
Im April war das, vor fast auf den Tag genau einem halben Jahr, und ebenfalls in der Schalker Arena. Am 28. Spieltag der Vorsaison gastierte Hertha als Vorletzter der Bundesliga beim damaligen Letzten – und verlor am Ende überraschend deutlich mit 2:5. Die Berliner fielen durch die Niederlage auf Rang 18 zurück und sollten diesen Platz bis zum Saisonende auch nicht mehr verlassen.
Vor dem Spiel bei der schwächsten Heimmannschaft der Liga hatte Herthas Trainer Sandro Schwarz noch gesagt, „dass wir komplett da sind, dass wir die Situation annehmen“. Aber davon war an jenem Freitagabend im April dann nichts zu sehen. Insofern war es nur folgerichtig und unausweichlich, dass Schwarz nach dieser Niederlage seinen Job verlor.
Wir wollen ein kleines Feuerwerk abbrennen, damit wir schnell in Führung gehen.
Herthas Kapitän Toni Leistner über den Plan für das Spiel auf Schalke
Aber so unausweichlich, wie es im Nachhinein erzählt worden ist, war die Trennung von Schwarz damals gar nicht. Herthas Sportdirektor Benjamin Weber, zu diesem Zeitpunkt erst wenige Wochen im Amt, war eigentlich fest entschlossen, seinem Trainer unmittelbar nach dem Spiel auch öffentlich sein uneingeschränktes Vertrauen aussprechen.
Grundsätzlich war die sportliche Führung weiterhin von Schwarz überzeugt, selbst wenn der Ertrag mit 22 Punkten aus 28 Spielen (0,78 im Schnitt) arg dürftig ausgefallen war. Auch menschlich wurde er durchaus geschätzt. Deshalb wollte Hertha einen Trainerwechsel eigentlich vermeiden.
Die Umstände aber ließen Weber letztlich keine andere Wahl. Und so wurden seine Aussagen zur Trainerfrage auch eher als erstes Abrücken von Schwarz gedeutet und nicht als Bekenntnis zu einer weiteren Zusammenarbeit. „Wir werden jetzt nicht hier direkt vor Ort eine Personaldiskussion führen“, hatte Weber nach dem Spiel gesagt. „Aber klar ist auch, dass wir die Situation komplett analysieren werden.“
Nach dem Spiel auf Schalke übernahm Pal Dardai
Diese Analyse fand am nächsten Morgen in Herthas Geschäftsstelle statt. Mit Schwarz. Die Mannschaft ging laufen, der Trainer tagte mit Weber, mit Herthas Direktor Lizenzspielerabteilung Andreas „Zecke“ Neuendorf und Geschäftsführer Tom Herrich. Ein finales Ergebnis erbrachten die Gespräche nicht. Auch wenn es für die Öffentlichkeit so aussah.
Schwarz fuhr vom Gelände, bevor die Mannschaft von ihrer Laufrunde zurückkehrte. Es wirkte wie eine Flucht, zumal Schwarz beim Ausparken mit seinem Wagen beinahe seinen Co-Trainer Volkan Bulut erwischt hätte. Tatsächlich aber war es ein Versehen. Herthas Trainer dachte, die Mannschaft hätte das Gelände bereits verlassen.
Dass es in der Konstellation mit Schwarz nicht weitergehen würde, war beiden Seiten zu diesem Zeitpunkt bereits klar. Die endgültige Entscheidung über das Ende der Zusammenarbeit aber fiel erst am nächsten Morgen. Und wiederum einen Tag später nahm Pal Dardai seine Arbeit als Cheftrainer bei Hertha BSC auf, zum insgesamt dritten Mal.
Den Abstieg konnte der Ungar nicht verhindern. Trotzdem durfte er bleiben, um eine neue Mannschaft aufzubauen. Dass dies angesichts der schwierigen Finanzsituation des Vereins ein ambitioniertes Unterfangen ist, zeigt ein Blick auf die aktuelle Tabelle. Hertha rangiert dort mit neun Punkten aus sieben Spielen im Mittelfeld.
Für Schalke sieht es sogar noch ärger aus. Die Mannschaft ist inzwischen auch in der Zweiten Liga in der Abstiegszone angekommen. Vor zehn Tagen hat der Klub daher seinen Trainer Thomas Reis entlassen.
Als Nachfolger war auch Sandro Schwarz im Gespräch, aber der wird es nicht. Gegen Hertha wird an diesem Sonntag ein letztes Mal Reis‘ früherer Co-Trainer Matthias Kreutzer interimsweise auf der Bank sitzen.
Wir dürfen den Gegner nicht aufbauen.
Herthas Trainer Pal Dardai über das Spiel gegen Schalke 04
Vor einem halben Jahr bekam Hertha von den Schalkern den entscheidenden Stoß versetzt, der die Mannschaft endgültig Richtung Abstieg taumeln ließ. An diesem Sonntag geht es darum, den Kontakt zum oberen Drittel der Tabelle nicht abreißen zu lassen.
„Ein Sieg würde viele Sachen für uns öffnen“, sagt Herthas Trainer Pal Dardai. „Ich hoffe, das wird uns nicht hemmen, sondern uns eine positive Motivation geben.“
Denn die Berliner treffen auf ein verunsichertes Schalker Team. Dardai erwartet daher einen Gegner, der „bestimmt aggressiv sein wird ohne Ende“. Auch sein Team müsse „mehr Aggressivität zeigen“. Einen Auftritt wie in der ersten Hälfte bei der Heimniederlage gegen St. Pauli – zurückhaltend, verzagt, gehemmt – will Dardai nicht noch einmal sehen: „Wir dürfen den Gegner nicht aufbauen.“
Herthas Kapitän Toni Leistner fordert daher mehr Mut von seiner Mannschaft. „Wir wollen ein kleines Feuerwerk abbrennen, damit wir schnell in Führung gehen“, sagt er. Der Plan ist nicht schlecht. Beim Aufeinandertreffen vor einem halben Jahr dauerte es nicht mal 200 Sekunden, bis Tim Skarke das 1:0 für Schalke erzielte.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de