Baerbock in Armenien und Aserbaidschan: Gibt es eine Chance auf Frieden?
© dpa/Hannes P Albert
Baerbock in Armenien und Aserbaidschan: Gibt es eine Chance auf Frieden?
Außenministerin Annalena Baerbock reist zuerst nach Armenien und dann nach Aserbaidschan. Der Konflikt um Bergkarabach ist im September eskaliert. Wie könnte ein Frieden aussehen?
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Annalena Baerbock hat ein Glas in die Hand gedrückt bekommen. Über der deutschen Außenministerin flattert Flecktarn, es ist windig und hat geregnet. Vor ihr steht eine Gruppe armenischer Soldaten, die zur armenischen Peacekeeping Brigade, also den Friedenstruppen, gehören. „Teil der Friedenstruppen zu sein, ist kein Beruf, es ist eine Lebensentscheidung“, sagt ein Soldat zu ihr. Baerbock nickt. „Auf den Frieden“, sagt sie.
Die Peacekeeping-Soldaten nehmen an internationalen Missionen wie Afghanistan oder dem Kosovo bei. Sie sollen den Frieden wahren. Doch in ihrem eigenen Land ist dieser derzeit sehr brüchig. Baerbock, die aus der armenischen Hauptstadt Eriwan weiter in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku reist, hat eine schwierige Aufgabe. Sie will die beiden verfeindeten Nachbarn an den Verhandlungstisch zurückbringen.
Vor rund zwei Monaten hat Aserbaidschan die umkämpfte Region Berg-Karabach zurückerobert, in der bis vor wenigen Wochen mehrheitlich Armenier lebten, Dutzende Tote und viele Verletzte waren die Folge. Nach Angaben der armenischen Regierung haben inzwischen über 100.000 Menschen ihre Heimat verlassen und sind nach Armenien geflohen. In Eriwan gibt es die Sorge, Aserbaidschan könnte noch weiter ausgreifen wollen. Mehr Land gewinnen, zum Beispiel, um einen Korridor zur aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan zu schaffen, die an die Türkei grenzt.
Baerbock steht an der Seite von „Armenien und Aserbaidschan“
Als Baerbock (Grüne) mit ihrem armenischen Amtskollegen Ararat Mirsojan am Nachmittag vor die Presse tritt, sagt sie, sie sei in der Region, damit der Konflikt nicht weiter eskaliere. „Damit das Fenster für einen verhandelten Frieden genutzt wird“, sagt sie. „Deutschland steht für die Souveränität und die territoriale Integrität von Armenien und Aserbaidschan ein. Und Deutschland steht an der Seite von Armenien und Aserbaidschan für eine verhandelte Friedenslösung“, sagt sie.
Die Bundesregierung will sich in dem Konflikt nicht auf eine Seite stellen, anders als beispielsweise Frankreich, das sich klar auf die Seite Armeniens gestellt hat und damit als Vermittlerin im Konflikt wohl ausscheidet. Für Deutschland ist die Lage komplizierter, auch, weil die Regierung Interesse an aserbaidschanischen Gaslieferungen hat. Weil Russland als Rohstofflieferant wegen des Überfalls auf die Ukraine ausfällt, braucht Deutschland neue Partner.
Für Armenien sind die Beziehungen zu Deutschland und der EU entscheidend. Das Land ist eine junge Demokratie, seit 2018 eine samtene, also weitgehend friedliche, Revolution einen demokratischen Machtwechsel herbeiführte. Seit einigen Monaten versucht sich der armenische Premierminister Nikol Paschinjan von der Schutzmacht Russland abzusetzen. In einem Interview mit der Plattform „Politico“ sagte er, Armenien könne sich nicht länger auf Russland als schützenden Partner verlassen.
Doch in der Region bleiben Armenien damit nicht viele Verbündete. Die Türkei steht auf der Seite Aserbaidschans. Die Beziehungen zwischen Iran und Armenien sind besser, aber ebenfalls nicht ohne Spannungen.
Komplizierte Geschichte
Die Geschichte des Konflikts um Berg-Karabach ist kompliziert. Anfang der Neunziger, nach dem Fall der Sowjetunion, eskalierte die Situation. Berg-Karabach, das völkerrechtlich in den 1920er-Jahren Aserbaidschan zugesprochen wurde, versank in einen blutigen Krieg, mehrere Zehntausend Menschen starben, etwa eine Million wurden vertrieben. Armenien, damals von Russland unterstützt, konnte den Krieg für sich entscheiden, doch es folgte kein Friedensvertrag.
2020 brach der Krieg erneut aus, das militärische Kräfteverhältnis hatte sich inzwischen zugunsten Aserbaidschans verschoben, auch weil die Türkei das autoritäre Regime um Präsidenten Ilham Alijew mit Waffen unterstützt hat. Armenien musste Territorialverluste hinnehmen und eine von Russland vermittelten Waffenruhe unterzeichnen.
Im Oktober erkannte das armenische Parlament zudem den internationalen Strafgerichtshof an und ratifizierte das römische Statut des Gerichtshofs.
Das bedeutet auch: Der russische Präsident Wladimir Putin kann das Land nicht mehr besuchen, ohne befürchten zu müssen, festgenommen zu werden. Für die Armenier ist es kaum vorstellbar, dass die Rückeroberung von Berg-Karabach durch Armenien ohne Russlands Einverständnis geschehen konnte. Für sie ist wohl vor allem wichtig, dass der Konflikt nicht weiter eskaliert. Die selbsternannte Republik Berg-Karabach soll zum 1. Januar 2024 aufgelöst werden.
Gibt es also eine Chance auf Frieden? Baerbock glaubt das offenbar. Die Vermittlungsbemühungen von EU-Ratspräsident Charles Michel seien „eine Brücke, die den schnellsten Weg zum Frieden aufzeigen kann“, sagte sie. Armeniens Außenminister Mirsojan sagte laut Übersetzung sein Land wolle „den Weg des Friedens“ gehen. Es habe, so Mirjosan, sogar die Chance, zu einer „Friedenskreuzung in der Region“ werden. Nicht nur für sein Land. Sondern die ganze Welt.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de
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