Antisemitische Attacke in Berlin: Ermittler gehen von gezieltem Angriff aus – Senat will jüdische Studierende besser schützen
© dpa/Carsten Koall
Antisemitische Attacke in Berlin: Ermittler gehen von gezieltem Angriff aus – Senat will jüdische Studierende besser schützen
Ein propalästinensischer Student soll einen jüdischen Kommilitonen krankenhausreif geprügelt haben. Regierungschef und Wissenschaftssenatorin wollen Studierende vor Antisemitismus schützen.
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Die Berliner Staatsanwaltschaft geht nach dem Angriff auf einen jüdischen Studenten der Freien Universität Berlin (FU) von einer gezielten Tat aus. Die Ermittler stufen den Fall, der sich in Berlin-Mitte ereignete, nach derzeitigem Stand als antisemitisch ein und gehen zugleich von einem Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt aus, wie ein Behördensprecher am Donnerstag sagte.
Unterdessen haben Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) eine gemeinsame Linie angekündigt zum Schutz jüdischer Studierender. Oberstes Ziel sei es, diese vor Antisemitismus und Hass zu schützen, erklärten sie am Donnerstag nach einem gemeinsamen Gespräch.
„Wenn die aktuellen rechtlichen Möglichkeiten nicht ausreichen, müssen wir den Hochschulen zusätzliche durchgreifende Instrumente an die Hand geben, um diesen Schutz sicherzustellen“, hieß es weiter. Das beinhalte auch eine mögliche Reform des geltenden Hochschulgesetzes. „Wichtig ist, dass wir den Opferschutz effektiv stärken und Maßnahmen schaffen, die tatsächlich wirken“, hieß es in der Mitteilung.
Staatsanwaltschaft ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft wurde der 30-jährige Lahav Shapira als Stellvertreter einer bestimmten Personengruppe wegen ihrer zugeschriebenen politischen Haltung, Einstellung oder Engagements angegriffen. Der Vorfall werde daher der Hasskriminalität zugeordnet.
Shapira war am Wochenende mit Knochenbrüchen im Gesicht ins Krankenhaus gekommen. Ein 23 Jahre alter propalästinensischer Kommilitone soll ihn im Ausgehviertel in Berlin-Mitte krankenhausreif geschlagen haben.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach Angaben des Sprechers wegen gefährlicher Körperverletzung gegen den FU-Studenten mit deutscher Staatsangehörigkeit. Der Attacke soll eine kurze verbale Interaktion vorausgegangen sein, sodass die körperliche Auseinandersetzung für den Geschädigten tatsächlich unvermittelt gewesen sein soll, so der Sprecher. Die Polizei hatte anfangs von einem eskalierten Streit zwischen den beiden Studenten gesprochen.
Der Fall schlägt hohe Wellen. Von mehreren Seiten war eine Exmatrikulation des betreffenden Studenten gefordert worden. Laut FU ist dies in Berlin aus rechtlichen Gründen in solchen Fällen aber nicht möglich. Regierungschef Kai Wegner hatte dazu am Mittwoch erklärt, die Hochschulen brauchten Instrumente, damit sie konsequent und schnell handeln könnten. „Wenn dazu eine Änderung des Hochschulgesetzes erforderlich sein sollte, werden wir in der Koalition darüber sprechen.“
Wegner stärkt Wissenschaftssenatorin den Rücken
Regierungschef Wegner hatte Wissenschaftssenatorin Czyborra bereits den Rücken gestärkt nach Rücktrittsforderungen im Kontext eines Angriffs auf den jüdischen Studenten.
„Ich glaube, dass Frau Czyborra die Lage ähnlich sieht wie ich. Dass für sie auch die Situation an den Universitäten so nicht hinnehmbar ist“, sagte er am Rande einer CDU-Wahlkampfveranstaltung auf die Frage eines Journalisten, ob Äußerungen der Senatorin ein Problem seien. „Jetzt muss man im Gespräch mit den Hochschulleitungen nach Lösungen suchen, wie wir das besser in den Griff bekommen, dass die Universitäten auch besser handeln können.“
Wegner mahnte aber auch, die Hochschulpräsidenten dürften sich nun „keinen schlanken Fuß“ machen. Sie stünden in der Verantwortung, es gelte, deutliche Worte zu finden gegen Antisemitismus, Hass und Hetze.
Mehrere Politiker und Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle kritisierten Czyborra am Mittwoch scharf, bis hin zu Rücktrittsforderungen. Sie werteten Äußerungen der SPD-Politikerin zum Umgang der Hochschulen mit Gewalttaten als verharmlosend. Hintergrund war der Angriff auf Lahav Shapira. Während von mehreren Seiten eine Gesetzesänderung gefordert wurde, damit Hochschulen etwa in solchen Fällen Gewalttäter exmatrikulieren können, hielt die Senatorin an der Linie eines Hausverbots fest.
Proteste vor der Uni-Mensa
Am Donnerstag trafen vor der FU-Mensa zwei Gruppen unterschiedlicher Lager aufeinander. Unter dem Titel „Solidarität mit Palästina“ demonstrierten etwa 85 Menschen nach Polizeiangaben. Es habe etwa 25 Gegendemonstranten gegeben. Diese wollten nach eigenen Angaben ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen, teils hatten sie Israelflaggen dabei.
Zunächst waren der Polizei „keine nennenswerten Zwischenfälle“ bekannt. Im Verlauf beobachtete eine dpa-Reporterin eine zunehmend aufgeheizte Stimmung. (dpa)
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de