Viel Wut und Frust nach dramatischem Ende: Hertha BSC fühlt sich „VAR“arscht

© IMAGO/Matthias Koch

Viel Wut und Frust nach dramatischem Ende: Hertha BSC fühlt sich „VAR“arscht

Hertha BSC hat nach dem 2:2 gegen Kiel nur noch wenig Aufstiegschancen. Für viel Ärger sorgt ein Pfiff in den letzten Sekunden des Spiels.

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Man kann sich die Szene hundert Mal anschauen, und auch danach ist nicht klar: Ist zuerst der Hertha-Profi Linus Gechter am Ball oder doch Patrick Erras von Holstein Kiel? Nach dem hundertsten Mal ergibt sich eine Vermutung: Es könnte sein, dass Gechter ein My vorher den Ball berührt, ehe Erras das tut.

Dieser Meinung allerdings widerspricht der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter Manuel Gräfe auf dem Nachrichtendienst X: „Wie kann das Elfer sein!?“, fragt er. „Der Ball wird 15m Richtung Mittellinie vom V (Verteidiger, Anm. d. Red.) gespielt. Das war wohl kaum der Stürmer – oder seit wann lässt man den Ball weiter abtropfen, als der ein oder andere schießt?“

Ein berechtigter Einwand. Vielleicht aber ist es so: Gechter trifft zuerst den Fuß von Erras, weshalb dieser den Ball Richtung Mittellinie spielt. Oder aber: Beide Spieler treffen synchron das Spielgerät, freundschaftlich sozusagen.

Schiedsrichter Bastian Dankert entschied sich im Spiel zwischen dem Tabellenachten Hertha und dem Zweiten Kiel im Berliner Olympiastadion zunächst für Weiterspielen. In seine Entscheidung mochte ein bisschen der gesunde Menschenverstand eingeflossen sein. 97. Minute, Szene völlig unklar, da lässt man lieber weiterspielen.

9Punkte trennen Hertha von einem direkten Aufstiegsplatz. Es könnte am Sonntag sogar noch einer mehr werden.

Der gesunde Menschenverstand aber ist im Fußball abgeschafft worden, seit es den Videobeweis, kurz: VAR (Video Assistant Referee), gibt. Der ist ein Team von Schiedsrichtern, das sich die heiklen Spielszenen noch einmal genauer ansieht und – wenn es für nötig erachtet wird – dem auf dem Spielfeld leitenden Schiedsrichter Rückmeldung gibt. So geschehen bei der geschilderten Szene am Freitagabend: Dankert sah sich anschließend die Szene am Monitor an und entschied auf Strafstoß, den Kiels Timo Becker zum 2:2 Endstand in diesem Zweitliga-Duell verwertete.

Für Gegner des VAR war die Situation ein weiterer Beleg dafür, dass die Technik dem schönen Spiel nur schadet und die Idee, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, partout nicht aufgehen will. Tatsächlich ist der Videobeweis im Fußball bislang ein noch fehlerhaftes und auch intransparentes Konstrukt. Die Frage am Freitag war ja auch: Warum überhaupt griff der VAR ein? Die Regel besagt: Nur bei klaren Fehlentscheidungen soll er sich beim Schiedsrichter melden. Die Szene war das Gegenteil von klar.

Am Ende war das Remis eine gefühlte Niederlage für Hertha

Die Berliner Fans brüllten, fühlten sich „VARarscht“, wie ein User auf X schrieb. Für Hertha war die Millimeterentscheidung für Kiel ein herber Schlag. Die Berliner wollten noch eine Chance wahren auf den Aufstieg. Ein Sieg gegen die Top-Mannschaft aus dem Norden hätte noch einmal Kräfte in diese Richtung freimachen können. So aber fühlte sich für die Mannschaft das Spiel wie eine Niederlage an. Das sagten anschließend sowohl der unglückliche Elfmeterverursacher Gechter wie auch der phänomenale Offensivspieler Fabian Reese.

Umso bitterer war das Remis für Hertha deshalb, weil die Mannschaft lange Zeit ein für ihr Durchschnittsalter erstaunlich abgezocktes Spiel ablieferte. Das Team ließ lange Zeit nicht viele große Chancen für den Gegner zu und nutzte seine Möglichkeiten in Person von Torjäger Haris Tabakovic zwei Mal effektiv aus.

Nur eines musste sich Hertha vorwerfen lassen: Als die Kieler in der zweiten Halbzeit nach vorne drängten und sich viele Räume für die Berliner ergaben, nutzten sie diese nicht für weitere Treffer. „Da musst du das 3:0 und 4:0 machen“, sagte Herthas Trainer Pal Dardai. „Wir hatten 20 Umschaltmomente, in denen du krass töten musst. Das haben wir nicht getan.“

Insofern wollte er auch nicht zu viel Worte über den Videobeweis verlieren. „Es gibt heute keine Ausreden. Ich bin nach dem Spiel zum Schiedsrichter gegangen und habe ihm gratuliert. Er hat gut gepfiffen.“ Dardai meinte das nicht ironisch. Das ehrte ihn sehr. Denn auch das ist eine Folge des Videobeweises: Die bemitleidenswerteste Person im Stadion ist allzu oft der fremdgesteuerte Schiedsrichter.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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