Unfalltod von Basketballstar Drazen Petrovic: Als Kroatien seinen Helden verlor

© IMAGO/USA TODAY Network Unfalltod von Basketballstar Drazen Petrovic: Als Kroatien seinen Helden verlor

Der Basketballer Drazen Petrovic verzückte ein ganzes Land, ehe er vor 30 Jahren tödlich verunglückte. Erinnerungen an einen außergewöhnlichen Sportler.

Von

An den Tag, an dem seine Welt einstürzte, erinnert sich Matej Mamic auch 30 Jahre später sehr genau. „Ich saß auf einer Bank an einer Bushaltestelle und die Tränen rannen mir nur so übers Gesicht“, sagt er dem Tagesspiegel. Wenige Minuten zuvor hatte er noch in der örtlichen Turnhalle gestanden, komplett regungslos. Ihm war von seinem Trainer die Nachricht überbracht worden, dass der Mann, dem er so sehr nacheiferte wie niemand sonst auf der Welt, ums Leben gekommen war. Drazen Petrovic, der beste Basketballer, den Kroatien, ja den Europa bis dahin hervorgebracht hatte, starb bei einem Autounfall nahe Ingolstadt am 7. Juni 1993.

„Er war der Grund, weshalb ich mit Basketball angefangen habe“, erzählt Mamic, der auch in diesem Jahr wieder das Grab seines Helden besuchen wird. „Mein Traum war, ihm irgendwann auf dem Parkett zu begegnen. Und wenn Träume platzen, ist das für einen jungen Menschen ziemlich hart.“ Mamic war 18 Jahre alt, als sein Vorbild und das Vorbild von Hunderttausenden von Menschen aus dem Leben gerissen wurde.

Aus Mamic ist später trotzdem noch ein guter, sogar ein sehr guter Basketballer geworden. Er konnte kämpfen und werfen und anführen. Ganz wie sein Vorbild. Bei Alba Berlin erinnert man sich sehr gerne an Matej Mamic, wenn auch sein Basketballerleben tragisch verlief. Bei einem Spiel im Jahr 2005 erlitt er eine schwere Halswirbelverletzung, die sein Karriereende zur Folge hatte. Inzwischen arbeitet er in einer Agentur, die aufstrebende Basketballer betreut. Mamic ist auf der Suche nach Talenten. An einen Basketballer wie Drazen Petrovic denkt er dabei nicht. „So einen Basketballer gibt es nicht noch einmal“, sagt er. „Er war einzigartig.“

Zehntausende Fans kamen zur Beerdigung von Drazen Petrovic

Drazen Petrovic war vor allen Dingen ein Volksheld. Zehntausende Fans, darunter auch der kroatische Präsident Franjo Tudjman, nahmen vor 30 Jahren an seiner Beerdigung im vom Krieg gezeichneten Zagreb teil. „Hier sind bereits Tausende frische Gräber ausgehoben, viele Mütter in Schwarz. Reicht das nicht?“, fragte der Bischof laut einer Reportage der „New York Times“ während der Bestattung. „Drazen hat uns mit viel Stolz erfüllt, er ist ein Sohn unserer Nation.“ Petrovic war der Superstar der sportverrückten und vor allen Dingen sportbegabten kroatischen Nation. Bis heute gibt es kaum ein Land, das gemessen der Einwohnerzahl so viele Spitzensportler hervorbringt.

Die Sportnation Kroatien und ihre Stars. In der Mitte mit der Nummer 3: Drazen Petrovic. © IMAGO/Pixsell

Das Besondere an Petrovic war, dass er nicht nur ein Ausnahmesportler war. Petrovic war es, der scheinbar verschlossene Türen öffnete. In den Achtzigerjahren waren europäische Spieler in der nordamerikanischen Basketballliga NBA, der mit Abstand besten Liga der Welt, eine Ausnahme. Die wenigen, die es versuchten, wurden nicht ernst genommen. Vor allem fehlte der eine Spieler, an dem sich die anderen Europäer aufrichten konnten. Petrovic war dieser Spieler.

Er war mit derart viel Talent gesegnet, dass es für ihn gar keinen anderen Weg als den in die NBA zu geben schien. „Mit 16 Jahren hat er bereits in der höchsten jugoslawischen Liga gespielt“, erzählt Mamic. „Und das war eine der besten in Europa.“ Mamic erinnert sich an ein Spiel von Petrovic in dessen frühen Jahren, in dem er sage und schreibe 112 Punkte erzielt habe. Ein Kurzrecherche bestätigt die unglaubliche Zahl.

Petrovic war seiner Zeit voraus. Er konnte aus der Distanz werfen wie kaum ein anderer. Seine Quote von der Dreierlinie war enorm in einer Zeit, in der die schwierigen Würfe von außen noch nicht so etabliert waren, wie das heute der Fall ist. In seiner besten Saison bei den New Jersey Nets erzielte er 22,3 Punkte im Schnitt. Die beste Punkteausbeute bis dato eines Europäers.

Erst zehn Jahre später war ein anderer Europäer erfolgreicher: Dirk Nowitzki. Aus heutiger Sicht liest sich die Statistik nicht besonders, aber damals waren diesbezüglich nur zehn Spieler erfolgreicher als er. Und bis auf Michael Jordan und Joe Dumars waren in der Rangliste ausschließlich Spieler, die groß waren, nah am Korb zum Abschluss kamen.

Fragt man Matej Mamic, war es aber nicht das feine Händchen, das Petrovic zu dem Spieler machte, der er werden sollen. „Es war seine Einstellung“, sagt er. „Für ihn zählte nur der Erfolg. Dafür trainierte er wie ein Verrückter, auch nachts, wenn es sein musste.“ Andere steckte er mit seinem Ehrgeiz an. Petrovic war demnach ein typischer Anführer. „Er konnte die anderen pushen, antreiben.“

Die NBA war für den so gesegneten Petrovic dennoch ein hartes Terrain. In seiner Heimat dominierte er, warf im Schnitt fast 40 Punkte. Als er in die NBA zu den Portland Trail Blazers stieß, bekam er zunächst wenig Spielzeiten. Ein Grund: Er war Europäer, zugetraut wurde ihm nicht besonders viel. „White Men Can’t Jump“ (Deutscher Titel: „Weiße Jungs bringen’s nicht“) heißt ein Basketballfilm aus den Neunzigern mit Woody Harrelson und Wesley Snipes in den Hauptrollen. Richtiger aber war das Vorurteil, dass es europäische Jungs nicht bringen. Es gibt ein paar Aussagen von Petrovic, in denen er diese Diskriminierung andeutete.

Er selbst sollte aber bald beweisen, dass dem nicht so ist. Mit seinem Wechsel zu den New Jersey Nets im Jahr 1991 stieg er zu einem der Starspieler in der NBA auf. Petrovic wurde von den Kollegen nicht nur respektiert, sondern gefeiert. Michael Jordan gab nach seiner Karriere mehrfach zu Wort, dass er die Duelle gegen Petrovic gefürchtet habe. Schwer zu sagen, wohin die Karriere den 28-Jährigen noch geführt hätte, wenn am 7. Juni auf der A 9 Richtung Ingolstadt nicht plötzlich ein Lastwagen auf seinen LKW aufgeprallt wäre.

Sicher ist nur, dass Drazen Petrovic ein wertvolles basketballerisches Erbe für die vielen Europäer hinterlassen hat, die wie etwa Dirk Nowitzki in der NBA reüssierten. Vor allem aber hat sein früher Tod ein Loch in die Herzen von vielen Menschen gerissen. „Ich vermisse ihn“, sagt Matej Mamic. „Auch noch nach 30 Jahren.“

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

Comments (0)
Add Comment