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„Parteilichkeit zu unterstellen, ist weit hergeholt“: Streit um Fahnenverbot für Berlins Polizei zur Fußball-EM
Berlins Polizeipräsidentin Slowik hat mit dem Fahnenverbot für Beamte zur Fußball-EM eine Debatte ausgelöst. Die CDU sieht eine vertane Chance, die Gewerkschaften fordern Lösungen.
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In der Berliner Polizei brodelt es: Regelmäßig wird vor Berlins Behörden die Regenbogenfahne gehisst, aber bei anderen Fahnen herrscht Strenge. Wenige Monate vor der im Juni beginnenden Fußball-Europameisterschaft ist eine Debatte über das Auftreten der Polizei entbrannt – wie schon bei früheren internationalen Turnieren.
Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik erlaubt es Einsatzkräften nicht, während der Fußball-EM Deutschland-Fahnen an ihren Streifenwagen anzubringen. „Wir sind der Neutralität verpflichtet“, sagte Slowik im Tagesspiegel-Interview. Bei einem internationalen Sportereignis mit Gästen aus aller Welt sei die Polizei „absolut unparteiisch“, sagte die Polizeipräsidentin weiter.
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Burkard Dregger, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, findet, die Entscheidung der Polizeipräsidentin sei rechtlich nicht zu beanstanden. „Politisch aber wird eine Chance vertan“, sagte Dregger. „Unsere deutsche Fahne Schwarz-Rot-Gold steht für Einigkeit und Recht und Freiheit und damit genau für die Werte, die Berlin gerade heute dringend braucht“ – nämlich Zusammenhalt und Identifikation mit Deutschland, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.
Wegner: Polizei muss neutral sein
Martin Matz, Innenexperte der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, sagte: „Patrioten sind nicht daran zu erkennen, dass sie Fahnen schwingen. Patrioten verstehen, dass ein großes Sportevent mit 2,5 Millionen Gästen und mehreren 100 Millionen TV-Zuschauern eine Chance für Berlin ist und gute Gastgeber erfordert.“
Berlins Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sagte zum Fahnenstreit: Die EM sei ein Fest der Freude, der Leidenschaft und der Begegnung. „Wir alle sollten gut gelaunt und unverkrampft in die Europameisterschaft starten. Natürlich muss unsere Polizei neutral bleiben“, erklärte Wegner. „Dennoch freue ich mich über jeden, der unsere Nationalmannschaft unterstützt und dies auch offen zeigt. Ich denke noch immer gerne an das schwarz-rot-goldene Fahnenmeer von 2006 zurück.“
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Tatsächlich besteht das Verbot seit Jahren. Schon bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland hatte der damalige Polizeipräsident Dieter Glietsch den Beamten untersagt, Deutschlandfahnen an den Fahrzeugen zu befestigen.
Mögliche Konflikte bei englischen Fanmärschen?
Begründet wurde das Verbot jedes Mal mit dem Neutralitätsgebot. „Polizeibeamte im Dienst sind auch während der WM nicht in ihrer Eigenschaft als deutsche Fußballfans unterwegs“, sagte Glietsch damals.
Einsatzkräfte dürften bei Ausschreitungen zwischen rivalisierenden Anhängern keinesfalls für Fans gehalten werden, hieß es. Polizeiautos mit Deutschlandfahne könnten konfliktträchtig sein. Ein Beispiel: Wenn ein englischer Fanmarsch mit Einsatzwagen und Deutschlandfahne begleitet werde, könnten die Fans den Eindruck haben, dass die Polizei sich ihnen gegenüber nicht neutral verhalte.
Andere Bundesländer sehen das Problem nicht
Andere Bundesländer, die die Berliner Polizei bei derlei Großevents mit Hundertschaften unterstützen, hatten ein solches Fahnenverbot bei der Fußball-WM 2010 nicht, darunter damals Sachsen-Anhalt. Ein Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums sagte am Sonntag, ein Fahnenverbot für Polizisten wie in Berlin sei „für die Brandenburger Polizei derzeit kein Thema“.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat nun Redebedarf. „Wir verstehen die Aussage unserer Polizeipräsidentin, weil sie der gängigen Regelungslage entspricht und das auch in der Vergangenheit so gehandhabt wurde“, sagte GdP-Landeschef Stephan Weh. Beim Blick über den Tellerrand sei es dennoch eine typisch deutsche Diskussion, „weil sich bis auf unser Land darüber keiner einen Kopf machen würde“.
Die Polizisten garantierten bei der EM die innere Sicherheit in der Hauptstadt, weil sie sich mit ihrem Land identifizierten. „Das sollte auch im sportlichen Sinne möglich sein“, sagte Weh. Er bot der Behördenleitung an, gemeinsam einen Weg zu finden, „der in Sachen Polizeiarbeit nicht an der Neutralität zweifeln lässt und dennoch symbolisiert, dass wir stolz auf unsere Nationalmannschaft sind“.
Nach meiner Wahrnehmung hat die Polizei Berlin ein entspanntes Verhältnis zu den Nationalfarben, denn sie befinden sich als Hoheitssymbol in Form einer Kokarde an jeder Dienstmütze.
Bodo Pfalzgraf, DPolG-Landesvorsitzender
Die Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) nehme „die Neutralitätspflicht der Polizei sehr ernst“, sagte DPolG-Landeschef Bodo Pfalzgraf. „Gleichwohl dürfte allen Fans anderer Nationen klar sein, dass in Berlin die deutsche Polizei handelt. Unseren Einsatzkräften de facto bei Verwendung der Nationalflagge Parteilichkeit zu unterstellen, ist weit hergeholt“, kritisierte Pfalzgraf. „Nach meiner Wahrnehmung hat die Polizei Berlin ein entspanntes Verhältnis zu den Nationalfarben, denn sie befinden sich als Hoheitssymbol in Form einer Kokarde an jeder Dienstmütze.“
Auch der Berufsverband „Unabhängige“ kritisierte das Fahnenverbot. „Das ist ein Berliner Sonderweg, in Deutschland und dem Rest der Welt kommt keiner auf die Idee“, sagte Verbandssprecher Jörn Badendick. „Es kann durchaus per Einzelanweisung richtig sein, die Fahne für Einheiten zu untersagen, die im Stadion bei Spielen der deutschen Nationalelf auch zum Einschreiten im Einsatz sind. Aber ein generelles Verbot ufert aus“, erklärte der Sprecher.
Badendick sieht auch die Polizeipräsidentin in Verantwortung. „Die im Grundgesetz geregelte Bundesflagge steht für Einheit, Freiheit und Demokratie“, sagte er. „Wenn eine Polizeipräsidentin als Repräsentantin des Rechtsstaates das Anbringen verbietet, muss sie sich selbst die Frage gefallen lassen, ob sie noch auf dem Boden des Grundgesetzes steht und die notwendige Eignung für das Amt mitbringt.“
Der von Polizisten gegründete Verein Biss, der sich für die Opfer der Schießstandaffäre bei der Berliner Polizei einsetzt, kommentierte: „Da stellt sich uns die Frage, ob es den im Olympiastadion eingesetzten Dienstkräften gestattet ist, die Deutsche Nationalhymne mitzusingen, oder ob sie sich dazu in die Katakomben zurückziehen müssen?“
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de