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Mehr Straftaten in Berlin: Statistik zeigt Rekord bei Autoklau und Gewalttaten
Im Vergleich zum Vorjahr gab es 3,2 Prozent mehr Straftaten in Berlin. Innensenatorin Spranger zeigt sich vor allem besorgt bei der Gewaltkriminalität. Doch es gibt auch Positives.
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Mehr geklaute Autos, mehr Kellereinbrüche, Ladendiebstahl, Gewalt – das ist das Ergebnis der Kriminalitätsstatistik der Berliner Polizei für das vergangene Jahr. Insgesamt sind 2023 mehr Straftaten in Berlin verübt worden. Ihre Zahl nahm im Vergleich zu 2022 um 3,2 Prozent auf 536.697 Taten zu. Ist Berlin also gefährlicher geworden?
Die Antwort lautet: Jein. Berlin liegt damit im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Dennoch gibt es einige Entwicklungen, über die sich Innensenatorin Iris Spranger (SPD) besorgt zeigt. Zum Beispiel bei der Gewaltkriminalität. Gewalttaten von Jugendgruppen haben um ein Zehntel zugenommen, bei Körperverletzung allgemein waren es knapp neun Prozent mehr Taten.
Bei gefährlicher und schwerer Körperverletzung auf Straßen, Wegen und Plätzen sind es sogar 17,5 Prozent mehr Fälle. Neun Prozent mehr Kinder und acht Prozent mehr Jugendliche sind dabei im Vergleich zu 2022 als Tatverdächtige erfasst worden.
„Die Kriminalität im Jahr 2023 ist gegenüber den Vergleichsjahren 2019 bis 2022 gestiegen, insbesondere in den Bereichen der Gewaltkriminalität und dort vor allem im öffentlichen Raum“, sagte Innensenatorin Spranger am Mittwoch bei der Vorstellung der Statistik. „Corona, Inflation, Krieg in der Ukraine, Migration, Hamas-Terror in Israel – die Krisen der letzten Jahre suchen sich ihr Ventil. Wir müssen als Gesellschaft, als Politikerinnen und Politiker gemeinsam dagegen vorgehen. Der Kampf gegen Gewalt ist eine Querschnittsaufgabe.“
Die Polizei registrierte auch einen Anstieg bei Raubtaten von 7,4 Prozent. Bei Raubüberfällen in Wohnungen sind es sogar 15 Prozent und bei räuberischem Diebstahl um 17 Prozent. Bei Gewalttaten kamen Messer häufiger zum Einsatz – ein Anstieg um fünf Prozent.
Weniger Mord und Totschlag
Es gibt aber auch positive Entwicklungen: Es wurden 42 Prozent weniger Fälle von Handtaschenraub und 25 Prozent weniger Überfälle auf Geschäfte festgestellt. Auch gab es weniger Mord und Totschlag – 34 vollendete Taten mit 35 Opfern. Insgesamt waren es 77 Fälle, darunter versuchte Taten, aber das ist ein Drittel weniger als 2022 und liegt auf einem Zehnjahrestief.
Einen Anstieg von fünf Prozent und einen Zehnjahreshöchststand registrierte die Polizei bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Insgesamt waren es 7282 Fälle. Etwas mehr als ein Viertel davon fällt auf den Besitz, die Verbreitung und die Herstellung von Kinderpornos. Auch hier gab es einen leichten Anstieg.
Knapp 23 Prozent mehr Vergewaltigungen
1151 Fälle von Vergewaltigung gingen bei der Polizei ein – ein Plus von knapp 23 Prozent. Bei Jugendpornografie waren es 20 Prozent mehr, bei Exhibitionismus fast neun Prozent mehr. Immerhin gab es bei sexuellem Missbrauch von Kindern einen leichten Rückgang von 2,6 Prozent, bei sexuellen Übergriffen gingen bei der Polizei 16 Prozent weniger Fälle ein. Ein Blick auf die 5153 Opfer aller Sexualdelikte zeigt: 645 von ihnen wurden verletzt, 21 sogar schwer.
Bei häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Kinder musste die Polizei mehr Fälle registrieren. Bei der Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht zählte die Polizei 17,5 Prozent mehr Fälle. Und an fast jedem Tag wurde ein Kind in Berlin misshandelt – ein Anstieg um 12 Prozent. Doch das sind nur die Fälle, die auch bekannt wurden, weil jemand die Behörden informierte.
Beim sexuellen Missbrauch von Kindern geht es auch um psychische Gewalt und das Einwirken auf Kinder, etwa über das sogenannte Cybergrooming, wenn Kinder im Internet mit sexuellen Interessen angesprochen werden oder Jugendliche untereinander Nacktbilder teilen. Hierbei sind ein Viertel der Verdächtigen selbst noch nicht volljährig. Auffällig ist: Dass bei Misshandlungsfällen 90 Prozent der Kinder Opfer innerhalb der Familie wurde, bei sexuellem Missbrauch waren es 18 Prozent.
Häusliche Gewalt war vor allem in den Coronapandemie wegen der Beschränkungen ein Thema, die Statistik der Polizei zeigt, dass die Zahl der Opfer von Gewaltdelikten durch Familienangehörige oder Partner auch 2023 weiter gestiegen ist – um knapp neun Prozent auf 18.784. Zwei Drittel davon sind Frauen. Die Zahl der Opfer von Gewalt durch Partner und Angehörigen erreicht damit den höchsten Wert sei zehn Jahren.
Knapp 40 Prozent mehr Autodiebstähle
Berlin bleibt Klau-Hauptstadt. Sechs Prozent mehr Diebstahlsfälle stellte die Polizei fest. Damit steht Berlin etwa auf dem Zehnjahresdurchschnitt. Doch der geringe Anstieg 2023 verdeckt die gravierende Zunahme bei einigen Delikten, etwa beim Autoklau: 7781 Autos sind im vergangenen Jahr gestohlen worden, das sind 2200 oder knapp 40 Prozent mehr als 2022. Und es ist der höchste Stand seit zehn Jahren. Damit wurden im Schnitt 21 Autos pro Tag gestohlen, im Jahr zuvor waren es noch 15 pro Tag.
„Die Tatgelegenheitsstruktur für Kfz-Diebstähle ist in Berlin für die hochprofessionellen Tätergruppierungen außerordentlich gut“, heißt es dazu in der Kriminalstatistik. Nach Erfahrung der Ermittler sind es meist gut organisierten osteuropäischen Banden, die Autos aus Berlin in Richtung Polen schaffen. Zwei Drittel der ermittelten Verdächtigen sind keine deutschen Staatsbürger, fast die Hälfte lebt nicht in Berlin. Pro gestohlenem Auto entstand im Schnitt ein Schaden von 24.500 Euro, insgesamt waren es fast 162,8 Millionen Euro, 45 Millionen Euro mehr als im Jahr zuvor.
Insgesamt beim Autoklau und bei Einbrüchen in Autos, um Wertgegenstände zu stehlen, kam Berlin 2023 auf ein Zehnjahresrekord an Fällen. Es gab 25 Prozent mehr Einbrüche in Autos. In 19.900 Fällen wurden Autoteile gestohlen, ein Anstieg um zehn Prozent. Allein 8000 Kennzeichen wurden entwendet.
Beim Betrug gab es 2023 insgesamt eine positive Entwicklung – ein Rückgang um 9,5 Prozent und die niedrigste Zahl an Taten seit zehn Jahren. Einen großen Anteil hat die BVG. Sie erstattet gegen Schwarzfahrer seltener Anzeige. Zuvor gab es eine Anzeige, wenn jemand mindestens dreimal binnen zwei Jahren ohne Fahrschein erwischt wurde, seit 2023 wurde der Zeitraum auf ein Jahr verkürzt.
3000 Fälle landeten nicht in der Kriminalstatistik
Allerdings ist der Rückgang beim Betrug nur die halbe Wahrheit, er fällt eigentlich geringer aus. 3000 Fälle landeten nicht in der Kriminalstatistik. Der Grund: Die Opfer sind zwar in Berlin, aber es gab keine Hinweise darauf, dass die Taten in Deutschland begangen wurden. Ähnlich ist es bei Internetkriminalität. Die ist nach der Statistik zurückgegangen, aber nur weil 31.000 Fälle nicht eingetragen werden konnte – Tatort Ausland. Andernfalls hätte die Polizei nun eine deutliche Zunahme der Internetkriminalität verkündet.
Ein weiteres Phänomen beschäftigt die Polizei – das kontaktlose Bezahlen mit Bankkarte und Handy und wie Betrüger es für sich nutzen.
- Die Menschen zahlen seltener mit Geheimzahl, sondern halten ihre Bankkarte einfach ans Lesegerät. Zudem zahlen mehr Menschen nicht direkt mit Bank- oder Kreditkarte, sondern mit Handy oder Smartwatch, die die Daten der Karten übermitteln.
- Diesen digitalen Wandel in der Alltagswelt wissen auch Kriminelle für sich zu nutzen, wie in der Kriminalstatistik für 2023 nachzulesen ist.
- Im nüchternen Polizeideutsch heißt es dazu: „Zugenommen hat vor allem der Computerbetrug mittels rechtswidrig erlangter Daten von Zahlungskarten mit 3914 erfassten Fällen.“ Das sind fast doppelt so viel wie 2022.
- Besonders häufig stellt die Polizei einen Missbrauch des kontaktlosen Bezahlens mittels virtueller Karten fest, die nach Phishing-Attacken rechtswidrig erstellt worden sind.
- Hinzu kommt, dass immer mehr Menschen die sogenannte NFC-Funktion ihrer Bankkarte an der Supermarktkasse für das kontaktlose Bezahlen.
Rückgang beim Waren- und Warenkreditbetrug
Einen Rückgang gab es beim Waren- und Warenkreditbetrug. Im Rekordjahr 2021, mitten in der Pandemie mit Lockdowns und Beschränkungen, bestellten die Berliner von zu Hause viel im Internet. Die Ware kam jedoch auch oft nicht an (Warenbetrug) oder wurde nicht bezahlt (Warenkreditbetrug). Derlei Taten sind 2023 mit neun Prozent deutlich zurückgegangen.
Der durch schwere Straftaten entstandene Schaden ist 2023 gestiegen – um eine Viertelmilliarde auf eine Milliarde Euro. Das hat mehrere Gründe, etwa der Autoklau, aber auch ein 21-Prozent-Anstieg von Verfahren zur Insolvenzverschleppung, in denen es auch um mehr Geld geht. Die Polizei interpretiert diese Entwicklung als Folge der Coronapandemie. In dieser Zeit wurden die Regeln für einen Insolvenzantrag zeitweise geändert, wodurch sich „krisen-bedingte Verbindlichkeiten steigern konnten“.
Ein Schaden von 50 Millionen Euro ist beim Einbruch in eine Tresor- und Schließfachanlage in Charlottenburg im November 2022 entstanden, die Summer ist jedoch erst in der Statistik für 2023 vermerkt worden. Der Prozess gegen die Verdächtigen läuft noch immer.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de