© Stefanie Herbst / Foto: Stefanie Herbst Update Lernhäuser und Projektklassen: Berliner Grundschule gehört zu den Siegern des Deutschen Schulpreises
Die Havelmüller-Grundschule in Tegel ist für ihr innovatives Schulkonzept ausgezeichnet worden. Sie erhält ein Preisgeld in Höhe von 30.000 Euro.
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Die Knopfaugen blicken sehnsüchtig nach oben. Die kleine Maus starrt in den nächtlichen Himmel, sie schaut auf den Mond, der hell scheint. Dort oben ist das Ziel der Träume dieser Maus, dort will sie hin. Und in grüner, kindlicher Schrift hat Malou (Name geändert) auf einer langen Papierrolle geschrieben, was die Maus dort sucht. Käse. Der Nager ist sicher, dass er dort ganz viel Käse findet. Also fliegt er in den Himmel, zum Käse.
Malou, die Zehnjährige, hat zusammenfasst, was in diesem Kinderbuch steht, der Geschichte der Mondfahrt einer Maus. Sie hat dazu Bilder gemalt, sie hat geschrieben, was sie am meisten fasziniert hat, alles notiert auf einer fast zwei Meter langen Papierrolle, die jetzt den ganzen Tisch in der Küche der Havelmüller-Grundschule in Tegel bedeckt.
Fächerübergreifendes Lernen – motivierte Schüler
Malou ist natürlich nicht allein, auch andere Schüler haben ihre Rollen ausgebreitet. Sie alle arbeiten am gleichen Projekt. „Uns geht ein Licht auf“, heißt es. Die Schüler haben überlegt, welche großartigen Erfindungen Menschen gemacht haben und dann alles auf einer Zeittafel aufgeschrieben. Natürlich haben auch Lehrer ihr Wissen ein wenig eingebracht, um zu helfen.
Strom ist eine dieser Erfindungen, aber wie kann man ihn einsetzen? Im Weltall und in der Tiefsee zum Beispiel? Am Ende des Projekts werden die Schüler mit Wechselstromanlagen selbst gebastelte Raketen und U-Boote beleuchten. Natürlich unter Anleitung eines Fachlehrerin. Aber auf dem Weg dahin gibt es ganz viele Zwischenschritte, und die Lektüre des Buchs von der fliegenden Maus und die Zusammenfassung des Inhalts gehören dazu.
Gleichzeitig werden hier, aus Sicht der Schüler quasi nebenbei, Deutsch, Sachkunde und Kunst unterrichtet. Aus Sicht der Lehrer ist das ein Kern ihrer Arbeit. Fächerübergreifendes Lernen, verbunden mit viel Motivation der Schüler.
Die Projektarbeit findet im so genannten „Kreativhaus“ der Schule statt, eines der insgesamt vier Lernhäuser, die es an dieser Grundschule gibt. Es gibt noch das Forscher-, das Entdecker- und das Sporthaus. Jedes Haus hat einen Projektschwerpunkt. Die Entdecker konzentrieren sich auf Erdkunde, die Forscher auf Naturwissenschaften, die Kreativen auf die Kreativität und das „Sport“-Lernhaus auf Bewegung.
Wir wollen, dass die Schüler Spaß am Lernen haben und nicht bloß Arbeitsblätter abarbeiten.
Bettina Gedike, Konrektorin der Havelmüller-Grundschule
Am Mittwoch hat die Jury des Deutschen Schulpreises der Havelmüller-Grundschule eine mit 30.000 Euro dotierte Auszeichnung verliehen. Seit 2006 vergibt die Robert Bosch Stiftung gemeinsam mit der Heidehof Stiftung den Deutschen Schulpreis. Die ARD und die „Zeit Verlagsgruppe“ sind Kooperationspartner der Preisverleihung.
Die Projektarbeit der Tegeler Grundschule und ihre Lernhäuser waren mit ausschlaggebend dafür, dass die Einrichtung zu den Preisträgern gehört. Die Kiezschule ist damit bis in den Kreis der fünf besten Schulen Deutschlands vorgedrungen. Kriterium für die Jury waren Antworten auf die Frage: Wie gestaltet man modernen Unterricht am besten, welche Verbesserungen sind möglich?
Schüler fit machen für moderne Arbeitsweisen
Das sind genau die Herausforderungen, denen sich die Havelmüller-Grundschule stellt. „Wir wollen Schüler frühzeitig dazu bringen, dass sie später verantwortungsvoll und handlungsorientiert im Team arbeiten können, dass sie sich mit ihren speziellen Fähigkeiten einbringen und selbstständig Lösungen entwickeln“, sagt Bettina Gedike, die Konrektorin der Schule. „Wir wollen Schule ins 21. Jahrhundert bringen, wir wollen, dass die Schüler Spaß am Lernen haben und nicht bloß Arbeitsblätter abarbeiten.“
Das wollen andere Schulen auch, sie kümmern sich um die gleichen Fragen, aber die Havelmüller-Grundschule gibt spezielle Antworten: Lernhäuser und fächerübergeifende Projektarbeit. Geistiger Kopf dieser Entwicklung ist Gaby Plachy, die langjährige Schulleiterin, die im Juni in den Ruhestand getreten ist.
Die Lernhäuser bestehen aus je vier Klassen, zwei für die Schüler der Klassen eins bis drei, zwei für die Schüler der Klassen vier bis sechs. Jedes Lernhaus hat sein eigenes pädagogisches Team aus Lehrern, Erziehern und Sozialarbeitern. Sie begleiten die Schüler von Klasse eins bis sechs. Auch die Schüler bleiben die ganze Zeit im gleichen Lernhaus. „Das hat den Vorteil, dass sie sich alle gut kennen“, sagt Gaby Plachy.
Für die Fächer Deutsch und Mathematik hat die Schule so genannte Lernwege entwickelt. Dabei sind die Ziele klar bestimmt, aber die Schüler entscheiden selbst, in welchem Tempo sie lernen und welche Aufgaben sie erledigen. „Bei uns wird jedes Kind dort abgeholt, wo es steht“, sagt Gaby Plachy.
Und das sind in der Kiezschule ganz unterschiedliche Ausgangspunkte. Die Lehranstalt liegt in einem sozialen Brennpunkt, mehr als 50 Prozent der Kinder sind nichtdeutscher Herkunft, es gibt viele Eltern, die von Transferleistungen leben.
Inklusion als Standard
In der Havelmüller-Schule lernen Kinder ohne Förderbedarf mit jenen, die einen haben, gemeinsam. Inklusion ist an der Schule schon lange Praxis. „In unserer Konzeption gehört alles zusammen und nichts ist im Einzelnen zu betrachten“, sagt Plachy. Kinder mit besonderem Förderbedarf werden aber noch speziell in kleinen Gruppen zusammengefasst und damit sehr individualisiert unterrichtet.
Das ist auch kein Alleinstellungsmerkmal der Schule, aber entscheidend für die Nominierung ist der Gesamteindruck. „Die Jury sagte, es sei enorm, wie groß bei uns der Wohlfühlfaktor sei“, sagt Plachy. Die Gesamtkonzeption, das hebt die Schule von vielen anderen heraus.
Das Konzept der Lernhäuser und der Projektarbeit, vor einem Jahr verwirklicht, das gab einen entscheidenden Schub. Acht Stunden in der Woche spüren die Schüler eine besondere Form des Unterrichts. Auf geradezu spielerische Weise erhalten sie Stoff verschiedener Fächer, von Sachkunde bis Mathematik.
Mathe auf der Tanzfläche
Im „Kreativhaus“ lautete ein Projektthema zum Beispiel „Wasser“. Eine Theaterpädagogin arbeitete, unterstützt durch eine Lehrerin, mit den Kindern aller Altersstufen ein Stück aus. Die jüngsten Schüler brachten viele Ideen ein, die Älteren, die schreiben konnten, notierten alles. Irgendwann stellte sich heraus, dass sich die Meerjungfrauen im Stück unwohl fühlten, weil so viel Plastik im Wasser schwamm.
Also gab es Überlegungen, wie man mit diesem Thema umgeht. Und wieder war das zugleich fächerübergreifender Unterricht. Deutsch, weil die Geschichten notiert wurden, Sachkunde und Gesellschaftswissenschaften wegen des Plastikmülls, Kunst wegen der kreativen Ideen, und Sport kam auch dazu.
Im „Forscherhaus“ fand der Mathematikunterricht auf der Tanzfläche statt, beim Projekt „Haustanz“. Wer einen Tanz entwickeln möchte, sagt Konrektorin Gedike, „der braucht eine Rhythmisierung. Der muss also wissen, wie Takt funktioniert.“ Dreivierteltakt, Viervierteltakt, das ganze Programm. „Da ist nicht bloß Sport dabei“, sagt Bettina Gedike, „sondern auch Bruchrechnen.“
Ein anderes Projekt der Schule lautete „Streit kann man lernen“. In diesem Fall sollten die Schüler lernen, in gewaltfreier Kommunikation einen Klassenrat zu bilden. „Die Kinder“, sagt Bettina Gedike, „haben die Giraffen- und Wolfssprache gelernt, Teil des Prinzips der gewaltfreien Kommunikation, und beschrieben, wie zwei Tiere einen Konflikt lösen, so dass alle zufrieden sind. Die Erstklässler haben die tollsten Geschichten geschrieben, wie so ein Konflikt zu lösen ist.“
Schon vor Bekanntgabe der Preisträger des Deutschen Schulpreises hatte Gaby Plachy eine Idee für ein Projekt der besonderen Art: „Das Forscherhaus benötigt dringend einen neuen Teamraum.“ Zwei sehr kompetente Architektinnen für dieses Vorhaben kennt sie bereits. Die 30.000 Euro Preisgeld machen die Umsetzung nun möglich.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de