© dpa Kolumne: Meine Champions: Tragödie und Triumph des Bobby Charlton
Die Partie zwischen Manchester United und Benfica Lissabon ist die Neuauflage des Europapokalfinales von 1968 – das Spiel, in dem Bobby Charlton und seine United-Kollegen Erlösung für die Flugzeugkatastrophe von München zehn Jahre zuvor fanden.
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In der vergangenen Woche hat Bobby Charlton seinen 80. Geburtstag gefeiert. 19 Jahre lang hat er für Manchester United gespielt, und passend dazu tritt sein Klub zum ersten Champions-League-Spiel nach dem runden Geburtstag im Estadio da Luz von Lissabon an. Manchester United gegen Benfica Lissabon – für Charlton ist das ist ein ganz besonderes Spiel. Es erinnert ihn an den ersten großen Triumph des Manchester United Football Club, aber auch an dessen größte Tragödie. Zehn Jahre liegen zwischen beiden Ereignissen.
1966 hat der elegante Mittelfeld-Stratege mit der hohen Stirn die englische Mannschaft zum Gewinn der Weltmeisterschaft geführt. „Es war das Paradies, einfach nur das Paradies“, schwärmte Charlton nach dem 4:2 daheim im Londoner Finale über Deutschland. Aber der emotionalste Erfolg folgt erst zwei Jahre später, abermals nach Verlängerung im alten Wembley-Stadion. Im Endspiel des Europapokals der Landesmeister geht es mit United gegen Benfica Lissabon. Bobby Charlton schießt das erste und das letzte Tor, außerdem treffen George Best und Brian Kidd für Manchester sowie Jaime Graça für die Portugiesen. Am Ende steht ein 4:1-Sieg und die späte Erlösung von einem Trauma. Wenn es denn überhaupt Erlösung geben kann für das, was ihm zehn Jahre zuvor widerfahren ist. Auf dem verschneiten Flughafen von Riem beim Munich Air Disaster.
Das Munich Air Disaster
Zwei Jahre zuvor, im Jahr 1956, hat Charlton zum ersten Mal für die erste Mannschaft von United gespielt. Als 18-Jähriger für die berühmten Busby-Babes, die blutjunge Mannschaft des legendären Trainers Matt Busbys. Gleich im ersten Profijahr gewinnt Charlton seine erste englische Meisterschaft. Ein halbes Jahr später, am 5. Februar 1958, tritt United im Europapokal bei Roter Stern Belgrad an. Charlton schießt zwei Tore, es reicht zu einem 3:3 und zum Einzug ins Halbfinale. Am nächsten Tag muss die Maschine auf dem Weg zurück nach Manchester einen Tankstopp in München einlegen. Schneetreiben empfängt die Mannschaft auf dem Flughafen Riem, es wird immer stärker, aber nach einer Stunde erteilt der Tower erteilte die Freigabe zum Start. Der Pilot bricht einen ersten Versuch ab und nach einer weiteren Viertelstunde später auch einen zweiten. Angst macht sich breit.
Der 21-jährige Duncan Edwards, das größte Talent des englischen Fußballs, hat Angst und schickt seiner Zimmerwirtin beim zwischenzeitlichen Aufenthalt im Flughafengebäude ein Telegramm. Dann geht es hinaus zum dritten Versuch und die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Die Maschine jagt über die Begrenzung der Rollbahn hinaus, gewinnt keine Höhe, durchschlägt einen Zaun und touchiert zwei riesige Betonblöcke, auf denen während des Zweiten Weltkrieges Flakgeschütze montiert waren. Die Blöcke schlitzen das Flugzeug an der rechten Seite auf. Wer dort sitzt, hat keine Chance. Kerosin tritt aus, Funken schlagen, dann kommt das Feuer.
23 Menschen sterben sofort, unter ihnen sieben Spieler. Der schwerverletzte Duncan Edwards überlebt die Katastrophe nur um drei Wochen. Bobby Charlton sitzt auf der linken Seite. Er wird beim Aufprall nach draußen geschleudert, verliert das Bewusstsein und kommt doch mit Kopf- und Schnittverletzungen davon, weil ihn der Torhüter Harry Gregg durch den Schnee kurz vor der Explosion von der brennenden Maschine wegschleift. Wenig später verliert er fast alle Haare. Acht Tage nach dem Unglück kann Charlton als erster Spieler nach Manchester zurückkehren.
Matt Busby erhält zweimal die letzte Ölung. Als er das Schlimmste überstanden hat, fragt er einen Mönch: „Wie geht es Duncan Edwards?“ Der Mönch zögert einen Augenblick, bevor er antwortet: „Mein Sohn, ich muss Ihnen sagen, dass Duncan Edwards tot ist.“
Traumaüberwindung
Zum Beginn der neuen Saison nimmt Busby seine Arbeit wieder auf. Es dauert sechs Jahre, bis United wieder eine englische Meisterschaft gewinnt. Und drei weitere Jahre bis zum Europapokalfinale von Wembley, mit Bobby Charlton und Billy Foulkes, einem weiteren Überlebenden von München. Das 4:1 über Benfica ist Matt Busbys größter Erfolg. Körperlich hat sich der Trainer von München erholt, aber seine Freunde sagen, er sei nie wieder der alte geworden. Bobby Charlton tut sich bis heute schwer damit, über München zu reden. Sein Bruder Jack, auch er Mitglied der Weltmeistermannschaft von 1966, hat ihn mal danach gefragt. Bobby habe erst gezögert und dann geantwortet: „Ich erzähle es dir jetzt. Aber frag mich dann nie wieder danach!“
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de