© Konstantina Levi
Gigolo Tears singt über die Periode: „Wahnsinn, dass Leute Menstruationsblut ekelhaft finden“
Gigolo Tears lebt in Berlin und hat mit „Cramps“ eine „Menstruationshymne“ geschrieben. Noch immer fühlen sich viele Leute von diesem Thema gestört.
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Die Türen des Museums Europäischer Kulturen in Dahlem öffnen sich und Chris Schalko tritt mit einem Lächeln auf dem Gesicht herein – gekleidet in dunkelblauem Trenchcoat, mit einer orangen Tasche und einer grünen Mütze. Aus der Mütze schauen blonde Haare hervor, deren Spitzen rosa gefärbt sind. Bekannt ist Schalko seit 2018 unter dem Künstlernamen Gigolo Tears. Vor drei Jahren outete sich Schalko als nicht-binär, weshalb in diesem Text auf Pronomen verzichtet wird.
Schalko hat den Treffpunkt ausgewählt, weil das Museum aktuell die Ausstellung „Läuft. Die Ausstellung über Menstruation“ zeigt. Mit diesem Thema beschäftigt sich auch Schalkos derzeit größter Hit. „Cramps“ heißt er und ist auf Spotify als „Menstruationshymne“ gelabelt.
„Ich kann Alles/Alles, Alles was du kannst/Während mein Unterleib/Meinen ganzen Körper verkrampft“ lauten die ersten Zeilen. Und thematisieren damit, dass menstruierende Menschen den Alltag auch mit Unterleibsschmerzen bewältigen. Doch wie kommt man auf die Idee, einen Menstruationssong zu schreiben?
„Zum einen stolpere ich immer wieder darüber, wie viel Zeit ich mit dem ganzen Kram um meine Periode verbringe. Ob Aggression, fünf Tage Krämpfe oder eingesaute Unterhosen“, sagt Schalko. „Und zum anderen betrifft das unglaublich viele Menschen, unter anderem Cis-Frauen, Transmänner und nicht-binäre Personen. Trotzdem ist es ein Tabu, das nervt mich.“
Zwar wird im gesellschaftlichen Diskurs immer mehr über die Periode geredet. Wirklich enttabuisiert ist sie jedoch nicht. Als der Hygieneartikel-Hersteller Always 2021 die blaue Flüssigkeit in seiner Werbung für Binden durch rote ersetzte, reagierten viele Zuschauer mit Kommentaren wie „ekelhaft“. In vielen Ländern gilt die Periode noch immer als „unrein“, als „mangelhaft“, was dazu genutzt wird, die Unterdrückung von Frauen zu legitimieren. Und bis heute werden Frauen, auch in Deutschland, mit Periodenbeschwerden häufig nicht ernst genommen. Schalko möchte deshalb dazu ermutigen, noch offener über die Periode zu sprechen.
In Berlin interessiert sich erstmal niemand für einen.
Chris Schalko
Auch darüber hinaus ist Schalkos Musik gesellschaftspolitisch. So werden im Song „Blau wie Powerade“ die Augen einer Person mit der Farbe des Energydrinks verglichen. Blaue Augen seien ein „Privileg“, heißt es dort.
Aufgewachsen in Greifswald hätte es nur zwei Optionen in der Jugend gegeben, sagt Schalko: „Entweder mit den Nazis in den Clubheimen oder bei den Punks im Jugendzentrum abhängen.“ Schalko entschied sich für Letzteres. Der Proberaum im Jugendzentrum sei der Einstieg in die Musikwelt gewesen.
Später zog Schalko für ein Kunststudium nach Hamburg und gründete zusammen mit Pola Lia Schulten das Riot-Pop-Duo Zucker. Die Musikrichtung war damals härter und wütender. Mit Gigolo Tears geht es, wie der Name bereits verraten mag, in eine softere Richtung.
Hamburg sei Schalko dann aber zu gemütlich geworden und nach einem kurzen Abstecher nach Leipzig folgte 2019 ein Umzug in die Hauptstadt. 2020 erhielt Schalko hier eine Förderung der Berliner „Initiative Musik“.
Mit Berlin selbst pflege Schalko jetzt eine Hassliebe. „In Berlin interessiert sich erstmal niemand für einen. Das kann zwar beängstigend sein, aber es ist auch cool, dass man dadurch einfach so sein kann, wie man will – gerade als queere Person.“
© Konstantina Levi
Schalko mag es, optisch aufzufallen. Das sieht man auch an diesem Tag im Foyer des Museums. Schalkos Wimpern sind mit oranger Wimperntusche getuscht, nur am rechten Ohr hängt ein Perlenohrring und pinke Steine kleben auf den Zähnen. Die sieht man oft, denn Schalko grinst viel.
Später in der Ausstellung: Schalko steht meist mit verschränkten Armen vor dem Bauch da oder krümmt den Oberkörper immer wieder nach vorne. „Ich muss sagen, dass ich auch jetzt mit Menstro-Cramps am Start bin“.
An die erste Periode hat Schalko nur bruchstückhafte Erinnerungen. Viel sei in der Jugend nicht darüber gesprochen worden. Erst in den letzten Jahren habe Schalko sich mehr mit der eigenen Menstruation beschäftigt.
Nicht alle finden es gut, dass Schalko das auch öffentlich tut. „Auf TikTok schrieben mir Leute, als nächstes müsste ich über Pipi oder Kaka schreiben. Ich finde es Wahnsinn, dass Leute das Menstruationsblut so ekelhaft finden und sich über den Song aufregen.“
In der Ausstellung hängt ein Hygieneartikel-Verbrenner, der früher auf Schulklos gehangen haben soll. „Achtung Ekelhaft!“, hat jemand darauf geschrieben. Schalko steht davor, liest und sagt: „Ich finde das so krass. Vielleicht kommen demnächst doch noch mal wütende Texte.“ Dann folgt ein Lachen und die Glitzersteine auf den Zähnen sind wieder zu sehen.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de