© stock.adobe.com/LIGHTFIELD STUDIOS Enttäuschte Erwartungen: Mama hat Geburtstag und keinen interessiert’s
Haben Papa oder die Kinder Geburtstag, kümmert sich oft Mama um Kuchen und Geschenke – doch geht selbst mitunter leer aus. Das rät eine Familienberaterin.
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Es muss 2019 gewesen sein, als Carolina Meißner der Unterschied so richtig auffiel. Wie jeden Tag waren sie und ihr Mann bis nach Mitternacht wach. Aber heute war ein besonderer Tag – der Tag vor Carolinas Geburtstag. Seitdem die beiden ein Paar waren, hatte ihr Mann ihr stets pünktlich um 0 Uhr gratuliert, in den ersten Jahren ihrer Beziehung auch ein Geschenk überreicht. Mit den Jahren war aus dem Geschenk ein Yes-Törtchen mit Kerze geworden. Für die Mutter zweier Kinder war auch das okay.
In diesem Jahr aber wartete Meißner vergeblich. Kein Törtchen, keine Glückwünsche – ihr Mann saß um Mitternacht sogar in einem anderen Zimmer. Zwanzig Minuten wartete Meißner, dann ging sie zu ihm und sah ihn aufgeregt an. „Was ist los?“, fragte er nur. „Da war ich sehr enttäuscht“, sagt die heute 35-Jährige. „Er hatte auch gar kein Geschenk für mich.“
Er verstand das Problem nicht
Geschichten wie die von Meißner findet man im Internet zuhauf. In Foren und sozialen Medien beklagen sich zahlreiche Mütter darüber, dass sie selbst ihrem Partner und den Kindern stets liebevolle Geburtstagstische herrichten – an ihrem eigenen Geburtstag jedoch niemand denselben Aufwand für sie betreibt. „Ich habe meinem Mann damals gesagt, dass ich das sehr schade finde. Aber er hat das Problem gar nicht richtig verstanden und gemeint, dass ich mir gerne am nächsten Tag im Laden ein Geschenk aussuchen dürfte“, erzählt Meißner.
Enttäuschte Erwartungen wie diese sind ein häufiges Thema in den Sprechstunden der Familienberaterin Ulla Richter. Der leere Geburtstagstisch steht symptomatisch für ein verbreitetes Phänomen unter Müttern: Das Empfinden, selbst sehr viel mehr Mühe und Aufwand in die Gestaltung des Familienalltags zu investieren als der Partner. „Wenn aus Paaren Eltern werden, finden sich viele Frauen plötzlich in der Rolle der fürsorglichen Mutter wieder, die sich um alles kümmert und ihre Bedürfnisse hintanstellt“, sagt Richter.
Moderne Paare leben plötzlich wie 1950, nur dass die Mutter auch noch arbeitet.
Ulla Richter, Familienberaterin
Wieso ist das so? Die meisten Paare machten sich vor der Familiengründung nur wenig Gedanken darüber, wie ihr Leben mit Kindern aussehen soll, so die Beraterin. Ist das Kind dann da, greife das Gehirn dann mangels Plan auf bekannte Muster zurück: „Vater, Mutter, Kind – was hab ich da abgespeichert? Zack, ist man bei der Beziehung seiner Eltern und Großeltern und fängt unbewusst an, deren Verhaltensweisen zu kopieren. Moderne Paare leben dann plötzlich wie 1950, nur dass heutige Mütter im Unterschied zu ihren Großmüttern auch noch berufstätig sind.“
Die Mutter sei dann auf einmal wie selbstverständlich neben ihrer Erwerbsarbeit auch für Haushalt, Geburtstage und alle anderen Kümmerthemen zuständig. Während die wesentliche Rolle des Vaters darin bestehe, erwerbstätig zu sein und bestenfalls „nach Feierabend so gut zu helfen, wie er kann“, sagt Richter. In dieser Konstellation ist es kein Wunder, dass Papa Mamas Geburtstag nicht vorbereitet: Geburtstagstische zu decken fällt einfach nicht mehr in seinen Zuständigkeitsbereich.
In Carolina Meißners Fall kam erschwerend hinzu, dass sie schon immer gerne dekorierte und Überraschungen vorbereitete, ihrem Mann dagegen selbst sein eigener Geburtstag herzlich egal ist. Hat eins der Kinder Geburtstag, ergreift stets Meißner die Initiative, deckt mit viel Spaß den Tisch, verstreut Konfetti, bastelt Geburtstagskronen. Ihren Mann fordert sie zum Helfen auf: „Er pustet dann die Luftballons auf oder bemalt das Zeitungspapier, das wir statt Geschenkpapier verwenden. Aber von allein kommt er einfach nicht auf sowas.“
Liebe gegen Leistung
Wieso sind es so häufig Mütter, die sich für Organisatorisches verantwortlich fühlen? Laut Richter spielt dabei Erziehung eine Rolle – und die unterschiedlichen Erwartungen, die Eltern an Söhne oder Töchter richten. Viele Frauen hätten in ihrer eigenen Kindheit verinnerlicht, niemandem zur Last fallen zu dürfen. Und dass es Liebe nur gegen Leistung gibt. „Ich muss alles perfekt machen“ sei ein verbreiteter Glaubenssatz unter Frauen, sagt Richter. „Er führt direkt zur Mutter, die arbeitet, den Großteil der Carearbeit erledigt, im Elternbeirat der Elterninitiative sitzt, biologisch saisonal kocht, dattelgesüßten Kuchen backt und ihr Kimchi selber fermentiert.“
Bei mir sitzen Paare, die seit Jahren nicht mal zehn Minuten pro Woche in ihre Beziehung investiert haben. Die kommen erst, wenn die Trennung im Raum steht.
Ulla Richter, Familienberaterin
Glücklich werden Menschen so allerdings nicht. Weshalb es nicht verwundert, dass sich jedes zweite deutsche Paar im Jahr nach der Geburt des ersten Kinds trennt. Wie schafft man es, als Eltern nicht in diese Falle zu tappen? Indem man die Paarbeziehung trotz Elternschaft pflege und viel miteinander spreche, erklärt die Familienberaterin. „Bei mir sitzen häufig Paare, die in den letzten fünf Jahren nicht mal zehn Minuten pro Woche in ihre Beziehung investiert haben. Die kommen erst, wenn die Trennung im Raum steht.“
Besser sei es, schon vor der Geburt des ersten Kindes eine gemeinsame Version vom Elternsein zu schaffen. Verletzungen und negative Glaubenssätze aus der eigenen Kindheit aufzuarbeiten. Und Strategien guter Kommunikation zu erlernen, notfalls mit professioneller Hilfe, rät die Familienberaterin. „In der Situation des vergessenen Geburtstages würde ich als Coach fragen: Was sind die Antreiber der Mutter? Und wie gelingt die Kommunikation der eigenen Wünsche und Bedürfnisse an ihren Partner? Ohne Vorwürfe, stattdessen mit klaren Ansagen über die Art und Weise, wie man behandelt werden will.“
Darüber sprechen hilft
Jeder Mensch werte andere Dinge als Liebesbeweis, erklärt Richter. Bei einigen Menschen führe vor allem körperliche Zärtlichkeit zum Gefühl, geliebt zu werden. Andere bräuchten das Gefühl der Anerkennung, wieder andere wünschten sich Hilfe oder kleine Aufmerksamkeiten, die von Herzen kommen. „Was sie brauchen, um sich geliebt zu fühlen, darüber müssen Paare sprechen“, findet die Beraterin.
Carolina Meißner hat genau das getan. „Nach dem enttäuschenden Geburtstag habe ich meinem Mann gesagt, was ich mir für die Zukunft wünsche: Dass er mir gleich um Mitternacht gratuliert, sofern wir noch wach sind. Dass er wenigstens ein kleines Geschenk besorgt. Und dass wir an meinem Geburtstag gemeinsam Zeit verbringen.“ Meißners Mann wiederum gibt in dem Gespräch zu, dass er es schwierig findet, sie zu beschenken, da Meißner auf das falsche Geschenk schon mal ungehalten reagiert. „Da hat er nicht ganz unrecht“, sagt sie lachend.
Inzwischen hat das Paar einen Weg gefunden, um Geburtstagsenttäuschungen zu vermeiden. Meißner führt über das Jahr eine Online-Liste mit Links zu Produkten, die ihr gefallen. Ihr Mann kauft ihr zum Geburtstag ein paar davon, sodass zumindest ein wenig Überraschungseffekt bleibt. Bei ihrem letzten Geburtstag stand sogar ein Kuchen auf dem Tisch – kein selbstgebackener zwar, aber Meißner war zufrieden.
Ulla Richter zufolge können solche Absprachen ein guter Weg sein, Frust zu vermeiden. Sie sollten nur nicht dazu führen, dass am Ende doch die Mutter wieder alles plant und ihr Partner lediglich „Erfüllungsgehilfe“ ist. „Wenn ich nämlich anfange, meinen Partner wie ein Kind zu behandeln, wird er sich auch wie eins benehmen“, findet die Beraterin. Stattdessen sollten die Partner ihre Beziehung pflegen und regelmäßig Zeit zu zweit verbringen. „Denn wenn ich eine enge Beziehung zu jemanden habe, dann möchte ich ihm auch gerne eine Freude machen.“
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de