Wiederentdeckt nach 100 Jahren: Diese Pflanzen galten als längst ausgestorben
© X. Cornejo Wiederentdeckt nach 100 Jahren: Diese Pflanzen galten als längst ausgestorben
Es gibt Menschen unter uns, die einer großen Mission nachgehen: die Natur abzulichten. Vor einigen Tagen hat ein Forschungsteam dank ihnen mehrere Pflanzen wiederentdeckt, die als ausgestorben galten.
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Es gibt Menschen, die im Stillen Großartiges vollbringen. Manche durchstreifen abgelegene Winkel der Erde und dokumentieren einen schon verloren geglaubten Reichtum der Natur – den der blühenden Pflanzen. Als hätte ein göttlicher Designer sie entworfen, ist jede Art anders schön. Tatsächlich hat aber natürlich die Evolution die Blütenfülle und den Duft hervorgebracht, um Bestäuber anzulocken und ihr Fortbestehen zu sichern.
Es ist paradox: Wenn wir könnten, würden wir mehr Zeit im Grünen verbringen. Viele Menschen lieben Blumen so sehr, dass sie sich aus Übersee importierte Sträuße in die Wohnung stellen. Und doch sind wir es, die die Lebensräume der Pflanzen bedrohen. Viele Arten gelten als ausgestorben, vielen weiteren droht dasselbe Schicksal.
Gegen das Vergessen stemmen sich aber inzwischen Millionen Menschen. Sie gehen freiwillig einer Mission nach – ausgestattet mit einer (Handy-)Kamera und dem Internet: die Natur abzulichten. Erst vor einigen Tagen hat ein Forschungsteam dank der Pflanzenliebhaber Arten aus der Pflanzengattung Nasa vorgestellt, die seit mehr als 100 Jahren in Vergessenheit geraten waren.
Je mehr Bürger:innen zur Datenbank beitragen und je mehr Fachleute sich an der Pflege beteiligen, desto mehr unbeschriebene oder lange verschollene Arten werden hoffentlich gefunden.
Internationales Forschungsteam um Tilo Henning vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung
Die Pflanzen wurden dank „iNaturalist“ wiederentdeckt. Es handelt sich um eine „Citizen Science“ oder Bürgerwissenschafts-Plattform, um die weltweite Artenvielfalt zu dokumentieren und zu erforschen. Bürger:innen, gleich aus welchem Land, können dabei mithilfe einer App ihre eigenen Naturbeobachtungen teilen – vom seltenen Schmetterling oder der gewöhnlichen Stadtpflanze, wie es auf der Seite heißt.
Das internationale Team um Tilo Henning vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg hat die iNaturalist-Daten gezielt durchsucht, ausgewertet und ist so auf die ungewöhnlichen Pflanzen gestoßen, die als längst ausgestorben galten. Ihre Ergebnisse stellten die Botaniker aus Deutschland, Ecuador, Peru und Costa Rica auf „PhytoKeys“ vor.
Die Nasa-Arten gehören der Familie der Loasaceae an. Sie haben schöne Blüten, doch ihre Stängel und Blätter sind mit Stacheln durchsäht. Die tropischen Pflanzen sind in den Anden in Zentral- und Südamerika verbreitet, aber kommen nur selten vor.
Nasa colanii wurde in 2600 Meter Höhe gesichtet. © A. A. Wong Sato
Zu den überraschenden Wiederentdeckungen zählt etwa Nasa colanii. Die Art war bislang ein einziges Mal im Jahr 1978 dokumentiert worden. Nun ist das Forschungsteam um Henning auf ein Foto aus 2019 gestoßen. Nasa colanii wurde auf rund 2600 Meter Höhe in einer unzugänglichen Region in einem Wald des peruanischen Naturschutzgebietes Cordillera de Colán gesichtet – und abgelichtet.
Seit 130 Jahren verschollen gewesen: Nasa ferox. © E. Segovia
Nasa ferox blieb rund 130 Jahre lang verschollen, 2022 wurde sie dann von einem iNaturalist-Nutzer hochgeladen, wie die Forschenden herausgefunden haben. Die Art wächst demnach auf einer Straße, die durch einen Park in der ecuadorianischen Stadt Cuenca, führt – gut versteckt in Felsspalten oder unter Sträuchern.
Der genaue Standort von Nasa ramirezii konnte nur mithilfe der Plattform iNaturalist ermittelt werden. © Phytokeys/R. Ripley
Nasa humboldtiana subspecies humboldtiana wurde dagegen nach 162 Jahren in einem Andenwald in der Provinz Chimborazo in Ecuador wiederentdeckt. Erste Daten zum Aussehen und ihrem genauen Standort gab es außerdem zu Nasa ramirezii.
Nasa solaria galt als längst ausgestorben. © P. Gonzáles
Doch die wohl aufregendsten Entdeckungen machte das Team, als es auf Fotos von Nasa hastata und Nasa solaria stieß. Versuche, diese beiden Arten in Pflanzensammlungen zu finden, schlugen laut dem Team so oft fehl, dass die Forschenden davon ausgingen, dass sie ausgestorben waren. Nun wurden einige kleine Populationen im peruanischen Lima gefunden.
Nasa hastata wurde im peruanischen Lima gefunden. © P. Gonzáles
„Je mehr Bürger:innen zur Datenbank beitragen und je mehr Fachleute sich an der Pflege beteiligen, desto mehr unbeschriebene oder lange verschollene Arten werden hoffentlich gefunden“, schreibt das Team um Henning. „Unsere Beispiele der Wiederentdeckung von Nasa ferox nach 130 Jahren und Nasa hastata nach 100 Jahren, die beide auf iNaturalist gefunden wurden, unterstreichen diesen Punkt.“
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de