Verherrlichung des Hamas-Terrors in Deutschland: Kann man Antisemitismus einfach abschieben?
© dpa/Paul Zinken Verherrlichung des Hamas-Terrors in Deutschland: Kann man Antisemitismus einfach abschieben?
Der brutale Terrorangriff der Hamas in Israel fordert immer mehr Menschenleben. In Deutschland wird das mitunter gefeiert. Lässt sich das ahnden? Experten erklären die Rechtslage.
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Es sei gut, was gerade in Israel passiere, sagt die Frau mit Kopftuch lachend in eine Fernsehkamera. „Sehr gut sogar.“ Sie habe die Ereignisse mit ihrer Familie zuhause gefeiert. Die Reaktionen auf die Terror-Angiffe der Hamas in Israel sind teils verstörend. In mehreren Städten in Deutschland solidarisierten sich Menschen mit der islamistischen Organisation und auch in Österreich oder Australien kam es zu Protesten.
„Wer die Verbrechen der Hamas verherrlicht oder ihre Symbole verwendet, macht sich in Deutschland strafbar“, das sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (FDP) am Donnerstag im Bundestag. Außerdem bekräftigte er, dass Hamas und die Organisation Samidoun in Deutschland verboten werden sollen.
Justizminister Marco Buschmann (FDP) will Menschen ausweisen, wenn sie Terror verherrlichen. In Schulen sorgen sich Lehrer, wie sie den Schulfrieden wahren. In immer mehr Städten muss die Polizei mit Protesten von Palästinensern umgehen. Wie drastisch darf der Staat dagegen vorgehen? Was ist rechtlich möglich und was nicht?
Ausweisungen
Ausweisungen sind nur möglich, wenn die betreffenden Personen keine Deutschen sind. „Allerdings ist das ein sehr langes Verwaltungsverfahren, in dem genau die Verhältnismäßigkeit geprüft wird“, sagte Thomas Oberhäuser. Er ist Experte für Migrationsrecht beim Deutschen Anwaltverein.
Wer seit Jahren rechtmäßig in Deutschland lebe oder hier Kinder habe, könne in der Regel nicht wegen eines einmaligen Fehltritts ausgewiesen werden. „So eine Forderung mag in der politischen Debatte gut ankommen, ist aber juristisch wenig tragfähig“, sagt Oberhäuser.
Wer seit Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt oder hier Kinder hat, kann in der Regel nicht wegen eines einmaligen Fehltritts ausgewiesen werden.
Thomas Oberhäuser, Experte für Migrationsrecht beim Deutschen Anwaltverein.
Gesetzliche Regelungen allerdings gibt es längst für Ausländer, die öffentlich Terror unterstützen. Diese werden in Paragraf 54 des Aufenthaltsgesetzes als „besonders schwerwiegende Ausweisungsgründe“ genannt. „Selbst bei schwersten Straftaten, geht einer Ausweisung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung voraus“, sagt Oberhäuser.
Es gehe um Menschen. „Und Menschen machen Fehler. Wir können nicht einfach sagen, weil man eine falsche Haltung hat, muss man das Land verlassen, das ist einem demokratischen Rechtsstaat nicht würdig.“
Wenn eine Privatperson in eine Kamera sagt, dass sie die Ereignisse in Israel feiert, dann ist das zutiefst verachtenswert, kann aber sicher nicht zu einer Ausweisung führen.
Helge Limburg, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag.
Auch der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Helge Limburg , sagt: „Das Ausweisungsrecht knüpft an Taten an, nicht an eine Gesinnung.“ Denn diese könne sich ändern. „Wenn eine Privatperson in eine Kamera sagt, dass sie die Ereignisse in Israel feiert, dann ist das zutiefst verachtenswert, kann aber sicher nicht zu einer Ausweisung führen.“ Limburg betonte: „Dass wir uns durch Ausweisungen von Antisemitismus entledigen könnten, ist ein Irrglaube, das ist reine Ablenkung.“
Günther Krings, rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, befürwortet dagegen Gesetzesverschärfungen. Zwar sei eine Ausweisung von Hamas-Sympathisanten nach derzeitiger Gesetzeslage schon möglich, weitere Schärfungen im Aufenthaltsrecht könnten den Gerichten die Entscheidung zugunsten einer Ausweisung aber erleichtern, sagte Krings dem Tagesspiegel. Krings Appell: „Das Ziel muss klar sein: Wer den Hamas-Terror verherrlicht, darf keinen Platz in Deutschland haben.“
Abschiebungen
Eine Ausweisung eines Menschen bedeutet noch keine Abschiebung, betont Migrationsrechtsexperte Oberhäuser. „Zur Umsetzung braucht es stets einen aufnehmenden Staat, meist das Heimatland. Bei Palästinensern ist eine Abschiebung sehr, sehr schwer, man müsste sie ins Westjordanland bringen und vorher Durchreisegenehmigungen für Israel und Jordanien bekommen“, sagte Oberhäuser.
Wir benötigen mehr Wissensvermittlung zum Nahostkonflikt in den Schulen und mehr Angebote mit Blick auf israelbezogenen Antisemitismus. Nach der Justiz ruft man immer dann, wenn es schon längst zu spät ist.
Meron Mendel, Leiter der Bildungsstätte Anne Frank.
Rufe nach Abschiebungen von nicht-deutschen Hamas-Fans hält der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, ohnehin für Symbolpolitik, zumal viele Personen deutsche Staatsbürger sein dürften. Die weite Verbreitung von antisemitischem Hass sei nicht allein mit Repressionen zu lösen. Es brauche einen Paradigmenwechsel, keine schärferen Gesetze, sagte Mendel dem Tagesspiegel.
„Wir benötigen mehr Wissensvermittlung zum Nahostkonflikt in den Schulen und mehr Angebote mit Blick auf israelbezogenen Antisemitismus.“ Da sei jetzt das gesamte Bildungssystem gefragt – von der Kita an, sagte Mendel. „Nach der Justiz ruft man immer dann, wenn es schon längst zu spät ist.“
Ein Sonderfall bei Abschiebungen ist das Asylrecht: Hier sind vor allem Straftaten relevant für den Prozess. Migrationsrechtsexperte Oberhäuser sagt: „Beispielsweise kann jemand aufgrund einer Straftat dauerhaft nicht würdig sein, internationaler Schutz zu erhalten. Schutz vor Abschiebung in den Tod oder schweren Gesundheitsgefahren wird dann zwar gewährt. Der Schutzstatus ist dann aber geringer.“ Für Abschiebungen stellten europäische Vorgaben „zurecht hohe Hürden“ dar, sagt der Rechtsanwalt.
Demonstrationsverbote
Die Polizei kann Demonstrationen untersagen, wenn etwa bei ähnlichen früheren Versammlungen Polizisten angegriffen, Strafbares skandiert wurde und damit der Eindruck, so lautet der Fachbegriff, einschüchternder Gewaltbereitschaft entstand.
Das Verbot ist nur als ultima ratio möglich, wenn die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nicht anders – etwa durch Auflagen – verhindert werden kann. Hinzu kommen noch die Anmelder selbst, ob sie frühere Auflagen durchsetzen konnten, ob sie in extremistischen Vereinigungen aktiv sind und ob diese zu Gewalt aufrufen.
Das Tragen von Palästina-Flaggen etwa ist – anders als Embleme verbotener Organisationen –nicht grundsätzlich verboten. „Wenn jemand im Anschluss an eine untersagte Demonstration mit einer Palästina-Flagge herumsteht, ist es aber vertretbar, dass die Polizei die Personalien aufnimmt und Platzverweise erteilt“, sagt Anwalt Oberhäuser. „Es geht dann um das Herstellen öffentlicher Ordnung.“
Verbot von Hamas und Samidoun
Bundeskanzler Scholz hat im Bundestag ein Betätigungsverbot für die EU-weit als Terrororganisation eingestufte radikal-islamische Hamas angekündigt. Diese soll in Deutschland laut Verfassungsschutz rund 450 Sympathisanten haben, viele von ihnen deutsche Staatsbürger. Das gleiche ist für das Palästinenser-Netzwerk Samidoun geplant, dessen Anhänger den Terror der Hamas gefeiert haben. Dies ist durch das Vereinsrecht möglich.
Für Mitglieder und Sympathisanten kann das Verbot schwerwiegende Folgen haben: „Die Folgen für den Einzelnen können sehr weitreichend sein. Wenn jemand Mitglied einer verbotenen Vereinigung ist, droht neben dem Strafverfahren die Ausweisung“, sagte Migrationsrechtsexperte Oberhäuser vom Deutschen Anwaltverein.
Vor allem bei Einbürgerungen sei dies ein scharfes Schwert: „Wenn auch nur der Verdacht der Unterstützung verbotener Vereinigungen im Raum steht, ist beispielsweise eine Einbürgerung faktisch ausgeschlossen“, sagte der Anwalt. „Das Mitlaufen bei Demonstrationen, die von verfassungsfeindlichen Organisationen unterstützt werden, reicht dafür aus.“
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de
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