Ungewöhnliche Entwicklung über der Antarktis: Klimawandel könnte Ozonschicht schädigen
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Ungewöhnliche Entwicklung über der Antarktis: Klimawandel könnte Ozonschicht schädigen
Das Ozonloch im Winter über dem Südpol war nach der Reduktion der schädlichen FCKW stetig kleiner geworden. Nun scheint sich diese Entwicklung aber zu verlangsamen.
Von Jan Kixmüller
Nach einer aktuellen Prognose des Copernicus Atmospheric Monitoring Service (CAMS) ist Anfang Dezember mit einem ungewöhnlich großen Ozonloch über der Antarktis zu rechnen. In diesem Jahr hat sich das Ozonloch laut CAMS-Daten einige Tage früher als üblich gebildet und stagniert seit Ende Oktober auf einer Fläche von etwas mehr als 15 Millionen Quadratkilometern, anstatt sich zurückzubilden. Die beobachtete Ausdehnung wird voraussichtlich bis in die erste Dezemberwoche andauern, erklärten CAMS-Wissenschaftler am Donnerstag.
Das Ozonloch in der Antarktis ist ein episodisches Ereignis, das unter normalen Bedingungen Mitte August beginnt und sich bis November kontinuierlich verkleinert.
Ungewöhnlich früh
In diesem Jahr hat das Ozonloch über der Südhalbkugel laut Copernicus jedoch einen ungewöhnlichen Start mit einer früheren Ausdehnung gezeigt. Auf seinem jährlichen Höhepunkt Mitte September wurde eine Gesamtfläche von 26,15 Millionen Quadratkilometern gemessen, was der sechstgrößten Ausdehnung seit Beginn der Satellitenmessungen 1979 entspricht. Obwohl die Fläche des Ozonlochs bis Anfang Oktober in typischer Weise abnahm, nahm sie gegen Ende des Monats wieder zu und verblieb bei etwa 15 Millionen Quadratkilometern.
Seit drei Jahren bereits wird eine ungewöhnliche Langlebigkeit des Ozonlochs beobachtet: Jahre. Seit 2020 schließt sich das Ozonloch deutlich später als üblich, jeweils Mitte bis Ende Dezember.
Hohe Temperaturen
Als Ursache für die diesjährige Situation über der Südhalbkugel sehen die Wissenschaftler vor allem überdurchschnittlich hohe Temperaturen in der Stratosphäre und einen starken Polarwirbel, der bis in den Dezember hinein anhielt.
Für die beobachtete Verstärkung des Polarwirbels identifizierten sie mehrere mögliche Treiber, die aber noch weiter erforscht werden müssen, etwa Wasserdampf, der vom Vulkanausbruch des Hunga Tonga in die Stratosphäre gelangt ist, Veränderungen der Windmuster auf der Südhalbkugel und der Klimawandel.
Rückgang um ein Viertel
Über der Antarktis erholt sich die Ozonschicht möglicherweise nicht so gut wie in den vergangenen Jahren prognostiziert, schreiben Forscher in einer aktuellen Studie im Fachmagazin „Nature Communications“. Die Konzentration des Gases im Zentrum des Ozonlochs über dem südlichsten Kontinent sei in den Oktobermonaten seit 2004 um gut ein Viertel zurückgegangen. Das Ozonloch trete zudem später im Jahr auf und schließe sich später als in vorangegangenen Jahren.
Für ihre Arbeit analysierten die Forschenden die täglichen und monatlichen Schwankungen der Ozonkonzentrationen zwischen 2001 und 2022 in verschiedenen Höhen der Stratosphäre. Als mögliche Ursache nennen sie Veränderungen in der Dynamik der Mesosphäre, der Atmosphärenschicht oberhalb der Stratosphäre: Neben ozonabbauenden Substanzen wirke sich auch der Klimawandel auf die Ozonschicht aus.
Erholung dennoch erwartet
Wissenschaftler, die nicht an der Studie beteiligt waren, sehen die Erholung der Ozonschicht und die Wirkung des Verbots der Fluorkohlenwasserstoffe (FCKW) im Montrealer Protokoll durch diese Entwicklung langfristig jedoch nicht infrage gestellt. Für Ulrike Langematz, Leiterin der Arbeitsgruppe Atmosphärendynamik, Institut für Meteorologie an der Freie Universität Berlin, liefert die Studie keine eindeutigen Hinweise darauf, dass das Ozonloch in Zukunft wieder größer wird.
Zum einen zeige die Untersuchung – wie auch andere Studien – eine signifikante Erholung der Ozonschicht im September, die allgemein mit der Abnahme ozonabbauender Substanzen erklärt wird. Zum anderen weisen die Autoren der Studie – ebenfalls in Übereinstimmung mit anderen Untersuchungen – darauf hin, dass es mehrere mögliche Ursachen für die großen Ozonlöcher der letzten Jahre geben könnte. „Aus den Ergebnissen der Studie kann daher nicht geschlossen werden, dass das Ozonloch in Zukunft wieder größer wird“, sagte Langematz gegenüber dem Science Media Center Deutschland (SMC).
Warum gerade die zurückliegenden drei Jahre so hervorstechen, sei noch nicht klar, betont Sabine Bischof vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR). Aerosole aus Vulkanausbrüchen und Waldbränden in Australien könnten einen Beitrag dazu geleistet haben
Die tiefrote Farbe zeigt die Stellen, an denen sich die Antarktis von 1960 bis 2010 am stärksten erwärmt hat.
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Zum Einfluss des Klimawandels sagte Martin Dameris vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt dem SMC, dass außerhalb der Polargebiete der Klimawandel bekanntlich einen positiven Einfluss auf die Ozonschicht habe. Im winterlichen stratosphärischen Polarwirbel – dort, wo der starke Ozonabbau stattfindet – könne die Situation jedoch anders aussehen, wie die nun vorliegende Studie zeigt. „Diese zusätzlichen Prozesse erschweren nicht nur den eindeutigen Nachweis, sondern auch die Vorhersage des Tempos der künftigen Erholung“.
Der Physiker Dameris geht aber fest davon aus, dass sich die Ozonschicht etwa Mitte dieses Jahrhunderts vollständig regenerieren wird, wie es auch die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) erwartet. Der Chlorgehalt durch die FCKW sei zwar nach wie vor hoch. Doch seit Mitte der 1990er Jahre sei ein Rückgang von etwa zwölf Prozent gemessen worden. „Also: Das Montreal Protokoll zum Schutz der Ozonschicht wirkt. Aber es braucht noch Zeit.“
Einfluss des Klimawandels
Offen ist für ihn dagegen die Frage, wie sich die Ozonschicht unter den Bedingungen des Klimawandels, also in einer Atmosphäre mit höheren Treibhausgaskonzentrationen, entwickelt. „Hier sind noch einige Fragen zu klären, unter anderem zu möglichen Veränderungen in der Dynamik der Atmosphäre.“ Der Klimawandel sei eine bedeutende Komponente, die im Auge behalten werden muss.
Eine wichtige Erkenntnis der Studie sei auch, dass das Ozonminimum im Ozonloch immer näher an den Sommer rückt, wenn die meteorologischen Bedingungen stimmen, so Christoph Brühl vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. Die Gefahr durch erhöhte UV-Strahlung für Pflanzen, Tiere und Menschen sei dann vorübergehend größer: „Das ist auch in der Nähe der Arktis möglich“, so der Forscher.
1987 hatten die Vereinten Nationen das Montrealer Protokoll verabschiedet, das alle Staaten verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz der Ozonschicht zu ergreifen. In der Folge wurde der Ausstoß von ozonschädigenden Stoffen konsequent reduziert. Aus diesem Grund ging die Forschung zunächst davon aus, dass sich das Ozonloch bis etwa Mitte des 21. Jahrhunderts wieder komplett schließen würde.
Studien der letzten Jahre deuten jedoch darauf hin, dass dies etwa 30 Jahre länger dauern könnte, und zwar wegen erhöhter Dichlormethan-Emissionen – vor allem in China –, die im Montreal-Protokoll nicht aufgeführt sind, weil sie nur kurzlebig sind. Hinzu kommen Emissionen aus großflächigen Waldbränden.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de