„Überschriften-Populismus“: Lindners Sozial-Moratorium verärgert SPD und Grüne

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„Überschriften-Populismus“: Lindners Sozial-Moratorium verärgert SPD und Grüne

© dpa/Serhat Kocak

„Überschriften-Populismus“: Lindners Sozial-Moratorium verärgert SPD und Grüne

Finanzminister Christian Lindner fordert, in den kommenden drei Jahren keine neuen Sozialleistungen einzuführen. Seine Koalitionspartner werfen dem FDP-Politiker Populismus vor.

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Finanzminister Christian Lindner tat so, als verstehe er die Aufregung nicht. Deutschland werde seine Nato-Verpflichtungen einhalten „und dafür werden wir auch nicht unsere soziale Sicherheit einschränken müssen“, sagte der FDP-Politiker am Donnerstagmorgen vor dem Treffen mit seinen europäischen Amtskollegen im belgischen Gent.

In den Ohren von SPD und Grünen hatte das einen Abend zuvor noch ganz anders geklungen. Da hatte Lindner in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“ ein Moratorium für Sozialleistungen vorgeschlagen, damit Deutschland wie zugesagt in den kommenden Jahren zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in Verteidigungsausgaben stecken kann.

Sozialpolitiker von SPD und Grünen werfen Lindner deshalb Populismus vor. Es trage nicht zum sozialen Frieden bei, sagte SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt dem Tagesspiegel, „wenn wir die Ukraine-Hilfe gegen Sozialleistungen ausspielen“. Sie fügte hinzu: „Auch von der FDP in der Regierung erwarte ich seriöse Sozialpolitik statt Überschriften-Populismus.“

Die Grüne Beate Müller-Gemmeke kritisierte Lindner dafür, dass er schon wieder „die Kürzung von Sozialleistungen als Lösung für diesen Haushalt und alle Probleme in der Welt“ nenne.

In Gent mühte sich Lindner, noch einmal seine Position zu erläutern. Regelmäßige Erhöhungen von Bürgergeld, Rente und weiteren Sozialleistungen aufgrund der Lohn- und Kostensteigerungen seien in Ordnung. Er wolle lediglich verhindern, dass in den kommenden drei Jahren zusätzliche Sozialleistungen entstehen.

In Deutschland sei es ein regelrechter Sport gewesen, ständig neue Subventionen und höhere soziale Leistungen zu beschließen, sagte Lindner. Nun müsse man mit dem Bestehenden einmal drei Jahre auskommen.

Kein Stopp der Kindergrundsicherung

In Berlin ordnete das Finanzministerium Lindners Äußerungen weiter ein. Die Kindergrundsicherung spielt demnach für das geplante Moratorium ausdrücklich keine Rolle. „Zur Kindergrundsicherung gibt es eine Einigung, und über alles andere wird man im Rahmen der Haushaltsberatungen sprechen“, sagte eine Sprecherin.

SPD und Grüne beruhigte das allerdings nicht. Denn neben der Kindergrundsicherung will die Ampel in dieser Legislaturperiode noch weitere neue Sozialleistungen einführen. So sollen die Angehörigen von Pflegenden ab 2025 mehr Unterstützung erhalten. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) plant zudem die Familienstartzeit. Bei der Geburt des Kindes sollen Väter und lesbische Co-Mütter zwei Wochen Urlaub bekommen.

Ob Lindner diese oder weitere Projekte stoppen will, blieb am Freitag offen. Der FDP-Chef solle konkreter werden, „damit alle wissen, woran sie sind“, sagte Schmidt. „Wir stehen auch weiter für einen starken Sozialstaat, wenn es zum Beispiel um den Kampf gegen Kinderarmut, die Unterstützung pflegender Angehöriger oder ein besseres Gesundheitssystem geht.“

Niemand hat sich Armut ausgesucht.

Beate Müller-Gemmeke, Sozialpolitikerin der Grünen

Die Grünen beschwerten sich vor allem über das Signal, das Lindner mit Begriffen wie Sozialleistungs-Moratorium setze. „Wir reden über Menschen“, sagte Müller-Gemmeke dem Tagesspiegel. Man dürfe jenen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, nicht ständig sagen, „dass man bei ihnen sparen kann“.

Müller-Gemmeke hat besonders die vielen Alleinerziehenden im Blick, die Sozialleistungen beziehen. Viele könnten wegen einer fehlenden Kinderbetreuung nicht Vollzeit arbeiten. „Christian Lindner sollte nicht suggerieren, dass sie faul sind. Niemand hat sich Armut ausgesucht“, sagte sie.

Zustimmung erhielt Lindner vom Ökonomen Clemens Fuest in der Sendung von Maybritt Illner. Aus Sicht des Präsidenten des Ifo-Instituts führt an Kürzungen im Sozialbereich kein Weg vorbei. „Kanonen und Butter – das wäre schön, wenn das ginge. Aber das ist Schlaraffenland“, sagte er.

In Gent ging bei aller Aufregung um Lindners innenpolitisches Signal eine positive Nachricht dann fast unter. Die Europäische Union wird ihre neue Anti-Geldwäsche-Behörde in Frankfurt am Main ansiedeln. „Ein gutes Zeichen“, sagte Lindner, dass Deutschland in Europa keine marginale Rolle habe, sondern im Zentrum des Gesprächs bleibe.

Im Zentrum der Ampel-Gespräche bleibt nach seinem Vorstoß wohl Lindner. Einen Beliebtheitspreis bei seinen Koalitionspartnern wird er damit allerdings nicht gewinnen.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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