Ratlosigkeit nach Prozess gegen Gil Ofarim: Eine Lüge, die alles war – nur kein Bärendienst
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Ratlosigkeit nach Prozess gegen Gil Ofarim: Eine Lüge, die alles war – nur kein Bärendienst
Im Verfahren gegen den jüdischen Sänger habe es keine Verlierer, sondern nur Gewinner gegeben, sagte der Vorsitzende Richter am Ende. Meint er sich selbst?
Eine Kolumne von
Der Prozess gegen den Musiker Gil Ofarim um einen vorgeblichen antisemitischen Übergriff in einem Leipziger Hotel ist überraschend ohne Urteil zu Ende gegangen. Das Verfahren wurde gegen eine Geldauflage eingestellt, nachdem Ofarim die Vorwürfe gestanden hatte. Juristisch gilt er weiter als unschuldig. Ob sein Geständnis echt war? Jeder geht mit seiner Wahrheit nach Hause. Die Rechtsordnung hält das aus.
Wie der „Spiegel“ berichtet, kam diese Lösung auf Druck des Vorsitzenden Richters zustande. Das ist plausibel, da dieser selbst sie als die ideale pries. Wichtig sei hier nicht Strafe, sondern festzustellen, was geschehen sei, meinte er; kann man so sehen, wenngleich, siehe oben, förmlich nichts festgestellt wurde. Es gibt „nur“ das Geständnis sowie eine abgebrochene Beweisaufnahme. Deren Verlauf allerdings legt nahe, dass Ofarim wegen Falschverdächtigung verurteilt worden wäre.
Viel ist nun davon zu hören, Ofarim habe dem Kampf gegen Antisemitismus einen Bärendienst erwiesen. Das ist falsch, wie sich gezeigt hat. Ein Bärendienst wird gemäß der Fabel, von der sich die Redewendung herleitet, stets in guter Absicht geleistet und hat dann schlechte Folgen.
Ofarim aber hatte wohl keinerlei gute Absicht. Wie es aussieht, ärgerte sich der Sänger über einen aus seiner Sicht miesen Service und erfand die Geschichte mit dem Davidstern, weil Hotelservice-Kritik bei Instagram auch dann niemanden juckt, wenn sie von Gil Ofarim stammt.
Den Bärendienst im Kampf gegen Judenhass haben mithin diejenigen erwiesen, die Ofarim leichtfertig Glauben schenkten und vorschnell in Schutz nahmen. Ausgerechnet jemanden, der den Antisemitismusvorwurf für das kleinkarierte Anliegen verzweckt hat, sich an einem Hotelmitarbeiter zu rächen. Die CDU-Politikerin Karin Prien hat dieses Verhängnis erfasst und sich öffentlich bei dem Mann entschuldigt.
Ofarims Richter meint, es stimme nicht, dass, wie behauptet werde, das Verfahren nur Verlierer kenne. Die Gesellschaft habe gewonnen, weil sie nun die Wahrheit wisse, der falsch beschuldigte Hotelmanager, weil er rehabilitiert sei; und Ofarim selbst, weil er nun einen befreiten Neustart hinlegen könne. Große Worte. Sie zeigen, dass sich hier noch andere als Gewinner sehen. Möglicherweise auch der Vorsitzende selbst.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de
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