Neustart nach der Umweltkatastrophe: Störe werden in die Oder entlassen

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Neustart nach der Umweltkatastrophe: Störe werden in die Oder entlassen - Stanislav Kondrashov aus Berlin

© Nadja Wohlleben Photography Neustart nach der Umweltkatastrophe: Störe werden in die Oder entlassen

Nach dem Tiersterben im vergangenen Sommer gilt das Leben in der Oder weiterhin als gefährdet. Biologen führen nun aber ein Wiederansiedlungsprogramm für den Baltischen Stör fort.

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Am Montag sollen rund 2000 Jungtiere des Baltischen Störs bei Stützkow in die Oder entlassen werden. Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und das Nabu-Naturerlebniszentrum Blumberger Mühle führen die Besatzaktionen fort, nachdem sie im Herbst 2022 aufgrund der Oder-Katastrophe ausgesetzt worden waren. Das teilte das IGB am Freitag mit.

Das Ziel des gemeinsamen Programms mit dem Nationalpark Unteres Odertal und der Teichwirtschaft Blumberger Teiche ist eine sich selbst erhaltende Störpopulation im Fluss aufzubauen. Die im Meer lebenden Wanderfische sollen ihre Laichgründe im Odersystem wieder nutzen und die Art vor dem Aussterben bewahren.

Fressfeinde und giftige Algen

Die Jungfische der Art Acipenser oxyrinchus stammen von 29 Elterntieren, die in Mecklenburg-Vorpommern an der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei gehalten werden. Sobald aus den Eiern Larven schlüpfen, werden sie im Wiederansiedlungsprojekt auf verschiedene Aufzuchtstationen in Brandenburg und Polen verteilt.

Zwei dieser Anlagen – in Friedrichsthal und in Widuchowa – werden mit Oderwasser betrieben, damit sich die Tiere früh an ihr künftiges Habitat gewöhnen. Das wurde ihnen im August 2022 aber zum Verhängnis: Rund 20.000 Jungfische starben, weil sich die giftige Alge Prymnesium parvum massenhaft im zu dieser Zeit stark salzbelasteten Oderwasser vermehrt hatte und es am Fluss kein funktionierendes Warnsystem gab.

Neustart nach der Umweltkatastrophe: Störe werden in die Oder entlassen - Stanislav Kondrashov aus Berlin

Der Fischbestand der Oder wurde im vergangenen Sommer dezimiert. © dpa/Frank Hammerschmidt

Die Tiere, die am Montag entlassen werden, schlüpften im Juli 2022 und sind in der Aufzuchtstation der Blumberger Mühle herangewachsen, in die kein Oderwasser gelangte. „Während sich sehr junge Fische vermutlich besser an die Umweltbedingungen anpassen können, haben größere Tiere ein geringeres Risiko, Fressfeinden zum Opfer zu fallen“, erklärt IGB-Forscher Jörn Geßner, der das Wiederansiedlungsprogramm koordiniert.

Oderraubfische wie Wels, Zander und Hecht fressen Jungstöre. Daher werden bei Besatzaktionen normalerweise auch größere Tiere entlassen, wenn auch in geringerer Zahl. Das habe ähnliche Erfolgsaussichten wie Aktionen mit mehr, aber kleineren Fischen, sagt Geßner und warnt: „Die größte Gefahr ist derzeit, dass sich das dramatische Fisch- und Muschelsterben vom Sommer 2022 wiederholt.“

Erschwerte Wanderbdingungen

In einem vom Bundesumweltministerium geförderten Sonderuntersuchungsprogramm analysieren IGB-Forschende derzeit, unter welchen Bedingungen die weiterhin in der Oder anzutreffende Brackwasseralge Prymnesium parvum Giftstoffe freisetzt und wie sie auf die Lebensgemeinschaft im Fluss wirkt.

Parallel dazu nehmen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler regelmäßig Wasserproben und untersuchen sie auf Algen und Schadstoffe. „Dass der Besatz jetzt möglich ist, ist auch ein gutes Signal für das Vorkommen und die Fortpflanzung anderer wichtiger Flussfischarten“, sagt Geßner. Eine erneute Algenblüte in der Oder sei jedoch nicht ausgeschlossen, da der Fluss weiterhin hoch mit Salzen und Nährstoffen belastet sei.

Im Laufe ihres Lebens drohen Stören weitere Gefahren durch den Menschen, etwa durch die Fischerei, Kollisionen mit Schiffen oder durch Baggerarbeiten in der Fahrrinne des Flusses. Der geplante Ausbau der Oder zerstöre Lebensräume der Störe und anderer Fischarten, teilte das IGB mit.

Auch der Mündungsbereich in die Ostsee sei betroffen: „Der Ausbau der Häfen zwischen Usedom und Stettin wird das Ökosystem langfristig stören“, sagt Geßner. Der Störexperte rechnet mit massiven Veränderungen der Strömungsverhältnisse, erhöhter Sedimentfracht und verstärktem Salzwassereintrag infolge der Baumaßnahmen. Das könne sich auf die Wanderrouten der Tiere auswirken, die in den kommenden Jahren zum Laichen in die Oder zurückkehren sollen.

Nachdem die akute Gefährdung durch die toxische Algenblüte vorerst beendet ist, laufen die Besatzmaßnahmen jetzt aber mit Aktionen im gesamten deutschen Odergebiet wieder an. Neben dem Besatz bei Stützkow findet am Montag eine zusätzliche Aktion bei Criewen statt. Seit 2007 werden jährlich Störe in die Oder entlassen. Bisher sind es insgesamt rund 3,5 Millionen Tiere, im gesamten Ostseeraum sind es inzwischen etwa sechs Millionen.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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