Nach Vorstoß von Lang und Kretschmann: Grüne wollen Geflüchteten-Zuzug nicht begrenzen

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Nach Vorstoß von Lang und Kretschmann: Grüne wollen Geflüchteten-Zuzug nicht begrenzen

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Exklusiv Nach Vorstoß von Lang und Kretschmann: Grüne wollen Geflüchteten-Zuzug nicht begrenzen

Der Parteivorstand arbeitet an einem ein Positionspapier zur Migrationspolitik. Ein Entwurf liest sich wie eine Korrektur eines Tagesspiegel-Beitrags von Ricarda Lang und Winfried Kretschmann.

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Es war der Versuch, aus der Defensive zu kommen. In einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel haben Grünen-Chefin Ricarda Lang und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann eine grüne Antwort auf die aktuelle Migrationsdebatte gegeben.

Der zentrale Gedanke dabei: Wegen der Überlastung der Kommunen muss der Zuzug von Geflüchteten nach Deutschland begrenzt werden. „Und wenn die Kapazitäten – wie jetzt – an ihre Grenzen stoßen, müssen auch die Zahlen sinken“, schrieben Lang und Kretschmann.

Doch genau dieser Satz hat bei den Grünen viele verstört. In einem Entwurf für ein Positionspapier des Bundesvorstands zur Migrationspolitik taucht der Gedanke nicht mehr auf. Mehr noch: Er wird in sein Gegenteil verkehrt. „Wir nehmen Schutzbedürftige auf und werden damit unserer humanitären Verantwortung gerecht“, heißt es nach einem Absatz, der die sich anbahnende Überforderung vieler Kommunen beschreibt.

Das siebenseitige Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, liest sich wie eine Kurskorrektur – als hätten die Grünen den Vorschlag der Parteilinken Lang und des Realo-Chefs Kretschmann so nicht stehen lassen wollen.

Allerdings könnte es an dem Entwurf nach Tagesspiegel-Informationen noch Änderungen geben. Es handelt sich nicht um eine finale Version. Initiiert haben soll das Positionspapier laut Parteikreisen Langs Co-Parteichef Omid Nouripour.

Ausbau der Kapazitäten statt Begrenzung

Das Positionspapier, das als Vorlage für einen Parteitagsbeschluss angedacht ist, skizziert in sieben Punkten eine grüne Migrationspolitik. Bereits in einer ersten Reaktion hatten Parteilinke zum Beitrag von Lang und Kretschmann gesagt: Wenn die Kapazitäten an ihre Grenzen stoßen, müssten die Kapazitäten ausgebaut werden.

Dieser Gedanke findet sich nun auch in dem Positionspapier. Um die Kommunen zu entlasten, wollen die Grünen vor allem die Infrastruktur verbessern. „Wir wollen stärker in Wohnraum, Schulen und Kitas sowie in das Gesundheitssystem investieren“, heißt es.

Geflüchtete wollen die Grünen schneller in den Arbeitsmarkt integrieren. Arbeitsverbote wollen sie abschaffen. Für die bessere Integration von Geflüchteten zu schaffen, schlagen die Grünen „einen Runden Tisch aus Kommunen, Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft vor“. Zur Begründung heißt es: „Die meisten Menschen, die in den letzten Jahren nach Deutschland gekommen sind, werden hier bleiben.“

Wir wollen keine Welt, in der Menschen erst nach Europa fliehen müssen, um in Sicherheit zu sein.

Positionspapier der Grünen zur Migration

Zugleich wird in dem Papier auch betont, dass nicht alle nach Deutschland gekommenen Menschen ein Bleiberecht haben. Aber jeder Schutzsuchende habe Anrecht auf ein rechtsstaatliches Verfahren. Das Grundrecht auf Asyl werde man gegen Menschenfeindlichkeit verteidigen.

Fokus auf Humanität

Für eine Begrenzung der illegalen Einwanderung setzen die Grünen vor allem auf Migrationsabkommen. Zudem fordern sie eine bessere Verteilung in Europa, weshalb zukünftig auch jeder Flüchtling bei seinem Eintritt in Europa registriert werden soll. Außerdem wollen die Grünen Fluchtursachen begrenzen.

Lassen sich Krisen nicht vermeiden, wollen die Grünen erreichen, dass Geflüchtete bereits in umliegenden Staaten eine Perspektive erhalten. „Wir wollen keine Welt, in der Menschen erst nach Europa fliehen müssen, um in Sicherheit zu sein“ – mit diesen Worten endet das Papier.

Überschrieben ist es mit den Worten: „Humanität und Ordnung“. Diesen Leitgedanken verwendeten bereits Lang und Kretschmann in ihrem Gastbeitrag. Doch im Vergleich liegt in dem Positionspapier des Bundesvorstands nun der Fokus deutlich stärker auf dem Aspekt Humanität.

In der Partei dürfte das noch für viel Diskussionsstoff sorgen. Denn während Parteilinke wie auf den Vorschlag von Lang und Kretschmann mit Kritik reagierten, erhielt er von Realos viel Lob. „Ganz wichtiger, präziser und zugleich angemessen unaufgeregter Beitrag“ schrieb etwa Agrarminister Cem Özdemir zu dem Text bei X. Ob das Positionspapier des Bundesvorstands bei den Grünen in Baden-Württemberg ähnlich gut ankommt, ist fraglich.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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