„Ich finde es bemerkenswert, wie viel andere Jugendliche konsumieren“: Berlinerin gewinnt Plakat-Wettbewerb gegen Alkoholexzesse
© DAK-Gesundheit/Paul Hahn „Ich finde es bemerkenswert, wie viel andere Jugendliche konsumieren“: Berlinerin gewinnt Plakat-Wettbewerb gegen Alkoholexzesse
Die 17-Jährige Linda Brandt aus Berlin-Köpenick wurde Siegerin der Kampagne „Bunt statt blau“, mit der eine Krankenkasse Teenager dazu bringen will, weniger zu trinken.
Von Daniela Martens
Es war eine Party mit vielen Freunden, alle etwa 16 Jahre alt. „Ich war sehr überrascht, wie viele von ihnen sehr betrunken waren, ich musste mehrere nach Hause begleiten, weil ich die einzige Nüchterne war“, erzählt die 17-jährige Linda Brandt aus Köpenick. Sie selbst trinke selten Alkohol. Warum? „Ich weiß, wie sehr man die Kontrolle verlieren kann und ich bin wirklich gar kein Fan von Kontrollverlust“, sagt die Elftklässlerin, die nächstes Jahr Abitur macht.
Wie ein solcher Kontrollverlust aussehen könnte, hat sie vor Kurzem gemalt: ein Selbstporträt in Blau vor schwarzem Hintergrund, die Augen verrutscht, die Hände umfassen das Gesicht, als wüsste sie vor lauter verzweifelter Haltlosigkeit nicht, wo sie sich sonst festhalten sollte. „Turn your life around“, hat sie daneben geschrieben, und auf der anderen Hälfte des Bildes sieht man ein zweites Selbstporträt in angenehmen Farben, die Haare bunt gefärbt, ein leises Lächeln umspielt die Lippen, sie sieht zufrieden aus. Bis auf die Haarfarbe sieht ihr dieses Abbild viel ähnlicher.
Das Gemälde reichte sie bei dem bundesweiten Plakatwettbewerb „Bunt statt blau“ ein, der Teil der Präventionskampagne der Krankenkasse DAK-Gesundheit zum Thema Alkoholmissbrauch ist. Sie gewann den Wettbewerb, und zwar doppelt, wurde Berliner Landessiegerin und Bundessiegerin. 7000 Jugendliche hatten teilgenommen, viele von ihnen angeleitet von Lehrer:innen, mit passendem Begleitmaterial von den Organisatoren.
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Die Präventionskampagne gegen exzessives Rauschtrinken bei Jugendlichen gibt es schon seit 2010. Tatsächlich hat sich seitdem einiges gebessert: Nach aktuellen Zahlen aus dem Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit kamen 2022 deutlich weniger Teenager wegen missbräuchlichen Alkoholkonsums in ein Krankenhaus als im Vorjahr. Im Vergleich zu 2021 sanken die Zahlen 2022 in der Altersgruppe der 15- bis 17-Jährigen um zehn Prozent – verglichen mit dem Vor-Corona-Jahr sogar um 41 Prozent.
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„Der Rückgang der Klinikeinweisungen im Bereich Alkoholmissbrauch ist erfreulich. Er zeigt, dass Präventionsinitiativen wie ‚Bunt statt blau‘ eine positive Wirkung entfalten können. Aber wir sind noch nicht am Ziel. Denn noch immer trinken viele Jugendliche, bis der Arzt kommt“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. Gemeinsam mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, Burkhard Blienert, und Reiner Hanewinkel, Institutsleiter des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung IFT-Nord, wählte Storm in der Bundesjury die ersten Plätze aus.
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Hochgerechnet mussten immer noch 7.800 Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren im Jahr 2022 wegen Alkoholmissbrauchs in Krankenhäusern versorgt werden. 2019 waren es noch rund 13.400 junge Patientinnen und Patienten. „Es ist erfreulich, dass weniger Jugendliche bis zum Umfallen Alkohol trinken“, sagt Burkhard Blienert. „Aber, damit das so bleibt, müssen wir weiter intensiv über Alkohol und seine Wirkung bei häufigem und übermäßigem Konsum gerade bei Kindern und Jugendlichen aufklären. ‚Bunt statt blau‘ ist dafür das absolut richtige Format. Die Präventionskampagne vermittelt Kindern und Jugendlichen auf besondere Weise Wissen zum eigenen Umgang mit Alkohol und dem von Freunden oder Eltern.“
„Studien zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler nach der Teilnahme an ‚Bunt statt blau‘ bewusster mit dem Thema Alkohol umgehen“, sagt Reiner Hanewinkel vom IFT-Nord. „Die Initiierung eines kreativen Prozesses ist für die Prävention sehr wirkungsvoll.“
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Warum hat Linda Brandt bei dem Wettbewerb mitgemacht? „Ich habe immer wieder Werbung in den sozialen Medien dafür gesehen.“ Das Thema fasziniere sie schon länger, für ihren mittleren Schulabschluss musste sie eine Präsentation zu einem frei gewählten Thema halten – und suchte sich „Folgen des Alkoholkonsums“ aus. Bei der Recherche erschreckten sie vor allem die Folgen für ungeborene Kinder, wenn Schwangere Alkohol trinken.
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In ihrem Alltag als Berliner Teenager ist das Thema Alkohol oft präsent: „Ich finde es sehr bemerkenswert, wie viel Alkohol andere Leute in meinem Alter in meinem Umfeld konsumieren. Die anderen wollen mich bei Partys animieren, etwas zu trinken: ‚Probier mal. Ist doch langweilig, wenn du nicht trinkst‘“, sagt sie.
Doch Linda lässt sich nicht überreden. „Ich weiß nicht wirklich, woran das liegt, vielleicht daran, wie mich meine Eltern zum Alkohol geführt haben: Ab etwa 14 durfte ich ab und zu probieren, nur einen Schluck, und es hat mir nie geschmeckt. Mir schmecken Getränke ohne Alkohol einfach besser.“
In anderen Familien sieht das laut dem Präventionsbeauftragten Bienert anders aus, dort wird mehr als nur mal ein Schluck getrunken: „Ich wünsche mir eine noch viel breitere Debatte über den viel zu liberalen Umgang mit Alkohol in Deutschland. Denn dass 14-Jährige im Beisein ihrer Eltern Bier, Wein oder noch härtere Sachen trinken dürfen, ist für mich das absolut falsche Signal.“
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de