Heute vor 79 Jahren: Die Nemi-Schiffe brennen
© IMAGO/Gemini Collection/IMAGO/Gemini Heute vor 79 Jahren: Die Nemi-Schiffe brennen
Kaum geborgen nach Jahrtausenden, gingen die geheimnisvollen antiken Nemi-Schiffe in Flammen auf. Sie waren riesig, voll raffinierter Technik – und inspirierten einen legendären Tauchgang.
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Zeit für längere Bergungsarbeiten blieb ihm nicht. Bei dem vermutlich zu schnellen Tauchgang muss dem Schatzsucher eine Ader der Nebenhöhlen geplatzt sein. In seinen halbbiographischen Aufzeichnungen beschreibt De Marchi das Blut, das ihm aus Mund und Nase strömte, und wie er trotz stärker werdender Schmerzen Stücke aus dem Wrack schlug, um wenigstens ein paar Holzplanken, Marmorplatten und Metallartefakte heraufzuholen.
Es war nicht der erste und blieb nicht der letzte Versuch, an die beiden „Nemi-Schiffe“ heranzukommen, die der römische Kaiser Caligula im ersten Jahrhundert nach Christus hatte bauen lassen. Die italienischen Faschisten waren es schließlich, die im 20. Jahrhundert einen radikalen Plan umsetzten: Wenn man die Wracks nicht aus dem See bergen konnte, dann musste eben der See weg. Im Jahr 1928 begannen sie, das Wasser unter Zuhilfenahme von Pumpen abzuleiten, und vier Jahre später hatten sie schließlich beide Schiffe freigelegt.
Die Schiffe hatten mit einer Länge von rund 70 Metern gewaltige Ausmaße für den nicht einmal zwei Kilometer langen See. Welchem Zweck sie vornehmlich gedient hatten – ob als Vergnügungsjachten für den prunksüchtigen Kaiser oder als Testschiffe für die römische Marine, ist bis heute nicht ganz geklärt. In jedem Fall enthielten sie eine Fülle verblüffender technologischer Errungenschaften, etwa ein Warmwassersystem inklusive eines Wasserhahns, der industriell gefertigten Produkten von heute kaum nachstand.
Nemi-Schiff, Restaurierung 1929. © imago images/Historical Views/Historical Views via www.imago-i
Die Freude über den Fund sollte nicht lange währen. Am 31. Mai 1944, heute vor 79 Jahren, verbrannten die Nemi-Schiffe. Die Umstände der Zerstörung sind umstritten: Während man lange von Vandalismus deutscher Streitkräfte ausging, kommt eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung zu dem Schluss, dass Granaten der Alliierten die Schiffe in Brand gesteckt haben.
Ein Rätsel bleibt ungelöst: Wie konnte Francesco De Marchi bei seinem Tauchgang in dem abgedichteten Holzylinder atmen? Wurde er über einen Schlauch mit Blasebalg oder eher durch kleinere Lufttanks versorgt? Maestro Gulielmo da Lorena, der geheimnisvolle Erfinder der Konstruktion, hat zeitlebens die Details unter Verschluss gehalten. Auf seinen Wunsch verriet auch De Marchi nichts – und nahm das Geheimnis der frühen Tauchglocke mit ins Grab.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de