Heute vor 33 Jahren: Das Ende einer „Krankheit“

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Heute vor 33 Jahren: Das Ende einer „Krankheit“

© Wikipedia Heute vor 33 Jahren: Das Ende einer „Krankheit“

Im Jahr 1990 streicht die WHO Homosexualität von der Liste der Krankheiten – vier Jahrzehnte, nachdem eine Psychologin gezeigt hatte, wie falsch solch eine „Diagnose“ ist.

Eine Kolumne von David Will

Im Mai 1990 wurden Millionen Menschen schlagartig gesund. Nachdem sie jahrzehntelang angeblich an einer schweren Krankheit gelitten hatten, strich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 17. Mai 1990, heute vor 33 Jahren, Homosexualität von der Liste der menschlichen Krankheiten.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es als als Anzeichen einer Geisteskrankheit gegolten, Menschen desselben Geschlechts zu lieben und zu begehren. Für den christlichen Psychiater Bénédict Augustin Morel war sie Ausdruck der „Degeneration“, wie Morel Mitte des 19. Jahrhunderts schrieb – eines durch Sünde begründeten biologischen Verfalls, den Eltern an ihre Kinder weitergaben. Dem deutschen Psychiater Richard von Krafft-Ebing galt Homosexualität wiederum als „Psychopathia sexualis“, als erbliche Nervenkrankheit, um die sich Ärzte zu kümmern hätten.

Und das taten sie. Um sie von ihrem angeblichen Leiden zu kurieren, wurden im 20. Jahrhundert weltweit homosexuelle Menschen ihrer Freiheit beraubt. Psychiaterinnen und Psychologen sperrten ihre Patienten in Heilanstalten, verpassten ihnen Stromstöße und verordneten Psychotherapien, die dem Menschen die Liebe zum eigenen Geschlecht austreiben sollten.

Der Anfang vom Ende der „Therapie“ kam mit einem Experiment aus dem Jahr 1957. Für eine Studie hatte die US-amerikanische Psychologin Evelyn Hooker Kollegen gebeten, die sexuelle Ausrichtung und psychische Gesundheit von 60 Männern einzuschätzen, von denen sich 30 als homo- und 30 als heterosexuell bezeichneten. Weder konnten die Psychologen die homo- von den heterosexuellen Männern unterscheiden, noch waren sie in der Lage, Unterschiede in der geistigen Gesundheit festzustellen. Man könnte meinen, es handle sich um ganz normale Menschen, kommentierte Hooker trocken.

Heute wird der 17. Mai als Gedenktag gegen Homo, Bi-, Inter- und Transphobie begangen, zur Erinnerung an jenen Tag, an dem die Psychiatrie einen ihrer größten Fehler korrigierte. Dennoch gibt es immer noch Ärztinnen und Ärzte, die Menschen mittels sogenannter Konversionstherapien zur Heterosexualität erziehen wollen – eine Praxis, die immerhin in Deutschland seit 2020 verboten ist.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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