Erste Siedler, Gastarbeiter, „Schwaben“: Woher die Berliner kommen

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Erste Siedler, Gastarbeiter, „Schwaben“: Woher die Berliner kommen

© Martin Fengel für den Tagesspiegel Erste Siedler, Gastarbeiter, „Schwaben“: Woher die Berliner kommen

Verstehen Sie Berlin? Jede Woche erklären wir Ihnen, was Sie sich schon immer gefragt haben. Diesmal: wieso Berlin schon immer international war.

Von Gabrielle Meton

Babylonische Sprachverwirrung? Nur manchmal: In Berlin leben 180 Nationalitäten zusammen. Doch wo kamen die ersten Berliner eigentlich her? Und wer lebt heute hier?

„Die erste Migration nach Berlin waren eigentlich die ersten Menschen, die überhaupt hergezogen sind“, erklärt Tobi Allers, Historiker und Autor des Buches „Neuberliner“. Nach einer slawischen Vorbesiedlung der heutigen Bezirke Treptow-Köpenick und Spandau um das siebte Jahrhundert wurden das mittelalterliche Berlin und seine Nachbarstadt Cölln von Siedlern aus christianisierten Städten gegründet – darunter höchstwahrscheinlich Köln.

Auf der Suche nach Arbeitskräften

Die nächste große Einwanderungswelle war die der französischen Hugenotten am Ende des 17. Jahrhunderts. „Nach dem Dreißigjährigen Krieg versuchte der Kurfürst von Brandenburg Friedrich Wilhelm, das Leid der Bevölkerung mit wirtschaftlichen Maßnahmen zu lindern“, erklärt Allers. Der Kurfürst suchte Arbeitskräfte: Die französischen Protestanten, die zu dieser Zeit auf der Flucht nach dem Widerruf des Edikts von Nantes waren, siedelten sich in den Stadtteilen Moabit, Friedrichstadt und Dorotheenstadt an.

Im Zuge dessen lud Friedrich Wilhelm auch die Juden wieder nach Berlin ein, die 100 Jahre vorher aus der Mark vertrieben worden waren. Das herzliche Willkommen galt aber nur für einige reiche Wiener Familien, die ein ausreichendes Vermögen mitbringen konnten.

In Folge religiöser Verfolgungen Im 18. Jahrhundert gründeten die böhmisch-mährischen Protestanten mit Genehmigung von König Friedrich Wilhelm I. ab 1732 „Böhmisch Rixdorf“, das heutige Gebiet um den Richardplatz in Neukölln. Zwischen Ende des 18. und Ende des 19. Jahrhunderts vervierfachte sich durch die Industrialisierung und die Bauernbefreiung die Bevölkerung von Berlin. Viertel wie Charlottenburg und Lichtenberg wuchsen mit der Errichtung von Siemens-Fabriken. Heute ist der ehemalige Siemens-Standort in der Lichtenberger Herzbergstraße durch das Dong Xuan Center ersetzt worden. Der Einkaufskomplex gilt als Epizentrum der vietnamesischen Community, deren Angehörige teilweise als Studenten ins sozialistische Bruderland kamen – oder als Vertragsarbeiter.

Als Charlottenburg Charlottengrad genannt wurde

Viele Russen und osteuropäische Juden flohen nach der Oktoberrevolution 1917 nach Berlin. „Die russische Migration zieht dann weiter – aber zwischendurch wird Charlottenburg Charlottengrad genannt“, sagt Allers. Die Einwanderungsbewegungen in der Weimarer Republik waren langsamer, aber auch internationaler. 1923 wurde auf der Kantstraße das erste chinesische Restaurant eröffnet. Wenn man heute noch Spuren von so etwas wie einer Chinatown sucht, wird man am ehesten rund um die Kantstraße fündig.

Nach dem Verlust von einer Million Berlinern in der NS-Zeit und nach der Teilung der Stadt bevölkerten türkischstämmige Gastarbeiter zumindest West-Berlin neu. Auch Wehrdienstverweigerer aus Westdeutschland flüchteten nach West-Berlin. „In den 60er, 70er, 80er Jahren mischen sich vor allem linke Personen, Künstler und Musiker”, beschreibt Tobi Allers. Die Neuankömmlinge siedelten sich in der damals von der Mauer umgebenen und deswegen billigen Gegend von Kreuzberg und Neukölln an. Als die Mauer fiel, lag Kreuzberg mit seinem subkulturellen, linken Klima plötzlich mitten in der Stadt.

In den letzten 30 Jahren sollen viele Neuberliner aus Göttingen, Köln oder Bonn (fälschlicherweise gern hier und da als „Schwaben“ zusammengefasst) zugezogen sein, so die von der „Zeit“ berechneten Wanderungssalden. Und seit 2015 ist die Zahl der aus Syrien stammenden Einwohner Berlins von 15.000 auf fast 45.000 gestiegen, so die Einwohnerregisterstatistik. Eine ähnliche Verdreifachung, wie die ukrainische Diaspora zwischen Juni 2021 und Juni 2022 erlebt hat: Mittlerweile leben in Berlin etwa 100.000 Ukrainer.

  • Charlottenburg-Wilmersdorf
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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